Kapitel 3

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Flughafen Hochstadt – Abflugterminal. In großen, leuchtenden Buchstaben strahlte Lila die Verheißung ihrer Zukunft entgegen. Der Moment war endlich gekommen, und in wenigen Stunden würde sie im Flugzeug Richtung Denpasar, Bali sitzen. Ein Kribbeln der Vorfreude und ein sanftes Grummeln der Aufregung brodelten in ihrem Bauch.

Die letzten Wochen waren erfüllt von Vorbereitungen gewesen: Impfungen, Visa, letzte Besorgungen. Paul hatte ihr bei jeder Frage und jedem Problem geduldig zur Seite gestanden. Jetzt stand er neben ihr in der großen, lichtdurchfluteten Halle des Flughafens und wirkte beinahe aufgeregter als sie selbst.

„Ich wünsche dir ganz viel Spaß und unvergessliche Erlebnisse. Du kannst so stolz auf dich sein, dass du diesen Schritt wagst", flüsterte er und schloss sie fest in die Arme. „Pass gut auf dich auf und schick mir viele Fotos. Und vergiss nicht, unbedingt authentisches Nasi Goreng zu probieren!" Er drückte sie ein letztes Mal fest an sich und ließ dann Anne den Vortritt.

Ihre Mutter war weniger begeistert von der Reise. Es hatte unzählige Diskussionen und Überredungskunst – natürlich mit Unterstützung von Paul – gebraucht, bis sie schließlich einwilligte, Lila ziehen zu lassen. Lila wusste, wie schwer es für Anne gewesen sein musste, die Vorstellung von dem Leben, das sie sich für ihre Tochter ausgemalt hatte, loszulassen. Umso dankbarer war sie nun, dass Anne ein angespanntes Lächeln zeigte und sie in die Arme schloss.

„Du weißt, was ich von dieser Idee halte." Annes Augen wurden glasig. „Aber du bist meine Tochter, und ich möchte, dass du glücklich bist." Lila atmete tief ein und musste gegen eine aufsteigende Träne kämpfen. „Versprich mir, dass du vorsichtig bist und dass du irgendwann zurückkommst und uns nicht vergisst", sagte Anne mit brüchiger Stimme. Die Abschiedsumarmung dauerte schier endlos, und als Anne schließlich losließ, drehte sie sich schnell um und ging mit langen Schritten Richtung Ausgang.

Auch Paul winkte ihr ein letztes Mal zu und folgte seiner Frau. Ein mulmiges Gefühl machte sich in Lilas Bauch breit. Jetzt war es soweit. Sie war auf sich allein gestellt. Der Moment, von dem sie so lange geträumt hatte, war da, und die ganze Welt lag ihr offen.

Ohne Rückflugticket trat sie zur Gepäckaufgabe und gab ihren scheinbar zehn Tonnen schweren Rucksack ab. Der Aufbruch begann wirklich.

Nachdem sie die Zwischenstopps in Frankfurt und Abu Dhabi überstanden und ihre gesamte Reiseplaylist achtmal gehört hatte, landete das Flugzeug endlich auf Bali. Durch das Fenster leuchteten ihr die Lichter Denpasars entgegen, und sie konnte ihr Glück kaum fassen, als die Räder des Flugzeugs den Boden berührten und die Maschine allmählich stoppte.

„Selamat Datang di Bali – Welcome to Bali". Große Buchstaben vor einem Bild riesiger Reisfelder begrüßten sie und brachten sie zum Lächeln. Trotz ihrer Erschöpfung fühlte sie sich energiegeladener als je zuvor, als sie zum Gepäckband ging, wo ihr riesiger blauer Rucksack schon auf sie wartete.

Obwohl es schon dunkel war, herrschte ein unaufhaltsames Treiben am Flughafen. Menschen aus aller Welt umarmten sich, lachten und weinten vor Freude. Eine Atmosphäre voller Abenteuerlust lag in der Luft, und Lila konnte es kaum erwarten, was Bali für sie bereithielt.

Mit dem ersten Schritt aus dem Flughafengebäude schlug ihr eine warme, feuchte Luft entgegen, durchzogen vom Duft nach Gewürzen und exotischen Früchten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. „Ist das wirklich real? Bin ich wirklich hier, oder ist das nur ein Traum?", fragte sie sich.

Bereits vor Wochen hatte sie sich ein Hostel in Canggu, dem Partyort Balis, für die ersten Nächte gebucht. Danach wollte sie spontan entscheiden, wohin die Reise sie führen würde.

An der Taxistation war der Lärm überwältigend. Hupen, Gelächter und der Geruch von Benzin erfüllten die Luft. Hunderte von Rollern bahnten sich ihren Weg durch die Straßen, und Lila musste aufpassen, nicht angefahren zu werden. Überfordert atmete sie tief durch und hielt Ausschau nach einem freien Taxi.

„Miss, brauchst du ein Taxi?", fragte plötzlich jemand hinter ihr.

Überrascht drehte sich Lila um und sah in ein braungebranntes Gesicht mit dunklen Augen und lockigen Haaren. Erleichtert lächelte sie. „Ja, bitte! Ich muss nach Canggu. Das hier ist mein Hostel." Sie zeigte ihm die Buchung auf ihrem Handy, und der junge Mann, der ungefähr in ihrem Alter sein musste, nickte verständnisvoll.

„Backpackers Inn, kein Problem!" Er setzte ein schiefes Grinsen auf und führte sie zu seinem Auto, um den Rucksack zu verstauen.

„Ich bin übrigens Resha", sagte er und streckte ihr die Hand hin, die sie lächelnd ergriff. „Ich bin Lila, freut mich, dich kennenzulernen." Nachdem sie im Auto Platz genommen hatte und Resha das Auto in den dichten Verkehr lenkte, atmete Lila tief durch. Auf der Konsole stand ein geflochtener Korb, gefüllt mit Blumen, Süßigkeiten und einem Schein indonesischer Rupiah. Verwirrt runzelte sie die Stirn, doch eine bleierne Müdigkeit überkam sie, während sie auf die unzähligen Roller um sie herum schaute.

„Und was ist dein Plan, Lila? Wie lange bleibst du hier, und was möchtest du sehen?", fragte Resha und blickte sie freundlich durch den Rückspiegel an.

So begann Lila zu erzählen. Von Bergdorf, dem Reisebuch ihres Vaters und den Abenteuern, die sie sich erhoffte. Unbemerkt begann ihr ganzes Gesicht zu strahlen, und Resha musste ein Lächeln unterdrücken.

Die Fahrt nach Canggu dauerte länger als erwartet. Trotz der kurzen Strecke schien der Verkehr endlos, und der blaue Kleinwagen kämpfte sich mühsam durch das Gewimmel. Doch Resha bemühte sich, die Zeit wie im Flug vergehen zu lassen, indem er ihr von seinen liebsten Orten auf Bali erzählte: von den tosenden Wasserfällen, friedlichen Reisfeldern und atmeberaubenden Stränden. "Du wirst es hier lieben", strahlte er. "Bali ist das Paradies" Lila glaubte ihm jedes Wort.

Als sie schließlich das Hostel erreichten, begann Lilas Herz schneller zu klopfen. Sie hatte einen Schlafsaal gebucht und würde mit sieben Fremden in einem Zimmer schlafen. Der Gedanke daran verursachte ein leichtes Unbehagen. Würde sie Anschluss finden? Was für Leute würden ihr Zimmer teilen?

Resha öffnete ihre Tür und holte sie aus ihren Gedanken. Er half ihr, den schweren Rucksack aufzusetzen, nahm dankend die Bezahlung an und reichte ihr einen kleinen Zettel. „Falls du jemanden brauchst, der dir das wahre Bali zeigt, schreib mir einfach", sagte er und lächelte, bevor er ins Auto stieg und langsam davonfuhr.

Lila begab sich zum Empfang des Hostels. Trotz des günstigen Preises wirkte es wunderschön. Der Garten war voller exotischer Blumen, durchzogen von einem kleinen Fluss mit einer Brücke. Im hinteren Teil des Gartens standen mehrere kleine Häuser, die wohl die Schlafsäle waren. Eine Terrasse mit Sitzsäcken und Kissen war voller junger Reisender, die munter plauderten, und aus einem Lautsprecher spielte fröhliche Musik. 

Neugierig blickte Lila zur Gruppe hinüber: eine bunte Mischung aus Jungen und Mädchen, scheinbar in ihrem Alter. Einige tanzten zur Musik, andere spielten Karten und lachten miteinander. Lilas Blicke wanderten durch die Menge – bis sie an einem Jungen hängen blieben.

Sein blondes Haar fiel ihm in die braungebrannte Stirn, und seine Augen waren ein stechendes Grün. Erst als sich ihre Blicke trafen, bemerkte Lila, dass sie ihn unverhohlen anstarrte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie wandte schnell den Blick ab, spürte, wie die Hitze ihr in die Wangen stieg. Hatte er ihren Blick bemerkt?
Sie biss sich auf die Lippe und wagte einen weiteren kurzen Blick hinüber. Der Junge schaute noch immer zu ihr herüber und grinste, Grübchen spielten in seinen Wangen. Wieder ertappt, schaute sie sofort weg, atmete tief durch und machte sich eilig auf den Weg zum Empfang, um einzuchecken.

Als sie schließlich in ihr Zimmer geführt wurde – ein einfaches Zimmer mit vier Hochbetten und einem kleinen angeschlossenen Bad – ließ sie sich erschöpft auf das Bett fallen. Die anderen Betten sahen zwar bewohnt aus, aber sie war die Einzige, die zu dieser frühen Stunde schlafen ging. Doch Lila war sich sicher, dass die kommenden Tage ihr noch viele Nächte voller Abenteuer bieten würden. Ihre Augen wurden schwer und müde, doch der Blick des Jungens ging ihr die ganze Nacht nicht aus dem Kopf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 29, 2024 ⏰

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