Hilflos

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Angie POV:

Tropf. Tropf. Tropf.

Wassertropfen träufeln von der Decke und bilden eine kleine Wasserlache. Ich beobachte sie eine Weile. Schließlich nehme ich meine letzte Kraft zusammen und krieche zu der Lache am anderen Ende des kleinen Kellerraumes. Ich versuche etwas Wasser heraus zuschöpfen, was mir eher schlecht als recht gelingt. Für einen kurzen Moment habe ich die Versuchung das Wasser sofort zu schlucken um meinen Durst zu löschen, aber ich weiß, dass es bald etwas geben musste. Also verzichte ich darauf und beginne stattdessen mit dem Wasser meine neue Wunde, am Unterarm, zu säubern. Ein langer Riss, aus dem Blut hervor quillt. Sie ist nicht die Einzige. Aber sie ist eine der Wenigen, bei der ich nicht weiß, woher sie stammt. Eines Morgens war sie einfach da.

Meine Haut rund um die Wunde beginnt bei der Berührung mit Wasser zu brennen. Ich beiße die Zähne zusammen um nicht aufzuschreien. Vorsichtig tupfe ich die Wunde mit einer Ecke meines T-Shirts trocken, bevor ich mich zurück in die andere Ecke des Kellers verziehe. Dort lehne ich meinen Kopf an die kühle Wand und schließe die Augen.

Wieder einmal schweifen meine Gedanken zu meiner Familie. Mamá, Papá und natürlich Maria. Und Violetta. Ich erinnere ich mich noch ganz genau an sie alle. Während viele Dinge in dieser langen Zeit verblasst sind, sehe ich ihre Gesichter noch so klar und deutlich vor mir, als wäre es gestern gewesen. Wie Violetta wohl nun aussieht, bestimmt ist sie ein wunderschönes junges Mädchen geworden, wie ihre Mamá.

Ich weiß nicht wie lange ich schon hier bin. Ich habe mit der Zeit jegliches Zeitgefühl verloren. Das Einzige, was ich kann, ist die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht. Wenn es Nacht wird, verdunkelt sich das wenige Licht, was durch ein kleines Fenster hinein fällt, und das Licht, welches durch den Türschlitz der Kellertür hinein scheint, erlischt.

Aber ich weiß, dass viel Zeit vergangen muss, denn ich habe, obwohl ich keinen Spiegel oder ähnliches hier habe, bemerkt,wie aus dem kleinen Mädchen mit den blonden Locken und den großen, blauen Augen eine junge Frau geworden ist. Ich bin in die Höhe geschossen. Als ich hier ankam, konnte ich nicht mal mit Springen die Decke berühren, jetzt ist es ganz einfach. Die blonden, früher schulterlangen Locken, gehen mir nun knapp bis zur Taille. Sie sind verfilzt und meine Klamotten dreckig und abgewetzt. Außerdem zieren mehrere Wunden und blaue Flecken meinen Körper. Und mager, das bin ich. Ich war früher, vor der Entführung, schon schmal und der Mangel an Nahrung hat dies dann noch verschlimmert.

Wie oft habe ich mich schon gefragt, warum ich entführt wurde. Ich habe die Entführer auch schon oft darauf angesprochen, habe aber nie eine Antwort bekommen. Überhaupt reden sie kaum mit mir. Die einzige plausible Erklärung für die Entführung ist eine Lösegeldforderung. Schließlich war, oder ist, Maria eine bekannte Sängerin und meine Eltern und sie besaßen zusammen ein großes Vermögen. Aber dann müsste das ja heißen, dass sie das Geld nicht bezahlt haben. Warum wäre ich denn sonst noch hier? Aber das müsste ja heißen, dass sie mich gar nicht lieben und vermissen. Aber vielleicht ist etwas schief gegangen. Ich hoffe inständig, dass es das Zweite ist. Und wenn es gar nichts von beidem ist, warum bin ich dann hier? Warum lassen sie mich am Leben?

Ein Klicken lässt mich aus meinen Tagträumen aufschrecken. Die Kellertür öffnet sich und der eine Entführer (ich glaube es ist ein Mann, er trägt eine Strumpfmaske) kommt die kleine Kellertreppe hinunter. Vor der Gittertür zu meinem„Gefängnis" bleibt er stehen. Sein Blick streift durch den Raum und bleibt an mir hängen. Einen Moment halte ich seinen Blick stand,dann wendet er sich ab. Während er auf der einen Hand ein Tablett mit meiner Mahlzeit balanciert, kramt er mit der anderen in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel. Er findet ihn und schließt die Gittertür auf. Mit einem Quietschen öffnet sie sich. Er versenkt den Schlüssel wieder in seiner Tasche und zieht eine Pistole hervor und richtet sie auf mich: „Bleib wo du bist!" Seine Stimme klingt kalt.

Hätte ich nicht Angst, dass er abdrücken würde, hätte ich am liebsten die Augen verdreht und gelacht, denn das was er da tut, ist wirklich lächerlich. Ich meine er ist ein muskulöser, wohl ernährter Mann. Auch ohne Waffe könnte er mich problemlos wieder einfangen, wenn ich versuchen würde weg zu laufen. Ich hingegen habe kaum Kraft, ich denke ich kann nicht mal ohne Hilfe aufstehen, geschweige denn laufen. Er schiebt das Tablett in die Mitte des Raumes und geht ein paar Schritte zurück. Zu meiner Verwunderung richtet er sich nochmal an mich: „Iss schnell. Meine Frau will naher mit dir sprechen, ich hole dich ab."

Mit diesen Worten verschwindet er und lässt mich mit meinen Gedanken alleine.Was will sie von mir? In der ganzen Zeit hat sie noch nie mit mir gesprochen. Angst steigt in mir auf, breitet sich aus. Ich nehme mir hastig ein Stück von dem trockenen Brot und nehme einen Schluck Wasser zu mir. Den Rest schiebe ich wie jeden Tag von mir um es für später auf zu heben.

Danach belebt mich wieder die Angst. Das letzte Mal hatte ich so viel Angst bei meiner Entführung.

Rückblende:

Fesseln lähmen mich. Sie schneiden in meine Haut ein.

Mein Kopf schmerzst durch den Aufprall auf der harten Ladefläche.

Kleine Bluttropfen haben sich auf meiner Lippe gebildet.

Hilflos liege ich hier. Im Laderaum eines Kleintransporters.

Warum bin ich hier? Eine Entführung? Was wollen sie von mir?

Ich habe schreckliche Angst. Angst vor allem was kommen mag.

Eine scharfe Kurve. Ich rolle einmal quer durch den Laderaum und knalle gegen die Wand.

Ich fluche. Schmerzen durchziehen mein rechtes Bein.

Ich kann nicht mehr, will hier weg. Egal wohin.

Ende der Rückblende

Ein Schaudern durchzieht meinen Körper bei dem Gedanken an meine Entführung. Das war die schrecklichste Nacht in meinem ganzen Leben. Diese Fahrt in diesem Transporter...

Dann höre ich erneut das Klicken der Kellertür und wenige Sekunden später tritt der Entführer in mein „Gefängnis". Er richtet die Waffe auf mich und macht eine Geste, dass ich zu ihm kommen soll. Vorsichtig versuche ich aufzustehen.

Es fühlt sich komisch an. Meine Beine sind die Belastung nicht mehr gewöhnt und drohen ein zu knicken aber der Entführer kommt ihnen zuvor und stützt mich. Er hilft mir die Treppe hinauf und öffnet die Kellertür. Eine Welle der Helligkeit schwappt mir entgegen. Ich kneife die Augen zusammen, kann nur leicht blinzeln.

Das erste Mal seit einer Ewigkeit sehe ich wieder Tageslicht.


Ich hoffe es hat euch gefallen, diese Idee kam mir so spontan. Schreibt mir doch wie ihr die Idee findet und ob ich weiter machen soll, auch über Voten von euch würde ich mich freuen ! ♡♡♡

Angst wird nicht siegen - Angie StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt