Egal wie oft er den Anblick sah, die vielen, vielen, geradezu unzähligen Sterne würden nie ihre Wirkung verlieren. Auch jetzt, nach Monaten an Bord der kleinen Raumstation, fühlte er sich wie ein Staubkorn im Wind, wenn er mit der Weite des Universums so konfrontiert war.
„Bodenkontrolle an Horizont II, bitte kommen", Noah wurde, durch die Stimme seiner mittlerweile guten Freundin Ava, aus seinen Gedanken geholt und nahm das Auge vom Sucher des großen stationären Bedienungsfeldes für die, überall außen an der Station angebrachten, Kameras.
„Horizont II an Bodenkontrolle, ich kann dich hören Ava, was gibts?", antwortete er und begann nebenbei damit, die aktuellen Messwerte der Geräte aufzunehmen.
Kurz blieb es still und er fragte sich bereits, ob die Verbindung einen Aussetzer hatte. Das kam allerdings nie vor, zumindest konnte Noah sich nicht daran erinnern, ob er es je mitbekommen hätte. Dann sprach sie aber doch: „Sorry, musste kurz ein Gespräch annehmen. Ich bin jetzt für die nächsten 8 Stunden wieder hier, falls du Gesellschaft brauchst oder Fragen hast".
„Wie war dein Urlaub?", fragte er fast sofort und blickte dabei zu dem Monitor, der ihm die Atmosphärewerte mehrerer Sensoren zeigte. Alle Daten notierte er akribisch.
Ava lächelte, auch wenn er sie nicht sehen konnte, hörte er es an ihrer Stimme: „Ruhig, ich habe ein paar Tage gezockt und dann war ich mit Julia in einem Ferienhaus an einem See. Ich glaube, es hätte dir dort auch gefallen, Noah".
„Klingt echt schön. Wenn ich wieder zurück bin, will ich auch sowas. Einfach die Natur genießen", überlegte er daraufhin. Lange würde er nicht mehr auf der Horizont II bleiben. Knapp sieben Monate noch.
Er konnte hören, wie Ava ein Bonbon auspackte und sich in den Mund steckte, bevor sie wieder zu sprechen anfing: „Da wärst du genau richtig aufgehoben. Wir haben sogar an einem Morgen ein Reh gesehen, was einfach hinter dem Haus herumlief".
So setzten sie ihre Unterhaltung noch eine Weile fort, Ava berichtete von ihrem Urlaub und von alltäglichen Dingen, die sie sonst erlebt hatte oder beschäftigten. Noah machte seine Arbeit, stellte hier und da Fragen oder kommentierte. Anfangs auf der Raumstation hatte er seine Aufgaben meistens in relativer Stille erledigt. Doch mit der Zeit hielt die Einsamkeit auch bei ihm Einzug.
Neben ihm gab es noch drei weitere Personen dort, allerdings befanden sich zwei in einem anderen Bereich. Seine direkte Kollegin Nesrin und er schliefen zudem abwechselnd, um eine genaue Überwachung der Werte zu garantieren. Nur an manchen Tagen nahmen sie zusammen Mahlzeiten ein. Mit der Bodenkontrolle sprach er deshalb irgendwann doch mehr Insbesondere als Ava dort angefangen hatte, mit der er sich wirklich gut verstand.
„Bin übrigens froh, dass du wieder da bist. Joel hat extra Schichten eingelegt, während du weg warst. Ich mag ihn ja, aber bitte nicht 5 Tage hintereinander und mehr als 6 Stunden ungefiltert am Stück", beschwerte er sich einige Stunden später und hörte Ava herzlich lachen.
„Hat er dir von seiner neuen Entwicklung erzählt?", wollte sie sofort wissen. Noah seufzte laut: „Er hat Pastinaken-Püree hier hoch schicken lassen, Ava".
„Apropos Püree, hast du schon was gegessen?", fragte sie jetzt und Noah musste kurz nachdenken. Meistens nahm er direkt nach dem Aufstehen eine Kleinigkeit zu sich und dann später nochmal. Er murmelte ein leises „Gute Idee" und holte sich eine Mahlzeit aus dem Lagerbereich.
Während er aß, beobachtete er einen Meteoroiden, der seit einigen Tagen langsam an der Station vorbei trieb. Er hatte eine spiralförmige Flugbahn, bewegte sich aber eben nicht sonderlich schnell. Vermutlich würde er in einigen Tagen vorbeigezogen sein.
„Es gibt übrigens noch eine Neuigkeit. Ein neuer Kollege ist ab dieser Woche für die Nachtschicht mit zuständig, ein Astrophysiker. Sogar promoviert. Du wirst ihn morgen kennenlernen", eröffnete ihm Ava unvermittelt.
Noah musste seinen Beutel mit der Mahlzeit verschließen und schlucken, bevor er antworten konnte: „Oha. Was ist das für einer? Bitte sag mir, dass es nicht einer von diesen über fünfzigjährigen Typen ist, der mir nur erzählt, wie sehr er davon träumt im Weltraum zu sein und was für ein Glück ich doch habe".
Erneut konnte er Avas Belustigung aus ihrer Stimme hören: „Ich kann dich beruhigen, er ist nur ein Jahr älter als du. Und wirklich nett, finde ich".
„Ein Doktortitel mit 28? Der ist doch bestimmt ein mega Nerd...", Noahs Stimme triefte vor Skepsis. Neue Leute machten ihn einfach nervös. Da half auch Avas Versuch ihn zu beruhigen nicht viel. Er würde mit diesem Typ sehr viele Stunden verbringen. Also zumindest mit seiner Stimme und der Weite des Weltraumes um ihn herum.
Mit dem Vorgänger von Joel hatte er sich gar nicht verstanden und war in der Zeit immer wirklich mies drauf gewesen. So ungern Noah es zugeben wollte: Er war abhängig von gutem Kontakt mit der Bodenkontrolle, damit er nicht verrückt wurde.
„Noah, du bist im Weltraum, filmst und fotografierst Sterne und andere Himmelskörper. Du bist auch ein mega Nerd", erinnerte Ava ihn nun und entlockte ihm damit ein Lächeln, „Gib Colin eine Chance, er ist wirklich cool, versprochen".
„Okay, ich vertrau' dir mal. Aber wenn nicht, dann beschwere ich mich bei dir!", drohte er halb ernst. Danach gab er ihr einige Messungen durch und erledigte den Rest seiner Aufgaben mit weiteren Gesprächen.
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Canis Major
FanficDas ist eine AU, in der Noah ein Astronaut ist und Colin sein Bodenkontakt und Astrophysiker. Sie lernen sich also in der Ferne kennen. Die alternativen Titel sind: Fernbeziehung und Weltraum-Stockholm-Syndrom.