XXXIII. Verstehen

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„Vielleicht sollte ich den Brief verbrennen?", überlegt Tetsu. Er wägt seine Entscheidung sorgfältig ab.

„Möchtest du, dass dein Vater ihn auch liest?", frage ich ihn.

Während er darüber nachdenkt, sieht er mich mit schräg gelegtem Kopf an. Hinter dem Gold rotieren die Gedanken. Schließlich verneint er.

„Mein Vater wusste, was für eine Art Frau sie war." Er springt vom Bett auf. „Lass ihn uns abfackeln! Ich will nichts mit ihr zu tun haben und ich möchte auch nichts besitzen, was mich in irgendeiner Art und Weise an sie erinnert."

Wir holen uns im Wohnzimmer ein Feuerzeug und machen uns auf den Weg ins Bad. Mit einem klickenden Geräusch entzündet sich eine Flamme. Blau und Orange züngelt sie aus der Öffnung. Tetsurou lässt das Feuer eine Ecke verschlingen. Von dort aus zehrt es an dem Papier, arbeitet sich nach und nach seinen Weg durch die hölzernen Fasern. Das Blatt färbt sich grau, bis es in Asche zerfällt und in der Kloschüssel landet. In goldenen Iriden spiegelt sich der flackernde Schein des Feuers. Wortlos sehen wir dabei zu, wie die Worte seiner toten Mutter in Rauch aufgehen. Zischend fällt das letzte Eck in die Toilette. Ein Strudel entzieht sie unserem Blickfeld.

„Das hat sich richtig angefühlt", flüstert Tetsu leise. „So habe ich zumindest nie das Gefühl, sie ..."

Ein Klingeln an der Tür unterbricht ihn. Eine dunkle Augenbraue wandert in die Höhe.

„Bestimmt meine Eltern", sage ich, während ich ihm zur Tür folge. Das Summen des Türöffners klingt zu uns herauf. Tetsu öffnet die Wohnungstür.

„Hallo ihr beiden", begrüßt meine Mutter uns und zieht Tetsurou in eine Umarmung. „Es tut mir leid. Ehrlich."

Mein Vater steigt hinter ihr die Treppen hoch, bepackt mit diversen Plastikschüsseln. Sie bringen den Duft von Essen mit sich.

„Mein Beileid." Mein Vater reicht ihm die Hand.

Überfordert schluckt Tetsurou einige Male und bittet sie schließlich herein. In der Küche nehmen wir Platz.

„Ich hoffe, du magst immer noch Karee?", erkundigt sich meine Mama mit einem kleinen Lächeln um die Lippen.

Tetsu nickt. „Ja, vielen Dank." Nach einer unangenehmen Pause ergänzt her: „Es ist wirklich nett, dass ihr vorbeischaut. Im ersten Moment klingt es schlimmer, als es eigentlich ist. Meine ... Mutter hat nicht an meinem Leben teilgenommen. Ich kann nur erahnen, wie es ist, sie zu vermissen, nachdem sie meinen Vater und mich viel zu früh zurückgelassen hat."

Der Stuhl knarzt, als ich mich zurücklehne. Wenn er auch immer noch blass ist und seine Augen den Zusammenbruch des Vormittags verraten, ist er wesentlich gelassener. Seine Worte sind nicht nur daher gesprochen, weil er sich selbst damit trösten möchte, sondern weil er glaubt, was er sagt.

Meine Eltern tauschen einen unsicheren Blick. Schließlich sagt mein Vater: „Wenn wir irgendetwas für dich tun können, gib Bescheid. Jederzeit."

„Danke." Tetsurous Hand sucht unter dem Tisch nach meiner. Wir verschränken unsere Finger ineinander. Ein Seufzer verlässt seine Lippen. Gold trifft auf Blau, als er mich ansieht. Er mag noch nicht die Zuversicht höchstpersönlich sein, aber auch nicht mehr die Trauer in Person. „Es gibt da noch etwas, was wir euch sagen sollten." An der Art, wie er es sagt, weiß ich, dass es mir nicht gefallen wird. „Alle Karten auf den Tisch, quasi."

Drei Paar Augen warten auf das, was er als Nächstes sagen wird. Mir wird es klar, als er unsere ineinander geflochtenen Hände auf die Platte legt.

„Tetsurou, glaubst du wirklich, wir sollten es ..." , beginne ich, unwohl das vor meinen Eltern zu besprechen, da unterbricht er mich: „Der Tag heute ist so gut oder schlecht wie jeder andere auch. Wir sollten es nicht länger vor uns herschieben. Was heute passiert ist, hat mir gezeigt, dass wir nie wissen, wie viel Zeit uns bleibt." Er legt eine Pause ein. Nachdem das Offensichtliche viel zu offensichtlich auf dem Tisch liegt, nicke ich.

Kuroomanie (Kuroo x OC) | Haikyuu Fanfiction | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt