Kapitel 4: Daan

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Kassandra stellte sich als recht hilfreich heraus. Zwar war sie kaum dazu in der Lage, seinen Zauber zu halten, dafür aber umwerfend darin, die Flasche zu stabilisieren. So gelang es Daan schon im dritten Versuch, den Korken sicher auf den Hals zu stopfen. Aber statt die Flasche einfach zu sprengen, krümmte sich der Zauber hinter dem Glas.

"Es hat funktioniert!" Kassandras Freudenschrei ging ihm schon fast auf die Nerven. Lehrte man den jungen Magiern eigentlich irgendwas in dieser Schule?

"Nein, leider nicht", korrigierte er sie. Verwirrt sah sie erst zu ihm, dann wieder zurück zur Flasche. Verwirrung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Er seufzte.

"Siehst du nicht, wie der Zauber flackert?" Die grünen Schwaden krümmten sich und schienen zu pulsieren wie ein krankes Herz. Sie sah immer noch verständnislos aus.

"Der Zauber löst sich auf." Seine eigene Enttäuschung spiegelte sich in ihrer Miene wieder, als sie begriff. Müde ließ er sich in seinem Stuhl zurücksinken. Wieso funktioniert das nicht? fragte er sich. Er fühlte sich müde und der ständige Verbrauch von Magie hatte ihn ausgelaugt. Ungeduld überkam ihn und am liebsten hätte er die Flasche einfach an die nächste Wand geschmissen. Seine Hand zuckte leicht, als er den überwältigenden Drang unterdrückte. Was für ein dummes Projekt überhaupt. Es ärgerte ihn, dass eine so kleine Spielerei so viel Zeit und Kraft in Anspruch nahm. Wieder seufzte er.

"Wie spät ist es?", fragte er Kassandra.

"Schon sechs Uhr. Wir sollten uns vielleicht wegen der Versammlung bereit machen."

Das hatte er fast vergessen, dabei war er nur dafür nach Yamada gekommen. Die Akademie hielt eine ihrer lächerlichen Versammlungen ab und erwartete wie immer, dass alle Magier mit Namen und Rang dafür an den Hof kamen. Er hatte geglaubt, sie würden nur wieder darüber schwafeln, dass sie die Bezahlung der Lehrkräfte kürzen müssten und so weiter, aber offenbar wollten sie diesmal diesen sehr unnötigen Erlass verkünden.

Daan hasste die Treffen der Akademie. Jedes Jahrzehnt war es das Gleiche. Die Schule erklärte allen, warum sie den Bach runterging und nebenher posierten die Magier und versuchten, einander darin zu übertrumpfen, wer das lächerlichste Kostüm trug. Aus irgendeinem für ihn nicht erkennbaren Grund waren weite, mehrschichtige Roben mit bauschigen Unterröcken und bunten Symbolen, die vermutlich mystisch aussehen sollten, in Mode. Er hatte viel Spaß daran, sich nicht an dem ganzen Nonsens zu beteiligen.

Er holte tief Luft ehe er sagte:

"Na gut. Ich denke, du bist als Absolventin am Programm beteiligt?" Sie nickte. "Dann sehen wir uns bei der Versammlung." Mit einer Handbewegung entließ er sie.

Eilig lief Kassandra davon. Lustlos blieb er noch eine Weile sitzen und starrte trübsinnig auf die Scherben auf dem Tisch vor ihm. Er wünschte, die Faust in der Flasche würde schon funktionieren. Sie würde einiges an Spaß auf einem derart langweiligen Event garantieren. Dann stand er auf und begab sich in seine Gemächer.

Die Unterkunft, die ihm für die Dauer seines Aufenthaltes zugewiesen wurde, bestand aus zwei Räumen. Die kleine Schlafkammer umfasste eine schmale Pritsche und einen kleinen Arbeitstisch, der sich in dem fensterlosen Raum zwischen Bett und Wand presste. Ein winziger Kleiderschrank stand unberührt daneben, er behielt seine Sachen lieber in seinem Koffer. Dazu gab es ein kleines Badezimmer, in dem eine grobe Toilette ohne Deckel stand und ein Waschzuber. Daan war sehr froh, ein Magier zu sein, denn das Wasser im Zuber war eiskalt. Mit einer kurzen Berührung begann es zu dampfen und er wusch sich ausgiebig. Ein kratziges Tuch lag zum Trocknen bereit und er versuchte sich nicht so genau vorzustellen, wie viele es im Laufe der Jahre schon vor ihm benutzt hatten. Wenigstens duftete der verwaschene Stoff frisch und nach Seife. Belustigt dachte er an seine Zeiten als Studierender. Damals waren ihm die Unterkünfte der Akademie nicht so karg erschienen.

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