Vorbei?

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Ich erstarre. Da steht er vor mir und sieht mich an, sein Gesichtsausdruck ist kalt und ohne jegliche Emotionen. Sofort sehen wir gleichzeitig auf die Erde, dort liegt sie. Eine Knarre. Er hat eine Knarre, kurz überlege ich warum. Ob er vorhat mich damit zu bedrohen oder ob sie überhaupt echt ist. Doch keinen Zweifel sie ist echt und dazu auch noch geladen. Wer hat denn bitte eine Knarre im Nachttisch, welcher normale Mensch? Muss sowas nicht eigentlich in einen Tresor oder so?

Keiner reagiert. Keiner sagt etwas. Ich sehe in seinen Augen dass er angespannt ist, angespannt weil dort vor meinen Füßen eine Knarre liegt. Eine Pistole. Ich sehe genau in seine Augen. Und er in meine. Ich kann schon fast seine Gedanken lesen. Er hat Angst. Angst vor mir. Angst vor der Knarre. Angst vor mir mit der Knarre. Vorallem Angst zu sterben. Seine Atmung wird schneller und kleine Schweißperlen liefern sich auf seiner Stirn ein wettrennen.

Genau in diesem Moment könnte ich mich für alles rechen, alles was er mir angetan hat. Alles könnte ich mit einem Mal vergessen und mein Leben wieder erobern. Ich könnte ihn einfach so aus meinem Leben schmeißen und wieder frei sein. Wieder leben. Wieder lachen. Wieder Ich sein.

Keine Angst haben. Wieder gesund sein.

Es ist alles so lange her. So lange her dass ich gelebt habe. So lange her dass ich gelacht habe. So lange her dass ich Ich war. So lange her dass ich keine Angst hatte. Solange war ich nicht gesund.

Mir läuft eine Träne über die Wange. Noch immer stehen wir wie angewurzelt im Schlafzimmer. Er sieht mich noch immer an, plötzlich kommt er mir klein vor. Nicht so mächtig wie sonst. Ich habe keine Angst vor ihm. Plötzlich ist er wieder der nette Junge Mann von neben an. Der keinem was antun könnte. Der niemals auch nur die Hand heben würde. Der der niemals auch nur daran denkt eine Frau zu schlagen. Niemals auf die Idee kommen würde sie zur prostitution zu zwingen. Sie niemals zum weinen bringen würde. Er stand so vor mir als wäre das alles niemals geschehen. Einen kurzen Moment dachte ich er hätte sich geändert. Einen kurzen Moment dachte ich an die alten Zeiten. Daran wie nett er war und wie zärtlich. Daran was wir uns geschworne hatten. Dass wir uns immer lieben würden und dass wir immer zu einander stehen würden. Er hatte es gebrochen. Nichts davon was er mir damals versprochen hatte hat er eingehalten. Er ist viel mehr auf meinen Gefühlen herumgetrappelt.

"Hast du Angst?", frage ich ihn nun. "Nein" Er lügt mich an. Ganz sicher hat er Angst. Ich könnte mich einem sein ganzes Leben zerstören. Ich könnte ihm in die brust schießen und er wäre mit einem Mal Tot. Andererseits könnte ich ihm ins Bein schießen und weglaufen. Er muss Angst haben. Vor mir. Das ich sein Leben beende. Doch will ich das, will ich wirklich den Mann erschießen den ich einmal geliebt habe. Will ich ihn am boden sehen, völlig am Ende. Genauso wie er mich jedesmal zu Boden geprügelt hat. Doch ich lebe noch. Ich bin stark.

Nun sehe ich ihm noch einmal in die Augen und nehme die Knarre in die Hand. Damit ich zeige ich auf ihn.

"Tu es nicht, du wirst es doch bereuen, Lara" "Glaubst du das wirklich?"

"Du kannst doch keiner Fliege was zu Leide tun?" "Das habe ich damals auch von dir gedacht" Er schluckt hörbar und sieht mich an. "Du hast mich doch geliebt. Lara bitte, es wird wie früher ich verspreche es dir." "Du versprichst es mir? Du hast deine Versprechen noch nie gehalten, du hast mich immer belogen." "Das wollte ich nicht, ich wusste nicht was ich angerichtet habe"

Nun nehme ich die Knarre herunter und gehe einen Schritt auf ihn zu. Seine Atmung ist schnell.

"Fünf Jahre lang" Ich mache eine pause. "Fünf Jahre hast du mich festgehalten, du hast mich geschlagen, du hast mich gedemütigt, noch nicht mal meine Familie durfte ich sehen. Ich war nichts wert, aber jetzt bekommst du das alles zurück" Ich wirke erstaunlich gefährlich, es erschreckt mich selber wie ich klinge. Ich gehe einen Schritt zurück. "Bitte tu es nicht, geb mir die Chance mich zu ändern" "Nichts geb ich dir. Du hast es nicht verdient." Er antwortet nicht. "Antworte mir!", schreie ich ihn an, es tut gut. "Also gut erschieß mich doch, du schaffst es doch eh nicht" "Bitte was?" Nun richte ich die Knarre wieder auf ihn. Mittlerweile laufen mir die Tränen nur so die Wangen hinunter.

"Du hast richtig gehört, du würdest es nicht schaffen mich zu töten. Du bist viel zu schwach dafür." "Ich bin nicht schwach!" Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, er geht einen zurück. Das wiederholt sich einige Male bis wir kurz vor dem Wohnzimmer stehen. "Und auch wenn du mich erschießt, was bringt es dir?" "Ich bin frei" "Du wirst das nicht vergessen können, du wirst immer Angst haben und du wirst nicht mehr glücklich" "Ich werde nicht glücklich wenn ich hier bleibe" "Was willst du? Du könntest hier raus, du müsstest allen erzählen was passiert ist und dass du es nicht geschafft hast hier raus zu kommen, alle würden denken du bist schwach und deine Familie, meinst du sie erkennen dich noch, so wie du aussiehst" Ich spüre wie die Wut hoch kocht. "Hör auf!" "Du glaubst doch nicht wirklich dass sie dich jetzt noch haben wollen, du bist so abgemagert und außerdem denken sie du hättest Depressionen, wer würde dir schon glauben" "Ich habe gesagt du sollst aufhören!" Ich schreie ihn schon regelrecht an. "Los komm drück ab", gibt er nun ruhig von sich. "Du hast mir mein Leben zerstört", sage ich noch.

Mein Finger bewegt sich wie automatisch. Plötzlich geht alles schnell. Zu schnell. "Lara", spricht er noch bevor ihn die Kugel trifft. Sofort fällt er zu Boden. Ich kann nicht sehen wo sie ihn getroffen hatte. Mit einem Schlag wird mir klar was ich getan hatte, überall ist blut. Seine Brust voller Blut, der Fußboden voller Blut. Ich muss hier weg.

Völlig verwirrt laufe ich weg, ich öffne die Tür und verlasse die Wohnung, vorher schnappe ich mir sein Handy. Draußen Kontaktiere ich den Krankenwagen, dann lasse ich die Wohnungstür auf und laufe. Ich laufe so schnell wie möglich durch die Straßen. Ich weiß gar nicht wohin, einfach nur weg. In einer der vielen Seitenstraßen bleibe ich stehen, es fängt heftig an zu regnen.Ich fange zu weinen an.

Dann wird es mir klar, ich bin frei. Es ist vorbei.


Soo Leute, wie findet ihr es? Ich habe mir hierbei wirklich viel Mühe gegeben:)

Schreibts in die Kommis<3

Don't be a Ghosty!:*

Please save me someone!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt