Kapitel 1: Im Schatten des Glanzes

48 15 18
                                    

«Wo Reichtum erstrahlt, ist die Finsternis nicht weit.»

«Komm schon, wir müssen uns beeilen!» Die schwieligen Hände der Hausherrin klatschten wie Peitschenhiebe durch die Luft und ihre harsche Stimme fegte über mich hinweg. Auf dem Boden kniend schrubbte ich den ohnehin glänzenden Marmorboden stärker. Erika griff routiniert die burgunderfarbene Seidendecke des Himmelbettes und ließ diese faltenlos über die mit floralem Mustern gesteppte Matratze sinken. Die edlen Vorhänge aus Damast verdeckten die hauchfeinen Schnitzereien des hölzernen Bettgestells.

Ich schielte unauffällig zum raffiniert gestalteten Möbelstück. Ich würde mich nie an diesen Luxus und den Prunk um mich herum gewöhnen. Die wuchtige Terrassentür wurde in einem Schwung aufgerissen und die frische Abendluft kühlte meinen erhitzten Nacken. Auf schmerzenden Knien erhob ich mich, umfasste den Putzlappen mit roten Händen fester und ergriff stöhnend den Metalleimer vor mir. Ein weiteres Klatschen ertönte und mahnte mich erneut zur Eile. «Reiß dich endlich zusammen, Kind. Du musst viel schneller werden. Wir haben keine Zeit für Trödeleien.» Ihre grauen Augen funkelten mich mit scharfem, durchdringenden Blick an. Ungeduldig schritt sie auf mich zu und schob mich unsanft durch die in die Wand eingelassene Schiebetür in den Flur.

Ihr Gesicht war von tiefen Furchen gezeichnet und ihr strenger Ausdruck jagte Schauder über meine Haut. «Steh hier nicht so rum, wisch die Hauptküche, aber gründlich. Und sorge dafür, dass der Boden nicht rutschig ist. Ich will keine Nachlässigkeiten sehen, verstanden? Wo zum Teufel ist Hannah? Die Vase hier passt nicht zu der Bettdecke und das goldene Paisleytuch fehlt.» Mit diesen Worten eilte sie mit hallenden Schritten an mir vorbei in Richtung der Bedienstetenzimmer.

Ich schüttelte den Kopf und trug erschöpft den schweren Wassereimer die beträchtlichen Stufen des Herrenhauses hinauf. Klirrend fand er seinen Platz auf dem rustikalen Holzfußboden in der Küche. Winzige Öllampen hingen an den in warmen Erdtönen gestrichenen Wänden. Der Steinkamin knisterte leise und warf sanfte leuchtende Schatten auf den angrenzenden Wohnbereich.

Die massive Arbeitsplatte aus Holz dominierte den Raum und war mit unzähligen Küchenutensilien bestückt. Mit dem Handrücken strich ich mir über die schweißnasse Stirn und sah mit einem Lächeln zu Kate.

Sie war mit einem Kochlöffel bewaffnet und versenkte diesen entschieden im hintersten der vier geschwärzten köchelnden Töpfe. Der Duft von verschiedenen Kräutern und Gemüse erfüllte die Luft. Ich räusperte mich und schenkte ihr erneut ein warmherziges Lächeln. Sie sah auf und ließ den Löffel in der Kasserolle mit der Mischung aus Eiern, Hummerfleisch und Sherry sinken. Energisch steckte sie mit ihren Fingern eine kupferrote Strähne ihres welligen Haares hinters Ohr, die ihr sonst über die Schultern fielen, doch heute in einem geflochtenen Dutt steckten. «Ich muss den Boden hier noch wischen, dann kann ich endlich Feierabend machen.» Ich schnaubte.

Unauffällig sah ich zum verbliebenen bräunlich aussehenden Krustentier, das sich unnachgiebig auf dem Schneidbrett wand. Kates Finger umfassten den winzigen zylindrischen Körper, der von einem starren braunen Panzer mit etlichen goldenen Sprenkeln geschützt wurde. Seine tiefschwarzen Facettenaugen sahen mich hilfesuchend an. Ich schürzte die Lippen während Kate nach einem gut geschliffenen Messer griff. Mein Magen rumorte.

«Kate, dieser hier ist noch so klein, können wir ihn nicht einfach wieder...» Das Messer in ihrer Hand sauste durch die Luft und das scharfe Knacken des Panzers drang an meine Ohren, als sie diesen mit einem präzisen Schnitt durchtrennte. «Zu spät.» Geübt entfernte sie das Fleisch aus der Schale und warf es zu den anderen Zutaten, die munter im Topf köchelten. Ich blies die angehaltene Luft aus meinen Lungen. «Das wird auch nicht helfen.» Meine Augen verfolgten gebannt die kreisenden Bewegungen ihres Kochlöffels. «Mach dir keine Sorgen. Ich lasse nach jemand anderem rufen, der den Boden hier säubert. Du siehst furchtbar aus, Lil. Erika hat es diesmal wirklich übertrieben.» Mein Blick schoss überrascht in ihr Gesicht.

Shards and ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt