Fünfunddreißig ~Lily~

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Kapitel 35 ~Lily~

Es war endlich so weit. Das warten hatte ein Ende. Heute werde ich die Wahrheit über die Rumtreiber erfahren. Ich werde ihr kleines Geheimnis aufdecken. In dieser Nacht sollte Emily an meiner Seite sein. Wir wollten das Geheimnis gemeinsam lüften. Ausgerechnet jetzt war sie nicht an meiner Seite, wo ich sie am meisten brauchte. Auch ohne sie würde ich es schaffen. Ich werde ihr meinen Bericht mit der Eule schicken, wie ich es versprochen hatte. Ich war den Rumtreibern so nah wie noch nie. Ich würde sie verstehen. Ich würde ihr Handeln verstehen und vielleicht werde ich mich selbst besser verstehen. Ich brauchte Antworten auf meine unzähligen Fragen und eine davon würde ich heute Nacht beantworten. Es war zwar riskant und lebensgefährlich, aber nichts auf dieser Welt konnte mich von meinen Entschluss abbringen.
Ich schaute aus dem Fenster und sah nichts außer Dunkelheit. Sie versteckte den Wald, wo die Kreaturen bereits zum Leben erwacht sind und ihr Unheil treiben. Ich hatte den Wald immer gemieden. Ich hatte Geschichten über ihn gelesen und Gerüchte gehört, dass ich mich nie gewagt hatte ihn nur zu Nahe zukommen. Heute Nacht werde ich diese Grenze überschreiten und ein großes Geheimnis lüften. Der Mond war bereits vor einigen Stunden aufgegangen und auch jetzt konnte ich nichts als Stille hören. Ich zog mir meinen dicken Mantel an und verließ mit leisen Schritten zuerst den Schlafraum und dann den Gemeinschaftsraum. Ich war noch nie außerhalb der Speerstunde im Schloss unterwegs. Ich möchte Zugern wissen, wie die Rumtreiber es schafften durch das Schloss zu laufen, ohne ein einziges Mal erwischt zu werden. Ich lief langsam und so leise wie möglich durch die Flure. Ich schaute um jede Ecke, um von den Vertrauensschüler nicht erwischt zu werden. Ich wusste nicht welche Strafe auf mich zu kommen würde oder ob ich direkt von der Schule verwiesen wurde. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, sodass ich befürchtete, dass es mich noch verraten würde. Mein Blut rauschte in meinen Ohren aus Angst ich könnte entdeckt werden. Der Weg war lang und so einfach würde ich nicht hier rauskommen. Ich musste es schaffen. Wenn es die Rumtreiber schafften, dann würde ich es auch schaffen. Es hatte einen großen Nachteil die brave Schülerin zu sein. Immer die Regeln zu befolgen, ohne sie ein einziges Mal zu hinterfragen. Immer nur auf die Schule konzentrieren, ohne wirklich irgendwelche Erfahrungen zu machen. Die einzige Erfahrung, die ich jetzt kennenlernen durfte, war James Potter. Das mit ihm war nichts Ernstes. Er hatte seinen Spaß gehabt mir den Kopf zu verdrehen, als ich mir dann entschloss mich auf ihn einzulassen, beendete er es einfach. Ich hatte geglaubt er würde es ernst meinen, ich wäre nicht wie die dummen Mädchen, doch ich ließ mich täuschen. Ich hatte Gerüchte gehört über eine Wette. Ich und eine Wette? Ich bin zwar alles aber keine Wette. Das Potter sich einen Scherz daraus machte mir das Herz zu brechen ging zu weit. Er hatte eine Grenze überschritten und das würde ich ihm jetzt heimzahlen. Niemand legte sich mit mir an. Ich bin nicht umsonst die klügste Hexe aus meinem Jahrgang. Nach heute Nacht würde ich einen Schlussstrich ziehen und wir werden wieder getrennte Wege gehen. Es hätte niemals so weit kommen dürfen. Ich hätte niemals zulassen sollen ihn so nah an mich heran gelassen zu haben. Dafür wird er bezahlen.
Ich hatte es tatsächlich geschafft! Unglaublich! Ich habe es aus dem Schloss geschafft, ohne erwischt zu werden. Was die Rumtreiber können, kann ich schon lange. Die große Tür fiel leise in ihr Schloss. Ich zuckte erschrocken zusammen. Ich dachte mein Herz könnte nicht schneller schlagen, da hatte ich mich wohl geirrt. Es schlug so schnell und laut in meiner Brust, dass ich meinen Herzschlag in meinen Ohren hören konnte. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Idee so gut war. Vielleicht sollte ich doch besser umdrehen und zurück ins Bett gehen. Ich schüttelte meinen Kopf, um diesen Gedanken schnell wieder aus meinem Kopf zu streichen. Ich werde doch jetzt nicht aufgeben. Nicht wenn ich so weit gekommen bin. Ich setzte einen Fuß nach dem anderen. Nur langsam bewegte ich mich vom Schloss entfernt in Richtung des Waldes. War das eine gute Idee? Wahrscheinlich nicht. Werde ich es bereuen? Wahrscheinlich. Bei jedem Rascheln zuckte ich merklich zusammen. Ich wusste nicht, wer oder was sich dahinter verbarg. Was wenn mich jemand angreift? Ich hatte zwar meinen Zauberstarb dabei, doch selbst zu verteidigen war alles andere als meine Stärke. Es war nicht nur dunkel, sondern auch noch verdammt kalt. Ich hätte mir vielleicht was Dickeres anziehen sollen. Ich konnte auch kein Licht mit meinem Zauberstab beschwören. Die Gefahr war zu hoch, dass ich von irgendwelchen Kreaturen gesehen und getötet werde. Also musste ich auf mein Bauchgefühl vertrauen. Ein Gefühl, welches mich dem Öfteren getäuscht hatte. Ich kannte mich im Schloss und auf den Ländereien aus, jedoch nicht im Dunkeln. Ich wusste nicht, wohin ich trat oder wohin ich ging. Mein Blick war stehts nach vorne gerichtet auf die großen Bäume, die im Wind wehten. Ich schluckte den dicken Kloß in meinem Hals runter, als ich vor den ersten dichten Bäumen stand. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Ich hatte mich getraut mich dem Wald zu nähern. Mein ganzer Körper zitterte vor Angst, als ich den Wald betrat. Plötzlich ertönte ein lautes Geheule. Ruckartig blieb ich stehen und schaute mich suchend um. Wer war das? Die Frage sollte eher lauten, was war das? Wollte ich das wissen? Besser nicht. Ich lief weiter. Langsam. Ich versuchte mich hinter den Bäumen zu verstecken, um ein bisschen Deckung zu bekommen. Immerhin wusste ich nicht, welche Wesen hier lebten und wie gefährlich sie waren.
„Verdammt, Pad.", hörte ich plötzlich eine aufgebrachte Stimme, die ich nur allzu gut kannte: „Wo ist er hin? Ich habe ihn aus den Augen verloren."
„Woher soll ich das wissen? Ich war gerade damit beschäftigt Peter vor den Riesen Spinnen zu beschützen." Zwei Gestalten tauchten einige Meter vor mir auf. Einer hatte lockiges Haar, welches er zu seinem Zopf zusammengebunden hatte, welcher mit Sicherheit Sirius war und der andere fuhr sich durch sein Haar, welchen ich als James erkannte.
„Verdammt.", fluchte James wütend: „Wir müssen ihn finden, bevor er noch irgendein Chaos anrichtet. Wieso wirkt der Trank nicht."
„Hat Evans ihn unwirksam gemacht, eine andere Erklärung gibt es dafür nicht." Ich soll was gemacht haben? Will Black mich veraschen? Ich wusste, wie wichtig James der Trank war. Ich würde niemals auf den Gedanken kommen ihn zu manipulieren. Was hatte ich davon? Gar nichts. Es würde mich nicht weiterbringen.
„Das glaube ich nicht. Es muss ein anderer Grund für Remus Verhalten haben, es ist nicht das erste Mal, dass er seine Kontrolle verliert." Ich konnte die Verzweiflung und Sorge aus James Stimme hören. Er hatte Angst um seinen Freund. Ich wusste zwar nicht was sein Verhalten mit dem Alltag zu tun hatte, aber da würde ich noch dahinterkommen. Wenigstens lag ich mit meiner Vermutung recht. Remus ist ein Werwolf und Black und Potter hatten es die ganze Zeit gewusst. Nicht nur dass sondern sie steckten unter einer Decke. Das aller Schlimmste ist, dass sie den unschuldigen Peter damit reingezogen hatten. Sie waren selbstsüchtige Arschlöcher, nicht mehr und nicht weniger.
„Warte.", hielt Black seinen Freund auf einmal vom Gehen auf: „Ich rieche etwas, was nicht hier hergehört."
„Das kann nicht sein. Außer uns, Remus und den Kreaturen dürfte niemand hier sein."
Ich beobachtete das Bild vor mir ganz genau. Vor einer Sekunde stand Sirius Black neben James Potter, und anstatt eines Menschen zu sehen, sah ich einen großen zotteligen Hund. Ich glaube es nicht. Er ist ein Animagus! Bestimmt hatte er sich nicht registrieren lassen, wie die Zauberergesetzte es verlangten. Wenn Sirius einer war, musste James auch einer sein, aber welches? Dann ergaben ihre Spitznamen Sinn. Wie Blind konnten wir alle nur sein? Es war doch mehr als offensichtlich und doch hatte es keiner gemerkt.
Padfood, abgekürzt Pad, stand für Tatze also für einen Hund.
Moony, hatte was mit dem Mond zu tun, was Remus Werwolf sein hinweist.
Wormtail, bedeutet Wurmschwanz. Peter konnte nur eine Maus oder eine Ratte sein. Für was Größeres hielt ich ihn nicht fähig.
Und was war James? Mir fiel nichts unter Prongs, Krone, ein. Welches Tier war er?
„Na wen haben wir denn da.", hauchte eine tiefe Stimmer hinter mir, wodurch ich merklich zusammenzuckte. Ein fester Griff legte sich um meinen Arm, drehten mich um und ich schaute in zwei wütenden grauen Augen. Aber wie? Stand er nicht noch gerade bei James? Wie konnte er so schnell hinter mir sein ohne dass ich es bemerkt hatte.
„Wusste ich doch, dass etwas nicht stimmt.", knurrte Sirius gefährlich. Er zog mich hinter sich her, schubste mich vor sich als wäre ich eine Gefangene und stand zwischen James Potter und Sirius Black. Das habe ich super hinbekommen. Ich wollte sie ausspionieren und mich nicht selbst in Gefahr bringen. James schaute mich genauso wütend an wie Sirius. Vielleicht ein bisschen wütender und gefährlich als sein Freund. Er machte mir keine Angst. Ich hatte keine Angst vor ihnen, weil ich genau wusste sie werden mir nichts tun.
„Was machst du hier, Evans?", fragte mich Potter streng, gleichzeitig verschränkte er seine Arme vor der Brust.
„Ach sind wir nicht mehr bei unseren Vornamen?", beantwortete ich seine Frage mit einer Gegenfrage und verschränkte ebenfalls meine Arme vor der Brust.
„Ein sehr unpassender Zeitpunkt in dem Wald umherzulaufen."
„Wieso? Ihr tut es doch auch?" Fragend legte ich meinen Kopf schief. Ich konnte den Inneren Kampf von James in seinen Augen erkennen. Ein siegessicheres Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.
„Ich werde damit zu Dumbledore gehen und dann werdet ihr von der Schule verwiesen.", teilte ich ihnen meinen Plan mit.
„Wie naiv bist du eigentlich?", lachte Black hinter mir auf. Ich drehte mich zu ihm um. Seine Augen fixierten mich, wie ein Jäger seine Beute.
„Er weiß doch schon längst Bescheid. Dumbledore weiß alles, was im Schloss vor sich geht."
„Und wieso unternimmt er nichts? Was ihr macht, ist illegal und sollte bestraft werden!"
„Dass wir für unseren Freund zur Seite stehen und ihm helfen wollen, sollte bestraft werden? Ich wusste die ganze Zeit, dass man dir nicht vertrauen kann, aber dass du so kaltherzig bist, hätte ich von dir niemals gedacht, Evans. Kein Wunder, dass du keine Freunde hast." Blacks Worte waren kalt und stachen mir direkt ins Herz. Es fiel wie Glas auf dem Boden und zersprang in tausend Teile. Seine Wörter trafen mich mehr, als sie sollten. Aber er hatte Recht. Außer Emily hatte ich keine Freunde. Ich stand allein da, während andere in Gruppen liefen. Ich kämpfte schon immer allein. Mit meinen Dämonen. Mit meiner Einsamkeit. Ich hatte diesen Kampf verloren. Ich drehte mich hilfesuchend zu Potter um. Er stand nur da und starrte mich an. Er stimmte Black also zu? Ist das sein Ernst? Was hatte ich auch von ihm erwartet? Meine Hoffnung sank und alles in mir starb. Ich hatte mein Herz an jemanden verloren, den ich nicht kannte. Den ich falsch eingeschätzt hatte und mir ein Messer in den Rücken stach. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst, aber ich konnte nicht auf meinem Bauchgefühl hören. Ich musste es riskieren.
Die Stille zwischen uns dreien wurde von einem lauten Geheule unterbrochen. Potter und Black erwachten aus ihrer Starre und verschwanden in der Dunkelheit. Bevor er zwischen den Bäumen verschwand und seinem Freund folgte, drehte sich Potter noch einmal zu mir um. Seine braunen Augen fixierten meine grünen Augen. Es schien, als würde er zögern und mich selbst kämpfen. Ich schüttelte seinen Kopf und verschwand. Sie ließen mich zurück im Wald.
Potter und ich würden wieder getrennte Wege gehen. Wir sind weder Freunde noch Verbündete. Wir sind ein Nichts. Für uns bestand weder Hoffnung noch eine Zukunft zusammen zu sein. Diese Erkenntnis traf mich hart und zerrisse mich endgültig.

- Ende

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