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L e o n a r d o

- vergangenheit: 12 jahre zuvor -

»Ich hasse diesen Lehrer.« fluchte mein bester Kumpel Lionel, während ich anfing zu lachen.
»Wie wäre es, wenn du mal mitmachen würdest? Dann wärst du bestimmt beliebter bei ihn.« Er warf mir einen bösen Blick zu, ehe er den Kopf schüttelte. »Ich passe, Kapitän. Ich passe.«  murmelte er, ehe wir zu den Spinden liefen. Ich war seit Jahren der Fussballkapitän der Schule, weshalb mich jeder so nannte.

»Das Training fällt heute aus, Lio. Ich will aber trotzdem, dass du an deiner Ausdauer arbeitest, verstanden?« Lionel war ein talentierter Fußballer, aber seine Ausdauer ließ zu wünschen übrig. Es war mein Ziel, dass er daran arbeitete. »Ich glaube, ich bring mich um.« murmelte er, bevor er tief Luft holte und seinen Spind schloss. Ich rollte mit den Augen und lehnte mich an meinen Spind. »Du verbringst zu viel Zeit mit Gigi. Eine Dramaqueen, wie sie.« grinste ich. »Lass das bloß Gianna nicht hören.«

»Wieso? Ihr seid Geschwister, also macht das nichts.« lachte ich und richtete mich auf. »Wir sehen uns.« Er nickte, bevor ich mich auf den Weg zum Trainer machte. Auch wenn wir heute kein offizielles Training hatten, hatte ich versprochen, einige jüngere Jungs zu trainieren. Fußball war meine Leidenschaft, ich lebte dafür. Laut meiner Mutter konnte ich eher Fußball spielen als laufen.

Mein Blick schweifte nach Links, als ich einen Schatten an der Wand bemerkte. Ich blinzelte und erkannte ein Mädchen mit dunklen Haaren, das mich mit großen Augen ansah, als sie bemerkte das ich den lauten Knall gehört hatte. Meine Augenbraue hob ich an, als ich realisierte, dass sie gegen die Tonne geschlagen hatte. »Bei dir alles, okay?« fragte ich und versuchte dabei ernst zu klingeln.

»Nein. Ich hasse mein Leben und will diese Schule verbrennen.« sprach sie, während sie wieder gegen die Tonne kickte. Meine Wangen spannten sich an, als sie leise Fluchte, da der Tritt doch schmerzhafter war, als sie dachte. »Ich weiss nicht, ob es so schlau von dir ist, dass du sowas laut äusserst.« erwiderte ich, ehe ich auf sie zu lief. Je näher ich kam, desto mehr fiel mir ihre Schönheit auf. Ihre strahlenden grünen Augen, die mich an Smaragd erinnerten, ihr freches Lächeln, welches mein Herz leicht höher schlugen liess. Je mehr ich sie betrachtete, desto schöner wurde sie. Ihre dunklen Haare umrahmten ihr Gesicht auf eine Weise, die mich faszinierte, und ich konnte nicht anders, als sie anzustarren. Trotz ihrer offensichtlichen Wut und Verzweiflung strahlte sie eine unbestreitbare Anziehungskraft aus, die mich in ihren Bann zog.

»Willst du ein Foto, oder wieso starrst du mich so an?« fragte sie, ehe ich aus meiner Starre erwachte und kurz blinzelte. »No, aber bei so einer Schönheit kann man nur starren.« grinste ich.

Ihre Augen blitzten amüsiert auf. »Der erste, der sich traut, mir ein Kompliment zu machen. Dankeschön.« Meine Augen weiteten sich leicht. Verdammt. »Warte, du bist Gashis kleine Schwester, oder?« Sie nickte.

Verdammt. Gashi war mein Co-Kapitän und wir hatten im Team eine ungeschriebene Regel: Finger weg von den Schwestern. Mein Herz pochte schneller, als ich realisierte, dass ich mich gerade in eine heikle Situation gebracht hatte. Mini-Gashi lächelte frech und legte den Kopf schief. »Oh, du hast Angst vor meinem Bruder ?«, neckte sie mich und ich spürte, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit machte.

»Nur ein bisschen«, neckte ich zurück und zwinkerte ihr zu. Mini-Gashi lachte und ich konnte nicht anders, als ihr Lachen zu genießen. Trotz der unpassenden Situation fühlte ich mich auf seltsame Weise zu ihr hingezogen. Doch ich musste vorsichtig sein.

»Also, mini Gashi, was ist dein Problem?« fragte ich, während ich mich an der Wand lehnte. Mini Gashi warf frustriert die Hände in die Luft, bevor sie ihren Lehrer auf Albanisch verfluchte. Ich verstand die Worte zwar nicht, aber allein an ihrer Gestik konnte ich erahnen, was sie aussprach.

»Ich hasse Mathematik. Welcher Schwachkopf erfindet so eine Scheiße? Wieso braucht man Zahlen? Ich kann lesen und schreiben, das reicht mir doch!« Ihr Ärger und ihre Verzweiflung waren förmlich spürbar, und ich konnte nicht umhin, leicht zu schmunzeln über ihre leidenschaftliche Abneigung gegenüber dem Fach.

»Mathematik ist nicht jedermanns Sache , das ist wahr«, stimmte ich ihr zu und trat näher zu ihr. Sie sah mich mit einem funkelnden Blick an, der eine Mischung aus Wut und Entschlossenheit zeigte. »Aber vielleicht kann ich dir helfen, wenn du möchtest.«

Sie zögerte einen Moment, bevor ein kleines Lächeln über ihr Gesicht huschte. »Wenn du einen Schlaganfall erleiden willst, gerne!« grinste sie nun. »Ich habe drei ältere Brüder, zwei ältere Schwester und einen Vater, die alle Mathe können. Sie haben alle die Hoffnung mit mir aufgegeben.«, seufzte sie. »Ich liebe Challenges, und ich bin mir sicher, du wirst es verstehen. Ich kann mit Gashi darüber reden und dann kann ich dir nachhilfe geben.« sagte ich. Neben Fussball war auch Mathe meine Leidenschaft und fand Freude daran, komplexe Probleme zu lösen. Vielleicht konnte ich ihr dabei helfen, ihre Einstellung zu Mathematik zu ändern und ihr zeigen, dass es nicht so schrecklich war, wie sie dachte.

Sie sah mich mit einem misstrauischen Blick an, aber auch mit einem Hauch von Neugierde. »Okay, Deal. Aber wehe, du versuchst mich zu überzeugen, dass Mathe Spaß macht«, warnte sie mich mit einem Augenzwinkern. Ich lächelte und nickte zustimmend. »Keine Sorge, ich werde mein Bestes geben, um es dir so angenehm wie möglich zu machen, mini Gashi.« schmunzelte ich, ehe ich mich von der Wand abstieß.

»Ich unterhalte mich mit Gashi und dann können wir etwas vereinbaren.«Sie nickte und hob ihre Tasche vom Boden auf. Mini Gashi lächelte kurz, bevor sie sich abwandte und weglief.

Oh, hätte mein früheres Ich doch nur geahnt, welch stürmische Gefühle dieses Gespräch in mir auslösen würde. Ich hätte mich lieber ferngehalten. Fern von diesen fesselnden Augen, fern von diesem bezaubernden Lachen. Fern von ihr.

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Und so beginnt die Geschichte von Aurela und Leonardo. Wir tauchen tief ein in ihre Gedanken, in ihre Gefühle, bis zu jenem Abend, an dem sich alles unwiderruflich veränderte.

Ps: Es werden jetzt nur Kapitel in der Vergangenheit kommen, bis zu diesem einen Abend <3

Forgotten LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt