Obwohl es Vormittag war, war das Wartezimmer erstaunlich voll. Mimori musste sich an der Anmeldung einer ganzen Reihe von Fragen zu ihrem medizinischen Verlauf stellen, wurde gewogen, gemessen und gründlich untersucht. Nun saß sie dort und fühlte sich völlig fehl am Platz. Ihr Blick schweifte durch den Raum, der von werdenden Müttern in verschiedenen Stadien der Schwangerschaft bevölkert war. Vereinzelt waren auch Männer und Kinder dabei.
Mimori hatte sich schon lange nicht mehr so fehl am Platz gefühlt. Sie versuchte, sich nicht auf die Situation zu konzentrieren, zuckte jedoch jedes Mal zusammen, wenn auf dem Bildschirm an der Wand eine neue Nummer aufblinkte und ein Pling ertönte.
Was hatte sie nur so ängstlich gemacht?
Sie wusste doch, dass sie nicht schwanger war.
Vielleicht lag es daran, dass sie gleich ihr Intimstes und Privates vorzeigen musste. Frauenarztbesuche gehörten definitiv nicht zu den Dingen, die sie gerne tat. Sie erinnerte sich, dass sie schon lange nicht mehr ihre Geschlechtsteile untersuchen hatte lassen, obwohl das eigentlich alle sechs Monate nötig wäre.
Das durfte sie sich sicher gleich von der Frauenärztin anhören. Auch wenn die Ärztin es nur gut meinte, war es unangenehm. Wer machte schon gerne Dinge, die dermaßen in die Privatsphäre eingriffen? Sie auf keinen Fall. Und jetzt kam noch hinzu, dass sie hier noch nie gewesen war. Ihre frühere Gynäkologin hatte vor über einem Jahr aufgehört, und Mimori hatte das nicht mitbekommen, weil sie sich einfach nicht darum gekümmert hatte. Nun hatte sie den Salat – man warf ihr vor, schwanger zu sein, möglicherweise stand ihr Job auf dem Spiel, für den sie sich unermüdlich eingesetzt hatte. Wenigstens hatte sie verdammtes Glück, dass man sie so spontan einschieben konnte, aber sie hatte sich mental noch gar nicht darauf vorbereiten können.
Frustriert strich sie sich durch ihre kurzen, rotschwarzen Haare. Sie hatte sich vor ein paar Monaten die Haare schneiden lassen, es war einfach mal wieder Zeit gewesen, etwas Neues auszuprobieren. So kam es dazu, dass sie nun einen längeren Pixie Cut trug. Die Asymmetrie des Haarschnitts hatte ihr einfach gut gefallen, in Kombination mit den gefärbten Haaren wirkte sie frech, beinahe rebellisch. Momentan lagen ihre Haare jedoch brav auf ihrem Kopf und warteten nur darauf, von einem Windstoß durcheinandergebracht zu werden, um ihre Rebellion zu zeigen.
Während Mimori über ihre Haare nachdachte – was wesentlich angenehmer war als über den bevorstehenden Termin nachzudenken – wurde sie aufgerufen. Natürlich hatte sie es nicht mitbekommen, und vor ihren Augen erschienen weiße Hosenbeine. Sie sah auf und erblickte das wohlwollende Gesicht einer Arzthelferin.
„Frau Tsun? Geht es Ihnen gut?" Die Sorge in der Stimme der Frau war deutlich zu erkennen.
Himmel noch eins! Wirkte sie so verloren? Sie räusperte sich. „Ja! Ich war nur in Gedanken. Mir geht es gut", versuchte sie, die Frau zu beruhigen. Diese trat zur Seite, damit Mimori aufstehen konnte, und beide Frauen gingen gemeinsam in den freien Behandlungsraum.
„Bitte setzen Sie sich, Dr. Sawamura wird gleich bei Ihnen sein." Kaum hatte Mimori Platz genommen, ging die Tür auf und eine ältere Frau trat ein. Ihre Haare waren zu einem losen Dutt gebunden, und eine freundliche Aura umgab sie. Das Lächeln der Ärztin nahm Mimori sofort einen Teil ihres Unwohlseins.
„Guten Tag, ich bin Dr. Sawamura", begrüßte die Ärztin sie. Mimori sprang von ihrem Stuhl auf und verbeugte sich etwas stockend vor der älteren Frau.
„Sie müssen sich hier nicht wie ein junger Floh herumhüpfen, setzen Sie sich", bat Dr. Sawamura, und Mimori wurde etwas rot. Sie fühlte sich wie eine Schülerin, die zum Direktor gerufen worden war.
„Also gut, Frau Tsun, was führt Sie zu mir?"
Mimori öffnete den Mund, doch kein Ton kam heraus. Wo zum Teufel war ihre sonst so temperamentvolle Natur hin? Wahrscheinlich hatte sie sich an einem anderen Ort verkrochen, genau wie sie es gerade tun würde, wenn sie könnte.
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Auch die Zukunft sieht nicht alles | Tsukishima Kei X OC
RomanceMimori wird plötzlich beschuldigt, schwanger zu sein, obwohl sie sicher ist, niemals etwas in diese Richtung getan zu haben. Doch zu ihrem Schock wird es bestätigt: Sie ist es wirklich. Aber wie ist das möglich? Und vor allem, wer könnte der Vater s...