Zweiunddreißig Remus

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Kapitel 32 ~Remus~

Mein Herz pochte in meiner Brust. Es erwachte wieder zu leben. Es schlug zu einer unbekannten Musik. Ich kannte weder das Lied noch den Rhythmus. Es war ein gefährlicher Tanz, weil ein viel zu großes Risiko war. Zuerst dachte ich, ich hätte es mir nur eingebildet. Ich hatte das kribbelnde Gefühl verdrängt und ignoriert. Sowie ich es eigentlich immer tat, wenn es um meine Gefühle ging. Ich ignorierte sie und ging mit Logik an die ganze Sache heran. Ich überlegte meinen nächsten Schritt, fragte mich was ich tun sollte, aber ich wusste es selbst nicht einmal. Ich hatte so gehofft, dass ich mich geirrt hatte, einfach alles ein schrecklicher Albtraum war, aber die Wahrheit holte mich immer wieder ein. Nach mehreren Tests bin ich zu dem Ergebnis gekommen. Auch wenn es mir nicht gefiel, ich konnte nichts daran ändern. Vor allem konnte ich mit niemanden darüber reden. Eigentlich sollte ich daran gewöhnt sein, doch mit der Zeit konnte ich Sirius und James alles anvertrauen. Sie hatten mich akzeptiert, wie ich bin, sie hatten mich aufgenommen. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte die Decke an. Es war bereits dunkel und Sirius war auf der Couch eingeschlafen. Es wäre logisch zurück ins Bett zu gehen und zu schlafen, da bald wieder Vollmond ist. Das Problem war nur, ich konnte nicht schlafen. Ich wusste nicht, ob es an den Mond oder an mir lag. Vielleicht dachte ich zu sehr nach, vielleicht war ich viel zu nervös, obwohl das alles keinen Sinn ergab. Wir teilten uns von Tag eins an einen Schlafraum. Ich hatte ihn öfters nackt gesehen als seine Eltern. Kein einziges Mal war ich nervös gewesen. Und jetzt? Jetzt wurden meine Hände feucht und die Anwesenheit von meinem besten Freund war mir mehr als bewusst. Ich sollte keine Gefühle für ihn hegen, ich sollte all diese Gedanken nicht haben, aber ich konnte es nicht verhindern. Sie kamen immer und immer wieder, egal wie oft ich sie einsperrte.
„Du bist noch wach.", stellte Sirius fest und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich schreckte hoch aus Angst er hätte irgendwas von meinem Chaos gehört. Seine Stimme klang verschlafen und rau. Ich liebte den Klang. Nicht viele bekamen ihn zu hören umso glücklicher bin ich, dass ich etwas hatte, was die ganzen Mädchen da draußen nicht hatten. Sirius als mein bester Freund.
„Du auch.", antwortete ich leise, ohne ihn anzuschauen. Ich wusste, wie er aussah. Sein schwarzes Haar war verstrubelt und lag offen über seine Schultern. Sein Blick war müde und seine Stimme tief und sexy. Ich schluckte. Ich verdrängte diesen Gedanken sofort. Ich durfte Sirius nicht als sexy betrachten. Auf keinen Fall. Er hat jemanden gefunden mit dem er vielleicht glücklich werden konnte. Ich durfte ihm nicht im Wege stehen. Ich durfte ihm das nicht kaputt machen.
„Was beschäftigt dich dieses Mal?", fragte er mich. Ich hörte ein Rascheln. Er setzte sich hin, um mich besser sehen zu können. Bitte nicht. Schau weg, sowie du es immer getan hast.
„Nichts.", log ich ihn an: „Es ist der Mond. Du weißt, es ist bald wieder Vollmond."
„Dass dauert doch noch mehr als drei Wochen. Also was ist los?" Musste er weiterfragen? Konnte er nicht sehen, dass ich nicht über das Thema reden möchte? Ich konnte mit ihm auch nicht darüber reden.
„Gar nichts.", behaarte ich auf meine Lüge: „Ich gehe ins Bett. Es ist schon spät und morgen haben wir einen langen Tag." Bevor Sirius etwas sagen konnte, war ich auch bereits losgerannt und ließ meinen besten Freund zurück. Es tut mir leid, Pad. Aber es musste sein. Für deinem und meinem Wohl. Ich musste Abstand zwischen uns bringen. Bis ich wieder normal geworden bin. Bis ich das Problem beseitigt hatte.

Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zu bekommen. Meine Gedanken wurden immer lauter und egal woran ich dachte sie gingen immer wieder zu einem schwarzhaarigen zurück. Ich stocherte lustlos in meinem Musli herum. Ich sollte etwas essen, aber ich habe keinen Hunger. Mir ist weder nach reden noch zum Lernen zu Mute. Ich möchte einfach zurück in meinem Bett und an die Decke starren. Einmal an nichts denken.
„Was ist mit dir passiert? Du siehst furchtbar aus?", fragend schaute ich zwischen Lily und Emily hin und her. Beide sahen verweint aus. Als hätten sie die Nacht durchgeweint.
„James hat die Sache zwischen uns beendet und Emily wird Hogwarts verlassen.", erklärte sie mir.
„Zurück zum Anfang. Von welcher Sache redest du und wieso muss Emily Hogwarts verlassen?" Meine eigenen Probleme waren vergessen. Ich musste für meine Freundinnen da sein. Ich konnte ein anderes Mal über meine Gefühle nachdenken. Die zwei Mädels brauchten mich dringender als irgendein dummes Gefühl, welches ich mir auch nur einbildete.
„Gestern Abend.", fing die rothaarige an und sofort traten Tränen in ihren Augen: „James und ich hatten über sein Verhalten geredet. Ich habe es mit den Slytherin verglichen, woraufhin er alles beendet hat. Ich sagte ich solle zu ihm kommen, wenn ich weiß was ich will. Und da ist das Problem! Ich weiß nicht, was ich will. Er hat mich so verwirrt, dass ich nichts mehr weiß." Lily wischte ihre Tränen weg. Sie versuchte tapfer zu sein, doch jeder konnte sehen, dass ihr Herz gebrochen war. Dass sie Liebeskummer hatte. Noch nie hatte ich sie so gefühlsvoll erlebt.
„Meine Eltern.", fing Emily an zu erzählen: „Es gab ein Notfall in der Familie, deswegen war mein Bruder auch hier. Ich muss zurück nach Hause und dort weiterlernen. Die Hochzeit ist zwar abgesagt worden aber mein anderer Bruder wird seit fast sechs Monaten vermisst. Ich werde nach dem Frühstück nach Hause fahren." Emilys Stimme brach. Die zwei Freundinnen warfen sich in die Arme und fingen an zu weinen. Ich starrte sie sprachlos an. Ich wusste nicht so genau, was ich machen sollte. Ich kam mit ihnen super zurecht, ich konnte mit ihnen reden, aber wenn sie ihre Gefühle so offen zeigten, wusste ich nicht was ich machen sollte.
„Du kanns nicht gehen, Em. Die Prüfungen stehen blad an. Wann kommst du wieder?" Ich griff nach ihrer Hand. Die beiden Mädchen so am Böden zerstört zu sehen verletzte mich. Es schmerzte.
„Ich weiß es nicht.", antwortete sie: „Vielleicht sehen wir uns in den Sommerferien wieder oder im neuen Schuljahr. Aber ich werde euch schreiben. Jeden Tag, versprochen." Sie drückte meine Hand und zwang sich ein Lächeln auf den Lippen.
„Solltest du es nicht tun, werde ich dich persönlich holen und dich zurückbringen.", sagte Lily mitderselben brüchigen Stimme wie ihre Freundin und legte ihre Hand auf die von Emily und meine. Es fühlte sich an, als würde eine jahrelange Freundschaft zerbrechen, als würden wir uns nie wiedersehen.
„Wann fährt dein Zug?" Verdammt. Jetzt klang meine Stimme auch brüchig. Was bin ich? Ein Mädchen? Ich weinte doch jetzt nicht ernsthaft. Meine Sicht verschwamm. Meine Wangen wurden furcht.
„Verdammt.", schnieft ich: „Wegen euch muss ich auch weinen." Ich wischte mir meine Tränen vom Gesicht.
„Wenn wir irgendwas für dich tun können, bevor du fährst sag uns bitte Bescheid.", ich versuchte zu Lächeln. Ich musste die Stimmung heben. Wir konnten Emily nicht mit Tränen verabschieden. Sie musste uns lächelnd in Erinnerung behalten bis wir uns das nächste Mal sehen.
Sie schüttelt ihren Kopf: „Ich habe gestern Abend alles gepackt. Wir müssen nur den Trank umfüllen und dann können wir auch los."
„Wirst du es Black sagen?", erkundigte sich Lily bei ihr.
„Nein. Wir sind nicht einmal ein Paar. Keine Ahnung was ihn so lange hingehalten hat aber ich kann jetzt keine Beziehung führen. Ich muss die Dinge zuhause Regeln und wenn ich wiederkomme, ist es vielleicht zu spät."
„Das wird schon. Vielleicht merkt er, was er verloren hat, wenn du gegangen bist und ändert sich." Ich zwang mich zu einer neutralen Stimme, obwohl mir danach war ihr die Augen auszukratzen. Auch wenn Emily eine sehr gute Freundin ist und ich sie wirklich mag, überfiel mir eine Eifersucht, wenn es um meinem besten Freund ging. All die Mädchen konnten offen und ehrlich zu ihren Gefühlen sein. Sie konnten zu ihnen stehen, nur ich musste sie verbergen. Ich musste wieder mal verstecken und verstellen. Ich hatte gedacht, dass hatte aufgehört als Sirius und James mein Geheimnis gelüftet hatten. Ich hatte mich geirrt. Ich hatte mich in so vielen Dingen geirrt, dass es einfach nur schmerzte. Ich wollte meinen besten Freund mit niemanden teilen, aber ich musste es. Mir blieb keine andere Wahl.
„Aber wir hatten so viel vor, Emily. Ich kann das nicht ohne dich. Wir hatten doch Pläne."
„Das kannst du auch ohne mich. Du machst, dass was wir vereinbart haben und dann berichtest du es mir."
„Ich bin aber nicht so gut in Zaubern wie du.", nuschelte Lily, senkte ihren Kopf und starrte auf ihrem Frühstück. Uns allen war der Hunger vergangen. Auch wenn ich nicht viel verstand, worüber sie sprachen, sagte mir mein Gefühl, dass es nichts Gutes bedeutete. Vielleicht sollte ich meine Freunde warnen. Vielleicht konnte James etwas aus Lily heraus kitzeln, oder ich schaue was passieren wird. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum Sirius mich nicht sah. Weil ich alles kontrollieren musste, weil ich langweilig bin und nicht so wild wie die ganzen Mädchen. Oder er bevorzugte das andere Geschlecht. So vieles, was ich nicht wusste, was mich wahnsinnig machte.
„Lasst uns gehen, sonst verpasse ich noch meinen Zug.", unterbrach Emily unsere Gedanken. Keiner antwortete ihr. Wir standen auf und verließen die große Halle als Sirius und James sie betreten wollten. Sie schauten uns fragend an. Ihre Blicke sprachen Bändern. Keiner der beiden Mädchen erwiderte den Blick. Sie liefen an ihnen vorbei sowie sie es früher getan hatten. Als wäre das letzte halbe Jahr nichts geschehen.
Plötzlich legte sich eine warme Hand um meinen Arm, die mich vom Weitergehen abhielt. In mir zog sich alles zusammen, weil ich genau wusste, wenn ich mich jetzt umdrehe, werde ich in sein Gesicht schauen. Ich holte ein letztes Mal tief Luft und schaute in das Gesicht meines besten Freundes.
„Was ist hier los?", erkundigte sich Sirius fragend.
„Emily fährt heute nach Hause und wird für das restliche Schuljahr nicht mehr zurückkommen."
„Wieso?", fragte James sofort und trat neben Sirius.
„Weiß ich nicht. Vielleicht sehen wir Emily in den Sommerferien, vielleicht im nächsten Schuljahr oder gar nicht mehr.", antwortete ich. Ich befreite mich aus Sirius griff. Die Stelle brannte wie Feuer. Mir wurde warm und mein Herz machte ein Salto in meiner Brust. Als ob er jemals in Lage wäre ein Monster mich zu lieben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Hölle zufriert, liegt viel höher.
„Wir begleiten euch.", war das einzige, was James sagte und folgte Lily. Ich schaute ihm hinterher. Wird mich jemand mitdenselben Ausdruck in den Augen anschauen, wie James Lily immer anschaute? Auch da sehe ich die Wahrscheinlichkeit sehr gering. Niemand konnte ein Monster lieben.
„Geht es dir gut, Remus?" Seine Stimme war sanft und weich. Sie ließ mein Herz schmelzen. Ich versuchte mein Inneres zu verschließen. Er durfte nichts sehen. Er durfte nichts merken. Ich musste ihn auf Abstand halten. Dass war für uns beiden das Beste.
„Ja.", antwortete ich knapp, trat einige Schritte zurück, bevor ich mich umdrehte und den Mädels folgte. Ich konnte seine grauen Augen, deutlich in meinem Rücken spüren, aber ich drehte mich nicht um. Ich durfte nicht zurückschauen. Ich durfte ihn nicht lieben. Ich durfte nicht mehr wollen.

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