Wochen und Monate verstrichen und ich sprach mit dem Jungen aus der Vergangenheit kein einziges Wort. Ich blockierte ihn in jeglichen Social Media, sogar auf Spotify. Früher hatten wir zusammen Musik gehört, Playlists erstellt und gegenseitig Songs ausgetauscht. Es gab welche für die Zeit, in der wir zusammen, betrunken natürlich, Games gespielt haben, die ganze Nacht hindurch bei ihm im Zimmer. So banal und langweilig es auch klang, mein Lieblingsspiel war Mikado. Ja, Mikado ein dummes Spiel mit kleinen dünnen Stöcken. Aber für uns beide war es so viel mehr. Es war der lustigste Shit, den wir zusammen hatten.
Ich war für ihn da, als er mal wieder unglücklich 'verliebt' war. Ich gab ihm Rat, Tipps wie er bei dieser und jener Frau vermutlich punkten konnte, doch nie bekam er eine ab.
Schade für ihn, gut für mich dachte ich und fühlte mich gleichermaßen schäbig wie glücklich.
"Scheiss drauf" fluchte ich und Griff zur Schere. Diesmal würde ich es machen, und zwar richtig. Niemand würde mich davon abhalten und niemand würde es interessieren. Oder?
Meine schmalen Finger lagen um das kalte Metall der Schere.
Ich atmete einmal tief ein und aus.
Jetzt.
Einmal, zwei Mal.
Ein Grinsen lag mir auf dem Gesicht.
Mehr und mehr Strähnen fielen auf den Boden. Was dachtet ihr denn? Niemals würde ich mich für einen anderen Menschen verletzen, vor allem nicht nach so langer Zeit. Die langen gelockten braunen Haare, die alle so liebten, waren verschwunden. Jetzt blieb da nur noch der Bob. Aber das reichte nicht. Haare schneiden war ein guter Anfang, aber ich brauchte eine größere Veränderung.
Ich suchte nicht lange und fand es direkt, das Bleach von meinem Vater. Es war noch reichlich da. Ich mischte mir alles zusammen und wollte gerade anfangen, als es klopfte und der besagte Mann zu mir sprach.
"Ey Steph, brauchst du noch lange, ich muss mal", sprach mein Vater.
"Ich, uhm, ich glaube", stammelte ich und er drückte die Klinke herunter. Wir starrten uns kurz an
"Du weißt, dass deine Mutter dich umbringen wird, oder?" brummte er und sah mich noch immer erstaunt an. Ich nickte nur.
"Ach komm her, das wird doch nichts" lachte er und nahm mir die Handschuhe und das Bleach aus der Hand. "Verrat aber nicht, dass ich dir geholfen habe, ja?" lachte mein Vater und begann das Mess auf meinem Kopf mehr oder minder professionell zu korrigieren. Letztendlich packten wir noch das Rosa auf mein Haar, was schon seit ewigkeiten rum lag. Ich starrte die Person auf der anderen Seite an. Mein Spiegelbild. Das war nicht mehr ich, aber ich war es. Endlich sah ich aus, wie ich aussehen wollte.