Teil 5

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E: Hi Mama, du musst mir mehr über die Professorin erzählen. Hast du Zeit zum telefonieren?

M: Hallo mein Schatz. Telefonieren schaffe ich leider nicht. Ich muss noch ein Gemälde fertig machen. Was willst du denn wissen? Ich schreibe dir! Lg Mama. :)

Ich verdrehe genervt die Augen und verfasse ihre eine Nachricht mit allen Informationen, die ich wissen will. Wie alt sie ist, woher sich die beiden kennen, wie gut sie sich kennen und wieso sie so unfreundlich ist. Danach lege ich mein Handy beiseite und widme mich wieder meinem Tonklumpen vor mir, der auf meiner Drehscheibe auf mich wartet. Fenja sitzt auf der anderen Seite des Raumes und kritzelt auf einer Leinwand herum. Ich lächle leicht und mache von ihr ein Foto. Es ist ein wunderschönes Gefühl hier mit ihr zu sitzen. Jeder ist in seine Arbeit vertieft und trotzdem ist man beisammen. Ich beginne meine Vase zu formen und schalte die Drehplatte an. Nebenbei linse ich immer wieder auf mein Handy und erwarte die Nachricht von meiner Mama mit mehr Informationen über die Weiß. Während ich die Form der Vase immer wieder ein wenig verändere, weil sie mir nie passt, fallen mir wieder die Worte von meiner Professorin ein. Laut ihr bin ich wie meine Mutter. Ich finde selbst, dass ich genau wie sie bin, aber es von ihr zu hören, war so komisch. Die beiden müssen sich ziemlich gut kennen, wenn sie solche Aussagen tätigt. Als mein Handy vibriert, schnellt meine Hand sofort zu meinem Handy, sodass ich fast mein Glas Wasser umkippe. Tatsächlich, eine Nachricht von meiner Mama.

M: Du bist ja neugierig. Woran liegt das denn?

Ich verdrehe die Augen und tippe ihr eine schnelle Nachricht. Ich will nicht, dass sie gleich wieder offline geht und meine Fragen nicht beantwortet.

E: Einfach nur so. Ich kann sie so schlecht einschätzen. Außerdem redet sie ständig über dich und hat dich beim Vornamen genannt. Ich glaube nicht, dass sie beiläufige Leute duzt.

M: Na, ich hoffe sie redet nur positives über mich;) Viktoria ist zwei Jahre älter als ich, also 42. Wir haben uns auf einer Kunstausstellung kennengelernt, als ich mit dir Schwanger war. Da müsste ich 18 gewesen sein und Vicky 20. Wir haben uns gleich gut verstanden und hatten eine Art Freundschaft würde ich sagen. Wir waren auf vielen Ausstellungen und haben uns inspirieren lassen. Sie hat gerade studiert, hat nicht weit von mir und deinem Vater gewohnt. Soweit ich mich daran erinnern kann, hat sie mir sogar mit dir geholfen, als dein Papa viel auf Reisen und ich alleine zuhause war. Als wir dann weggezogen sind, hat sich der Kontakt verlaufen. Sie hat aber regelmäßig unsere Ausstellungen besucht. Verrückt, dass sie jetzt deine Professorin ist. Emma ich bitte dich, sie ist nicht unfreundlich. Sie ist einfach nur distanziert zu den Studenten. Ich hoffe, das war ausführlich genug. Ich lege mein Handy beiseite, gute Nacht Liebes! :*

Vicky? Um Gottes Willen, die beiden scheinen sich wirklich gut zu kennen. Ich lese die Nachricht noch mehrmals durch, bevor ich mich bei ihr bedanke und ihr ebenfalls eine gute Nacht wünsche. Irgendwie finde ich es total süß, dass die Weiß eine scheinbar unfassbar warme Art hat, die meine Mutter kennenlernen durfte. Ich lege mein Handy beiseite und stupse Fenja an, um ihr die Neuigkeiten über unsere Professorin zu erzählen. Diese setzt ihre Kopfhörer ab und hört mir meine Erzählungen geduldig an, bis sie sagt: "Wie krass ist das denn? Irgendwie kann ich mir die Weiß überhaupt nicht so vorstellen." Ich nicke aufgeregt und antworte: "Oder? Ich finde es auch unvorstellbar." Wir unterhalten uns noch kurz über das Thema, bis wir uns beide wieder unseren Arbeiten widmen. Morgen haben wir beide einen freien Tag, sodass wir nicht so schnell aufhören werden. Der Mittwoch wird wohl mein liebster Tag. Donnerstag haben wir wieder die Weiß, aber zum Glück erst Nachmittags. "Wollen wir heute Asiatisch bestellen?", fragt meine Mitbewohnerin und grinst mich mit ihrem strahlendem Lächeln an. Ich nicke und schalte meine Drehplatte wieder aus. Kurz darauf haben wir unsere gebratenen Nudeln bestellt und widmen uns wieder unseren Arbeiten. Als es dann irgendwann klingelt, schalten wir das Licht im Kunstraum aus und begeben uns in das Wohnzimmer. Dort schauen wir einen Film auf Netflix und essen die Nudeln, die wirklich köstlich schmecken. Danach begibt sich Fenja in ihr Zimmer und ich gehe duschen.

Als ich im Bett liege, wandern meine Gedanken wieder zu meiner Professorin. Die Angst vor ihr ist nach wie vor vertreten, doch spüre ich irgendwie eine Art Wärme wenn ich jetzt an sie denke. Der Gedanke, dass sie mich vielleicht sogar mal auf dem Arm hatte, als ich noch ein Baby war, bringt mich zum schmunzeln. Ich blicke an meine dunkle Zimmerdecke und lausche dem Regen, der an die Fenster prasselt. Irgendwann werde ich dann müde und kämpfe damit meine Augen offen zu halten.

Zwischen den LinienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt