Nichts ist verloren.

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"Es tut mir alles so leid", spreche ich nun zu meiner Mama. Sie sieht mich mit großen verweinten Augen an. Sie ist den Tränen nah. "Was tut dir leid?" "Alles. Ich habe nicht gedacht wie weh ich euch allen tue, wenn ich diesen Schritt gehe" "Welchen Schritt? Wolltest du etwa-" Ich unterbreche sie, da ich ahne dass sie dieser Satz ihr viel überwindung kostet. "Ja Mama, ich wusste keinen Ausweg mehr." "Aber warum hast du denn nicht mit uns geredet, wir wollen dir doch helfen, Schatz" Ich zucke mit den Schultern und merke wie sie meine Hand fester drückt. "Es ist viel zu viel passiert um einfach darüber zu reden, Mama. Ihr könnt euch das nicht vorstellen" "Egal was es war, wir sind für dich da. Aber bitte ich will dich nicht noch einmal so auffinden. Mensch du könntest tot sein" "Ich weiß, Mama." Ihr kullert eine Träne die Wange hinunter. "Ich würde es nicht verkraften, weißt du. Nach dem Tot deines Vaters habe ich so oft gehofft dass du zurück kommst. Ich will dich nicht noch einmal verlieren." "Das wirst du nicht, ich werde nicht noch einmal aufgeben" Sie lächelt mich kurz an. "Ich bin immer für dich da, mein Schatz. Zusammen schaffen wir das. Willst du wirklich nicht darüber reden?" Einen Moment überlege ich wirklich ihr etwas zu erzählen, doch ich bringe es nicht übers Herz. Schnell schüttele ich den Kopf. "Das geht nicht, ich muss damit erst selber fertig werden" Sie nickt verständnisvoll den Kopf.

Es klopft an der Tür und kurze Zeit später wird sie geöffnet, die Schwester betritt den Raum. "Sie sind wach, wie fühlen sie sich?" "Schwach", gebe ich lächelt von mir. "Das ist völlig normal, sie haben viel Blut verloren. Sie können wirklich von glück sagen, dass ihre Mutter sie so schnell gefunden hat" Ich sehe meine Mutter kurz an und lächel sie an. "Ich werde nun ihren Verband wechsel, würden sie mir bitte den Arm hier hin legen" Sie zeigt auf den kleinen Tisch der Neben meinem Bett steht, ich gehorche und lege meinen Arm vorsichtig darauf. "Also, das wird jetzt wahrscheinlich etwas weh tun" Sie wickelt den alten Verband ab, es brennt tatsächlich ziemlich. Mein Arm sieht schrecklich aus, er ist sehr blutig. Was habe ich mir nur angetan? Die vielen offenen Stellen, sie bluten noch immer. Zwar nicht mehr wie am Anfang, doch noch sehr.

Und plötzlich tut der Schmerz alles andere als gut, ich würde am liebsten Schreien vor Schmerzen, doch es tropfen nur ein paar Tränen auf die Bettdecke. Die Schwester schmiert vorsichtig eine Salbe auf die Wunden und fängt an den Arm wieder zu verbinden. "So, das wars schon. Ich bringe ihnen nachher ein Glas Wasser und eine warme Mahlzeit." Ich nicke noch bevor sie den Raum verlässt. "Es tut plötzlich so weh." Ich starre nur auf die weiße Wand, während meine Mama mich ansieht. "Es tat doch so gut. Ich habe gedacht, es würde besser werden, aber ich habe alles schlimmer gemacht" "Du kannst nichts dafür, Liebling. Du wusstest doch nicht was du tust" "Oh doch, ich wusste es genau. Aber es hat sich alles so richtig angefühlt" Ich sehe aus dem Fenster, es wird langsam dunkel. "Willst du nicht langsam nach Hause fahren, es ist doch schon spät" "Soll ich nicht hier bei dir bleiben?" "Ich bin schon groß, Mama. Ich komm zurecht" "Na gut, wenn du das sagst. Aber morgen früh komme ich wieder her" "Mach das", lächel ich ihr zu. Sie nimmt sich nun ihre Jacke, gibt mir noch einen Kuss auf die Stirn und verabschiedet sich.

Ich bin allein in dem Zimmer. Es ist still und ich versinke in meinen Gedanken. Denn ich habe es verstanden. Nichts ist verloren. Nichts ist gewonnen. Ich darf einfach nicht aufhören zu kämpfen.

Es ist mir ein Rätsel warum ich dachte es wäre mein Schicksal zu sterben. Das Schicksal hat mich glauben lassen es würde sich nichts ändern, also habe ich offentsichtlich geglaubt es wäre der beste Weg hier raus zu kommen. Doch auch wenn ich nicht mehr bin, meine Vergangenheit gehört immer ein Stück weit zu mir. Immer werde ich sie mit mir herumtragen, ich kann sie nicht löschen und auch nicht vergessen, kann nicht einfach davor weglaufen aber ich kann lernen mit ihr zu leben.

Dazu stehen was ich getan habe, auch wenn ich nicht stolz darauf bin. Dazu stehen was ich durch gemacht habe, auch wenn ich nie auch nur etwas davon vergessen könnte. Mir ist klar, dass ich niemals vergessen werde wie seine Hände sich auf meiner Haut anfühlten, wie sehr es jedes Mal brannte wenn er mich traf. Ich werde niemals vergessen wie alles anfing und wie es endete. Niemals werde ich vergessen wie er dort lag. Diese Bilder werden mir immer im Kopf bleiben, doch ich bin nun bereit dazu damit zu leben. Denn das ist was ich wirklich will. Leben. Wie früher. Ich will endlich wieder die sein die ich einmal war. Ich will im Spiegel wieder dieses hübsche lebensfrohe Mädchen sehen, was dort vor ein paar Jahren stand. Auch wen dieses Mädchen mittlerweile eine erwachsene Frau ist. Aber genau deshalb lohnt es sich zu kämpfen, bis ich ein normales leben führen kann. Jetzt bin ich bereit zu kämpfen und mit der Hilfe meiner Familie werde ich das auch schaffen. Mit etwas professionellen Hilfe könnte ich mich irgendwann sogar verlieben. Wer weiß was die Zukunft bringt.

Please save me someone!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt