♤46♤

24 6 0
                                    

Ich nickte leicht und atmete tief durch. Ein Moment für mich, abseits der Kontrolle, der Verpflichtungen und Erwartungen, die mich seit Monaten erdrückten.

"Okay", sagte ich schließlich. "Ich werde mir eine kleine Auszeit in der Stadt nehmen", Lucio lächelte zufrieden.

"Gut und wenn du wieder zurückkommst, sind wir bereit für morgen“, antwortete er. Ich konnte eine leichte Sorge in seinem Blick erkennen, als würde er sich fragen, ob ich wirklich diese Zeit für mich nutzen würde oder ob ich mich wieder zurückziehen würde in die gewohnten Muster der Unsicherheit.

Als ich mich von Lucio abwandte und mir meine Tasche aus dem Schlafzimmer nahm, war ich bereit für den heutigen Tag.

An der Haustür sah ich den Fahrer, der bereits auf mich wartete. "Wohin, Miss Cortes?" Fragte er höflich. Ich konnte spüren, dass er es gewohnt war, seine Augen überall zu haben, immer wachsam, immer bereit.

"Ins Zentrum von Miami, bitte", sagte ich und öffnete die Tür des schwarzen SUVs. Ich stieg ein und lehnte mich zurück, die Augen auf die vorbeiziehenden Häuser gerichtet, während wir durch die Straßen fuhren. Das Geräusch der Stadt beruhigte mich auf eine seltsame Weise und ich konnte spüren, wie sich ein wenig Spannung von meinen Schultern löste.

Im Zentrum angekommen, stieg ich aus und ließ meinen Blick über die Straßenschilder und Schaufenster schweifen. Eine bunte Mischung aus Cafés, Boutiquen und kleinen Kunstgalerien säumte die Straßen. Die Geräusche des Verkehrs, das Lachen von Passanten, das ferne Hupen, es war, als würde ich die Stadt zum ersten Mal mit offenen Augen sehen.

"Ich bleibe in der Nähe, Miss Cortes. Falls Sie mich brauchen", sagte der Fahrer, während er an die Seite des Wagens lehnte. Ich nickte nur, bevor ich mich in die Menge begab.

Ich ließ mich treiben, folgte einfach dem Strom der Menschen und versuchte, den Lärm in meinem Kopf auszublenden. Es war eine Art von Freiheit, die ich nicht mehr gekannt hatte - die Freiheit, keine Entscheidungen treffen zu müssen, außer denen, die in diesem Moment wichtig waren.

Nach einer Weile blieb ich vor einem kleinen, unscheinbaren Laden stehen. Im Schaufenster hingen leuchtende Leinwände, Fotografien und kleine Skulpturen. Es war eine Kunstgalerie und etwas an der Schlichtheit des Raums zog mich an.

Ich trat ein und wurde sofort von einer leichten, beruhigenden Musik empfangen, die in der Luft schwebte. Die Atmosphäre war ruhig und gelassen, ein Kontrast zu dem Trubel draußen. Ich ließ meinen Blick über die Kunstwerke schweifen, blieb vor einem besonders intensiven Gemälde stehen, das in leuchtenden Rottönen und tiefen Blautönen gehalten war. Es schien förmlich zu pulsieren, wie ein lebendiges Wesen.

"Schön, nicht wahr?" Eine sanfte Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. Eine ältere Frau mit langem, silbernem Haar und einem weichen Lächeln stand da. "Es stammt von einem lokalen Künstler. Er nennt es Inneres Feuer."

Ich nickte, unfähig, meine Augen von dem Bild abzuwenden. "Es ist sehr kraftvoll", sagte ich leise.

"Manchmal spiegeln uns die Kunstwerke, was tief in uns steckt", meinte die Frau, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Vielleicht erkennen Sie etwas von sich selbst in diesem Bild."

Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich wusste nicht, warum, doch es fühlte sich an, als hätte sie recht. Etwas in mir begann zu beben, eine Art von Sehnsucht.

Ich drehte mich zu ihr um und lächelte schwach. "Vielleicht", sagte ich und meine Stimme klang brüchig. "Vielleicht ist es genau das."

Die Frau lächelte wissend und nickte, bevor sie sich abwandte und mir Zeit ließ, mit meinen Gedanken allein zu sein. Ich stand da, starrte auf das Gemälde und spürte, wie sich eine Art Frieden in mir ausbreitete.

Mila CortesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt