Melodie verließ bereits am Vormittag ihre Wohnung und machte sich auf direktem Wege zur Lagerhalle. Sie war in Begleitung von Archie, der es sich auf ihrer Schulter bequem machte und einfach so mitkam, ohne dass sie etwas dafür tun musste. „Kannst du es fassen, dass er nicht da war? Der soll es wagen sich nochmal bei mir zu melden, dann reiß ich ihm den Arsch auf!", schimpfte sie und stapfte angefressen durch die Betonlandschaft ihres Wohnviertels. Nie hätte sie vermutet, dass sie auf Grund seiner Abwesenheit, so sehr leiden würde. Anfänglich war sie noch enttäuscht und vielleicht sogar ein wenig traurig, aber nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hatte, war sie einfach nur noch wütend. Wie konnte er es wagen, so mit ihren Gefühlen zu spielen? Welchen Sinn hatte das alles, oder hat sie sich durch die jahrelange Einsamkeit alles nur eingebildet? All die Jahre, hatte er sich so stark in ihr Leben mit eingebracht, dass er sie fast erdrückte mit seiner erbarmungslosen Aufmerksamkeit. Er hatte sich wie ein kleiner, lästiger Parasit an ihr festgebissen und sie gewissermaßen ihrer Lebensenergie beraubt. Und obwohl sie ihn zum Teufel wünschte, wollte sie ihn jetzt doch zurückhaben. Allerdings hatte er Melodie mit seiner Aktion sehr verärgert und sie würde ihre Zeit nicht damit verschwenden, ihm hinterher zu laufen. Auch wenn sie nicht sagen konnte, wie viel Zeit sie benötigte, um darüber hinwegzukommen, würde sie nach vorne blicken. Zumindest nahm sie sich dies fest vor! Sie war nicht der Typ dafür, lange nach etwas zu betteln und würde schon ihre Wege finden, um diese Angelegenheit einfach aus ihrem Kopf zu streichen. Ihre Freunde würden sie sicherlich ablenken und auf andere Gedanken bringen. „Weißt du Archie... Eine gute Sache hat das Ganze ja. Immerhin konnte ich vernünftig schlafen! Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ausgeruht war!", erklärte sie dem Vogel und streckte sich ein wenig. Der Vogel krächzte und flatterte mit seinen Flügeln auf. Es wirkte fast so, als würde er ihr zustimmen wollen, was Melodie beeindruckend fand. Sie fragte sich, ob dieses clevere Tier eventuell noch mehr konnte und rief sich einige Informationen über Raben ins Gedächtnis. Eventuell könnte er ihr ja bei kleineren Raubzügen von Nutzen sein, wenn sie es schaffen würde ihn zu trainieren.
Schließlich kam sie beim Unterschlupf der Bande an. „Da bist du ja endlich!", rief ihr Shanti aufgeregt entgegen. „Hatten wir denn eine Uhrzeit vereinbart?", fragte Melodie leicht irritiert. „Das nicht, aber du hast noch was aufzuholen, bevor du heute Abend mit kommen kannst... Aber sag mal... was, um alles in der Welt, schleppst du denn da mit dir rum? Wo kommt denn dieser Vogel her?" fragte sie verwundert und zeigte auf das Tier. „Das ist Archie! Ich habe ihn einmal gefüttert und dann kam er einfach so wieder...", erklärte sie und grinste. „Ist ja abgefahren...", antwortete Shanti und begutachtete Archie. Alle bis auf Eric kamen hinzu und begrüßten sie. „Das ist ja verschärft! Kann der was?", fragte Rick und wollte den Vogel berühren. Archie pickte ihm aber unsanft auf die Hand und flatterte wild auf. „Aua... blödes Vieh!", schimpfte er und zog abrupt seine Hand zurück. „Selber Schuld! Archie ist kein Haustier, auch wenn es so aussieht! Ich weiß nicht, warum er so an mir hängt, aber ich habe ihn gerne bei mir, also stört es mich nicht weiter... Ich habe mir überlegt, dass er vielleicht ein paar coole Tricks lernen könnte! Raben sind sehr schlaue Tiere!", erklärte Melodie stolz und grinste. „So schlau kann der hier nicht sein, wenn er dich als Besitzerin ausgewählt hat... Er weiß wohl nicht, was mit deinen Goldfischen passiert ist!", sagte Rick schnippisch. Daraufhin verdrehte Melodie die Augen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Ich war erst 8 und das zählt nicht!", antwortete sie beleidigt. „Also ich finde den richtig cool! Du siehst aus wie eine oberkrasse Piratenbraut!", mischte sich Kimberly ein und gab Melodie damit Rückendeckung. Daraufhin verdrehte Rick genervt die Augen und verzog sich in eine andere Ecke der Halle. „Wie auch immer! Wir müssen jetzt wirklich anfangen! Sonst können wir dich nicht gebrauchen!", unterbrach Shanti die Konversation über den Vogel und zog Mel an der Hand hinter sich her. „Was hast du vor?", fragte Melodie. Vor allem wunderte sie sich, wo Eric abgeblieben war. „Na was wohl? Ich gebe dir ein paar Fahrstunden!", erklärte sie fest entschlossen und führte sie nach draußen. Melodie schluckte, als sie hinter der Lager halle eine Art Autoparcours erwartete. „DU? Um Himmels Willen...", platzte es entsetzt aus ihr heraus. Sie erinnerte sich noch grob daran, welchen Fahrstile ihre Freundin hatte und war sich nicht sicher, ob es die beste Idee war, sich von ihr unterrichten zu lassen. „Ey, ich bin besser geworden! Außerdem hat Eric noch ein Meeting mit dem Big Boss. Sonst hätte er das wohl übernommen.", erklärte sie. Melodie wusste noch nicht, was sie davon halten sollte, aber ihr blieb wohl nichts anderes übrig. Immerhin entkam sie somit vorerst Eric. Als sie sich dem Wagen näherten, flog Archie auf einen kleinen verkümmerten Baum, der sich am Rand befand. Von dort aus, hatte er einen idealen Blick auf das Geschehen. „Dann lass uns mal loslegen.", antwortete sie schließlich und stieg in das Auto ein. „Dann zeig mir mal, woran du dich noch erinnerst!", forderte Shanti ihre Kumpanin heraus. Melodie stellte sich den Rückspiegel ein und drehte langsam den Zündschlüssel, um das Fahrzeug zu starten. Sowie sie das Geräusch des Motors hörte, erinnerte sie sich an ihre ersten Fahrstunden zurück, bei denen so einiges schief lief. Damals war ihre Welt noch halbwegs in Ordnung und sie war bereit die Welt zu erobern. „Weißt du noch, was wir damals geplant hatten?", fragte sie grinsend. „Wie könnte ich das vergessen? Ich sag dir was, wenn wir genug Cash zusammen haben, dann machen wir uns aus dem Staub!", schlug Shanti vor und kicherte. Damals wollten sie einfach nur ihre sieben Sachen packen und losfahren, ohne dabei ein wirkliches Ziel zu haben. Hauptsache weit, weit weg aus dieser tristen und einengenden Betonstadt. „Wäre schon cool, wenn es einen Ausweg aus dieser Hölle hier geben würde, aber ich fürchte es ist nicht so einfach, wie wir es uns vorstellen...", sagte Melodie, die allmählich wieder von der Realität eingeholt wurde. „Seit wann bist du denn so ernst?... Naja egal! Jetzt fahr mal um die Hütchen herum!", sagte Shanti bestimmt und beobachtete Melodie dabei ganz genau. Langsam brachte sie das Auto zum Rollen und absolvierte diese Aufgabe, wenn auch im Schneckentempo. „Ganz toll, Mel! Und jetzt bitte in einer Geschwindigkeit, bei der uns die Bullen nicht zu Fuß einholen!", sagte sie sarkastisch. Einen kurzen Moment schaute sie entgeistert zu ihr rüber, musste jedoch im nächsten Moment anfangen zu lachen. Die Vorstellung war einfach zu lustig. „Können wir erstmal eine andere Strecke fahren?", fragte sie schließlich. Sie hatte die Idee, dass sie sich somit eher und besser ans Autofahren gewöhnen würde. Shanti grübelte einen Moment und stimmte dann schließlich zu. „Am besten wir fahren die alte Försterstrecke in den Wald hinein! Da kannst du auch mal die Gänge vernünftig ausfahren und es stört uns keiner!", schlug sie vor und kicherte. Melodie fand diesen Einfall richtig gut und nickte zustimmend. Sie fuhren vom Gelände und allmählich kam die Sicherheit zurück. „Jetzt geb mal Vollgas!", reif Shanti lachend und stellte die Musik lauter. Melodie dachte gar nicht weiter darüber nach, drückte das Pedal voll durch und schaltete in den 6. Gang. „Na geht doch! Meinst du, du kriegst das heute Abend hin?", wollte sie wissen und drehte sich ein Stück in ihre Richtung. Melodie war zwar sehr aufgeregt, aber sie glaubte schon, dass sie es schaffen würde. „Wenn du mir noch zeigst, wie ich ein Auto knacke, dann kein Problem!" antwortete sie zuversichtlich. Sie verringerte wieder ein wenig die Geschwindigkeit und fuhr zurück auf den anfänglichen Übungsplatz. Nun absolvierte sie den Parcours ein weiteres Mal, nur eben um einiges rasanter, als beim ersten Versuch. „Das war schon viel besser! Dann komm! Wir holen noch Kimberly dazu!", sagte sie enthusiastisch und hüpfte aus dem Fahrzeug. Melodie zog den Schlüssel ab und eilte ihr nach.
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Feuer der Leidenschaft - Dunkle Begierde
ParanormalVon der Gesellschaft verstoßen und heimgesucht von einem mysteriösen Dämonenfürsten, versucht Melodie verzweifelt einen Platz in ihrer tristen Welt zu finden. Im Stich gelassen und Verraten von den Menschen, die sie gebraucht hätte, begibt sie sich...