VII. Denkhilfen

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Abgekühlte Lava bröckelte von Te Kā ab und gab freie Sicht auf die grüne Natur, die Ti Fitis Haut war. Langsam erhob sie sich und ließ Blumen auf der vorher toten Erde sprießen. Vaian und ich wurden vom Wasser auf einer Grünfläche abgesetzt, Maui und Haihai schmiss es gleich neben uns.

Seufzend drehte sich Vaian zu Maui. "Das mit deinem Haken tut mir leid." Der Halbgott zuckte nur mit den Schultern. "Ob mit oder ohne Haken, ich bin Maui."

Ich wollte gerade etwas sagen, als wir auf der Hand von Te Fiti nach oben gehoben wurden. Durch die plötzliche Bewegung verlor Vaian fast das Gleichgewicht, weshalb ich ihn schnell an beiden Armen nahm, um ihn zu stabilisieren. Er nickte dankend, bevor wir beide vor Ti Fiti auf die Knie gingen.

Maui durfte sich erst einmal für sein Verhalten rechtfertigen, doch letztendlich entschuldigte er sich aufrichtig. Ti Fiti lächelte leicht nach der Entschuldigung und öffnete ihre andere Hand, nur um einen neuen Haken für Maui zu präsentieren. Er freute sich wie ein kleines Kind. Nachdem er sich bedankt hatte, woran wir ihn auch erinnern mussten, verwandelte er sich in einen Käfer und war auf und davon.

Ti Fiti brachte uns noch näher zu ihrem Gesicht und Vaian und ich legten wieder unsere Stirne gegen ihre, wie wir es bei Te Kā schon getan hatten. Wir verharrten in dieser Postion für einige Sekunden. Ich konnte ihre Dankbarkeit fühlen, was mich lächeln ließ. Wir hatten es wirklich geschafft.

Als sie uns auf dem Boden absetzte, erschien auch Maui wieder neben uns, bevor Ti Fiti sich schlafen legte. Doch sie zauberte uns noch ein neues Boot, bevor sie letztendlich wieder mit der Insel verschmolz.

Nachdem wir das Boot mit Früchten und Kokosnüssen geladen hatten, drehten Vaian sich zu Maui. "Du könntest mitkommen. Mein Volk könnte sicher einen Meister-Seefahrer gebrauchen." Maui lachte nur. "Warum? Es hat doch schon zwei", kommentierte er, bevor er seine Haare zur Seite schob, um ein neues Tattoo zum Vorschein zu bringen. Es zeigte zwei Figuren auf einem Segelboot, die sich an den Händen hielten und winkten.

Das war dann wohl der Abschied. Wir umarmten Maui noch einmal fest, bevor er sich verwandelte und verschwand. Damit blieben nur noch Vaian und ich zurück.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, weshalb ich nur seufzte. "Das heißt wohl auch für uns auf Wiedersehen."

Vaian drehte sich schnell zu mir um und sah mich fragend und vielleicht auch leicht schockiert an. "Was meinst du?" Wieder seufzte ich, während mein Blick über das Grün dieser Insel schweifte. "Na ja, du kannst nach Hause fahren zu deinem Volk, zu deiner Familie, aber ich habe kein Zuhause zum Zurückkehren. Vielleicht erlaubt mir Ti Fiti hierzubleiben, vielleicht muss ich mir eine andere Insel suchen ..." Ich fühlte mich selbst etwas verloren, weshalb ich nur mit den Schultern zuckte.

Erst als Vaian meinen Kopf zu sich drehte, merkte ich, dass er die letzten Schritte zwischen uns überbrückt hatte. "Du glaubst nicht ernsthaft, dass ich dich hier allein lasse, Kalani?"

Hatte er meinen Namen überhaupt schon einmal gesagt? Wenn ja, nicht so, denn mein Herz fing plötzlich an zu flattern. "Ich wollte mich nicht aufzwingen. Immerhin mussten wir ja gezwungenermaßen zusammenarbeiten. Vielleicht hast du mich auch mittlerweile satt?" Ich zwang mich zu einem leichten Grinsen, auch wenn der Gedanke, dass ich ihn nie wieder sehen könnte, mehr wehtat, als ich zugeben wollte.

Er grinste nur und strich mit dem Daumen über meine Wange, als würde er damit alle Fragen beantworten. "Denkst du das wirklich?"

Ich sah ihm in die Augen und sind wir doch ehrlich, die Antwort war klar. "Nein." Fast war ich überrascht, als er erleichtert seufzte.

"Ich hätte dich gern auf meiner weiteren Reise dabei, wenn du das zulässt, Kalani." Vielleicht war das auch nur reinste Einbildung, aber ich glaubte, seinen Blick kurz auf meine Lippen springen sehen zu haben. Mein Herz sprang gleich mit, als sich ein Grinsen auf meine Lippen schlich. "Ich könnte es mir überlegen."

Auch er spiegelte mein Grinsen, als er mir näher kam. "Wie wäre es mit einer kleinen Denkhilfe, insofern ich keine Grenzen übertrete?", fragte er nur noch wenige Zentimeter vor meinem Gesicht.

Ich wusste, was ich wollte. "Ja, du darfst mich küssen, Vaian." Mehr Zustimmung brauchte er gar nicht.

Sanft legte er seine Lippen auf meine. Ich konnte sogar sein Lächeln fühlen. Auch seine andere Hand fand meine Wange und drückte mich noch näher zu ihm. Als wäre ich weg gezuckt also bitte. Meine Hände wanderten an seinen Seiten entlang, was er mit einem glücklichen Seufzer belohnte.

Wir hatten alle Zeit der Welt und so war auch der Kuss, sanft, ruhig, langsam. Wir genossen einfach den Moment.

Als wir uns trennten, lächelten wir beide. "Jetzt musst du aber mitkommen", meinte Vaian nur, was ich natürlich bestätigte, bevor ich ihn noch einmal küsste.

Hätte ich gewusst, dass mich dieses Abenteuer zu ihm führte, hätte ich mich schon viel eher auf mein Segelboot gesetzt, als dass mich das Wasser dazu gezwungen hatte. Und jetzt, da ich hier bin, bekommt mich so schnell keiner mehr von diesem Mann weg.

Auf noch mehr Abenteuer mit dir, Vaian. Gemeinsam können wir alles schaffen.

Gemeinsam (m. Vaiana)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt