VI. Realisation

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Zusammen bastelten wir unser Boot wieder ganz. Durch den Aufprall war das Segel gerissen und auch Teile des Holzes hatten es nicht überstanden. Doch nach ein paar Näh- und Reparaturarbeiten war das Boot wieder fast neu. Es war nicht perfekt, aber sehen wir es so, Narben zeigen Stärke und dieses Boot strahlt auf jeden Fall aus, dass es schon viel überstanden und überlebt hat.

Wir segelten einige Tage zurück nach Te Fiti. "Haben wir eigentlich irgendeinen Plan?", fragte ich spontan, als ich meine Hand ins Wasser hielt, um die Temperatur zu fühlen. Wir waren auf dem richtigen Weg.

"Te Kā können wir nicht besiegen, außer wir locken sie ins Wasser. Der Plan ist eigentlich simpel, wir müssen an ihr vorbei, durch diese Felsöffnung und auf direktem Weg zu Te Fiti, um das Herz zurückzubringen. Da Te Kā erst erwacht war, als das Herz gestohlen wurde, hoffen wir einfach, dass sie genauso schnell verschwindet, wenn wir es zurückgebracht haben." Vaian schenkte mir ein leichtes Lächeln, was ich auch erwiderte. Der Plan klang simpel genug.

Aber sind wir ehrlich miteinander, ich hätte in diesem Moment Vaian alles abgenickt. So wie er da gerade am Ruder stand, die Haare in einen Zopf gebunden, und den Blick in die Ferne gerichtet, sah er irgendwie mutig aus ... nein, das war das falsche Wort. Majestätisch? Vielleicht ein wenig zu hochtrabend. Aber verdammt attraktiv allemal.

Schnell schüttelte ich den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Wir sind hier, um die Welt zu retten, nicht um dem anderen Auserwählten hinterher zu schmachten. "Und was, wenn sie nicht verschwindet?", fragte ich dann nach einem tiefen Atemzug.

Seufzend sah Vaian weiter in die Ferne. "Hoffen wir einfach, dass sie es tut oder Te Fiti uns hilft." Mit einem Nicken schüttelte ich das restliche Wasser von meiner Hand.

"Wir schaffen das", sagte ich gerade in dem Moment, als verkohlte Fetzen anfingen, durch die Luft zu fliegen. Vaian wiederholte meinen Satz noch einmal, als er das Ruder sichtlich fester griff.

Und schon ging es los. Te Kā erhob sich und wir segelten schnurstracks auf sie zu. Nach einigen Täuschungsmanövern schafften wir es, durch eine der Felsspalten hindurchzusegeln und ja, ich gebe zu, Haihai hat uns unsere Ärsche gerettet. Denn als wir durch die Felsspalte hindurch segelten, feuerte Te Kā einen Feuerfall auf die Felsen, weshalb Brocken ins Wasser fielen und uns aus dem Gleichgewicht brachten. Das Herz flog aus Vaians Kette und Haihai fing es, ohne es zu verschlucken, wohlgemerkt, auf.

Doch auch wenn wir es durch die Felswand geschafft hatten, begegneten wir einem ganz anderen Problem. Te Kā erhob sich plötzlich erneut und schleuderte uns mit einer großen Welle ins Wasser, das ganze Boot kippte um und wir schafften es nicht, es wieder umzudrehen. Panisch zogen wir an den Seilen, als sich Te Kā zum nächsten Angriff bereit machte. Sie wollte mit ihrer Lavahand nach uns greifen, doch diese wurde plötzlich am Handgelenk abgetrennt. Ich brauchte eine Sekunde, um zu realisieren, dass es Maui war, der uns gerettet hatte.

Mit einem Ruck landete auf unserem Boot, während Te Kā sich erholte. "Du bist wieder da", kommentierten Vaian und ich erleichtert, was er mit einem sanften Lachen quittierte. Erst jetzt sah ich das wirkliche Ausmaß, das der letzte Angriff auf seinen Haken hatte. Teilweise war er gesplittert, teilweise verbrannt, doch er schien noch einigermaßen zu funktionieren, denn er konnte sich noch verwandeln.

"Aber ... nur noch ein Schlag und ...", stammelte Vaian hervor, woraufhin Maui nur abwertend zischte. "Dazu muss Te Kā mich erst erwischen."

Mit Schwung hatte Maui unser Boot wieder richtig gedreht. "Ich gebe euch Deckung. Rettet die Welt, Auserwählte!", rief er, bevor er sich in einen Käfer und dann in einen Wal verwandelte.

Vaian und ich nickten uns sicher zu und steuerten schnell Richtung Te Fiti. Doch auch das blieb nicht so einfach, da Te Kā uns wieder angriff und mit Feuerbällen bewarf. Glücklicherweise stellte sich das Wasser vor uns wie eine Wand auf und ersparte uns den Tod, allerdings wurden wir erneut vom Boot geworfen durch die enorme Kraft des Feuerballs.

Sicher landeten wir auf dem Festland, als das Wasser Vaian und mich auffing und absetzte. "Alles okay?", rief ich schnell zu ihm rüber, was er mit einem Nicken beantwortete, bevor er unseren Weg nach oben antraten. Er war schneller. Das Adrenalin war das Einzige, was mich überhaupt zum Klettern brachte. "Bringt das Herz zur Spirale!", hörte ich Maui aus der Ferne rufen, kurz bevor er sich mit dem letzten Schlag seines Hakens gegen Te Kā stellte.

Oben angekommen stellten Vaian und ich den gleichen Fakt auf unterschiedliche Weise fest. Vaian sah hinunter in die tiefe Schlucht vor ihm, wo Te Fiti hätte liegen sollen, während ich zu Te Kā blickte, die die Spirale auf der Brust trug.

Der Blick, den ich mit Vaian wechselte, enthielt genau die gleiche Realisation. Te Kā ist Te Fiti.

"Wir müssen ihr das Herz zurückgeben", murmelte Vaian, bevor er mich entschlossen ansah. Ich nickte, woraufhin er meine Hand nahm und wir zusammen das Herz in die Höhe hielten. Es begann Grün zu leuchten, heller als je zuvor, und Te Kā hielt inne.

Vorsichtig nahmen wir das Herz wieder herunter, das Leuchten hörte weiterhin nicht auf. "Gehen wir zu ihr", meinte Vaian und ging die ersten Schritte nach unten. Einmal holte ich tief Luft, bevor ich neben ihm den Berg hinunter bis zum Wasser lief.

"Mach bitte den Weg frei für sie", sagte ich an das Wasser gerichtet, was sogleich einen Weg zwischen Te Kā und uns trocken legte.

"Bereit?", hörte ich Vaian neben mir fragen, als er leicht meine Hand drückte. "Bereit."

Zuerst sah Te Kā uns nur an, als wir näher zu ihr liefen, doch dann schrie sie und kroch in rasendem Tempo zu uns. Ich zuckte leicht zusammen und erinnerte mich an die Lavaflut, die damals auf uns zugelaufen kam, doch schüttelte schnell den Gedanken hinfort, um Platz für Vaians beruhigendes Lächeln zu machen.

Wir hatten auf der Spitze eines kleinen Felsens angehalten und blickten zu Te Kā, die noch immer auf uns zukroch. "Tief in dir, weißt du, du bist nicht, was man sieht. Du bestimmst, wer du bist", rief Vaian neben mir. Mein erster Gedanke war, wie sinnlos es war, mit einem Lavamonster zu sprechen, doch als ich realisierte, dass Te Kā erneut innehielt und ihre glühende Haut sich abkühlte, konnte ich nur erstaunt zwischen den beiden Hin und Her sehen.

Langsam senkte sich Te Kā auf unsere Höhe und Vaian hob seine andere Hand, um sie ihr auf die Nasenbrücke zu legen. Mit einem Lächeln bedeutete er mir, das Gleiche zu tun. Nach einigen Sekunden des Zögerns legte ich auch meine Hand auf Te Kā, die sanft ihre Augen schloss.

Ich wusste nicht, ob ich es mir nur einbildete, aber ich hatte das Gefühl eine Stimme in meinem Kopf zu hören, die sich von Herzen entschuldigte. Ich spürte ihre tiefe Trauer und Reue, als ich meine Stirn gegen ihre legte und ein kleiner Teil von mir verzieh ihr, als ich sie danach ansah.

Vorsichtig erhob sich Te Kā und zeigte uns die Spirale an ihrer Brust.

Vaian und ich wechselten ein leichtes Lächeln, bevor wir das Herz zusammen wieder an seinen rechtmäßigen Platz setzten.


Gemeinsam (m. Vaiana)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt