Kapitel 3. Annäherung

1 0 0
                                    

Die Herausforderung, Hermine Granger für sich zu gewinnen, ließ Tom Riddle nicht mehr los. Sie war ein Rätsel, eines, das er lösen musste. Diese Gryffindor, die ihm standhielt und dessen Fähigkeiten ihm sogar in Verteidigung gegen die Dunklen Künste überlegen schienen, weckte in ihm etwas, das er selten verspürte: echten Respekt. Aber es ging nicht nur darum, sie zu verstehen – Tom war entschlossen, sie auf seine Seite zu ziehen, sie aus der starren Loyalität zu Gryffindor zu locken und für sich zu gewinnen.

In den folgenden Tagen näherte er sich ihr mit einer subtilen Freundlichkeit, die er sonst nur sparsam einsetzte. Er achtete darauf, nicht aufdringlich zu wirken. Stattdessen ließ er sie glauben, dass sie diejenige war, die das Gespräch begann, dass sie in seiner Nähe war, weil sie es wollte. In den Pausen suchte er beiläufig das Gespräch und sprach über Themen, die sie interessierten: alte Zauberbücher, die Geschichte der Magie, und die Feinheiten in Zaubertränken, über die nur wenige Schüler mit ihm mithalten konnten.

Ein Nachmittag in der Bibliothek bot ihm die perfekte Gelegenheit. Hermine saß allein an einem Tisch, umgeben von Büchern und Schriftrollen. Sie wirkte vertieft in ihre Arbeit, und doch bemerkte Tom, dass sie immer wieder einen Blick auf ein besonders altes Buch warf, das offenbar auf Hochsicherheitslisten der Bibliothek stand und für normale Schüler unzugänglich war.

„Du scheinst etwas Besonderes entdeckt zu haben“, sagte er mit einem Lächeln, als er an ihren Tisch trat und sich gegenüber von ihr niederließ. „Darf ich fragen, was dich so fasziniert?“

Hermine sah auf und wirkte einen Moment überrascht, fing sich jedoch schnell. „Oh, ich... ich interessiere mich nur für alte Zauber und wie sie sich über die Jahrhunderte entwickelt haben.“ Sie versuchte, beiläufig zu wirken, doch Tom sah den Funken echter Leidenschaft in ihren Augen. Sie konnte ihre Neugier kaum verbergen, selbst wenn sie es versuchte.

„Wirklich?“ Tom hob interessiert eine Augenbraue und neigte sich etwas vor. „Weißt du, ich habe auch ein großes Interesse an alten Zaubern. Vor allem an jenen, die von mächtigen Hexen und Zauberern entwickelt wurden. Vielleicht könnten wir uns ja mal gemeinsam mit diesem Thema beschäftigen?“

Hermine zögerte, doch schließlich nickte sie, offenbar fasziniert von seiner Einladung. „Warum nicht“, antwortete sie vorsichtig. „Aber nur, wenn du versprichst, dass du es nicht nur um der Macht willen studierst.“

Tom lächelte leicht und erwiderte: „Natürlich nicht. Wissen ist schließlich wertvoller als die rohe Kraft. Wer ein umfassendes Wissen besitzt, beherrscht auch die Macht.“

In den Wochen, die folgten, wurde ihre Zusammenarbeit in der Bibliothek zu einem festen Bestandteil ihrer Freizeit. Sie tauschten Ideen und Gedanken über mächtige Schutzzauber und verlorene Flüche aus, wobei Tom sich beeilte, ihre Argumente zu hinterfragen, nur um ihre Intelligenz weiter herauszufordern. Und Hermine bemerkte, wie er zu ihrem Erstaunen auch die moralischen Aspekte hinterfragte, als wollte er sie auf eine tiefere Ebene des Verständnisses führen – oder sie auf die Probe stellen.

Tom bemerkte bald, dass Hermine anfing, sich in seiner Gegenwart wohler zu fühlen. Sie lächelte mehr, und er konnte die Anspannung spüren, die sich langsam von ihr löste, als hätte sie einen Teil ihres Misstrauens gegenüber ihm abgelegt. Für sie war er wohl eine Mischung aus Freund und geheimnisvollem Verbündeten, jemand, der sie verstand und ihre Wissbegierde teilte.

Eines Abends, als sie sich wieder allein in der Bibliothek aufhielten, legte Tom ein besonders altes Buch vor sich auf den Tisch. Er schob es sanft zu ihr hinüber und ließ seine Finger für einen Moment auf der vergilbten Seite verweilen.

„Ich habe das Gefühl, dass du die Einzige hier bist, die meine Faszination für solche Geheimnisse nachvollziehen kann“, sagte er leise. Sein Blick ruhte auf ihr, intensiv und durchdringend. „Es ist, als würde ich endlich jemanden gefunden haben, der... anders ist. So wie ich.“

Hermines Augen weiteten sich leicht, doch sie hielt seinem Blick stand. Sie schien zu verstehen, dass er ihr auf eine Weise vertraute, die er kaum jemandem sonst gewähren würde. Und für einen Moment – nur einen kurzen, flüchtigen Moment – schien es, als würde sie sich tatsächlich zu ihm hingezogen fühlen, als wäre sie bereit, dieses Vertrauen zu erwidern.

Doch Tom wusste, dass er vorsichtig sein musste. Er durfte sie nicht zu schnell zu nah heranlassen. Es war wie ein Spiel, bei dem jede Bewegung bedacht sein musste. Zu früh zu viel zu zeigen, könnte ihren Argwohn wecken. Aber wenn er es richtig anstellte, würde sie bald mehr von ihm wissen wollen, und letztlich – vielleicht – sogar an seiner Seite stehen.

Es war ein kühler Abend in der Bibliothek, als Tom Riddle erneut das Thema Hermines Herkunft aufgriff. Er hatte die letzten Tage subtil nachgeforscht, immer wieder beiläufige Fragen gestellt, doch stets hatte Hermine ihm ausgewichen. Es ärgerte ihn, wie geschickt sie sich immer wieder um seine Neugier zu winden vermochte – und gleichzeitig machte es sie für ihn nur noch interessanter.

Diesmal jedoch schien Hermine die Geduld zu verlieren. Ein Ausdruck von Erschöpfung trat in ihre Augen, und sie sah zu Boden, ihre Schultern sanken ein wenig. „Tom,“ begann sie mit einer Stimme, die leise, fast brüchig klang, „es gibt nichts, was ich dir über meine Familie sagen könnte. Sie…“ Sie stockte und schien zu kämpfen, um ihre Fassung zu bewahren. „Ich bin adoptiert. Meine… meine leiblichen Eltern kenne ich nicht. Und die Familie, die mich aufgezogen hat – sie sind vor kurzem gestorben.“

Die Worte waren ein fast greifbarer Schmerz, und Tom sah, wie ihre Augen zu schimmern begannen. Er hatte nicht erwartet, dass diese vorsichtige Gryffindor so plötzlich in einem Moment der Schwäche ihre Schutzmauern fallen ließ. Die Tränen, die nun über ihre Wangen rannen, schienen ihm eine neue Seite von ihr zu zeigen – eine Seite, die verletzlich war, verwundbar und so ehrlich, dass sie ihn für einen Moment aus der Fassung brachte.

Tom spürte ein seltsames Ziehen in seiner Brust, ein Gefühl, das er nicht zu benennen wusste. Er hatte so etwas noch nie zuvor empfunden. Menschen waren für ihn meist nur Mittel zum Zweck, Werkzeuge, die ihm halfen, das zu erreichen, was er wollte. Doch hier, in diesem Moment, sah er nicht einfach eine Person vor sich, die er manipulieren konnte. Er sah Hermine. Eine junge Frau, die Schmerz und Verlust kannte, der sie nicht entrinnen konnte – so wie er es in seinen frühen Jahren erfahren hatte, wenn auch auf eine ganz andere Weise.

„Es tut mir leid“, sagte er schließlich, leise und untypisch ernst. Es fühlte sich seltsam an, Worte des Trostes auszusprechen, und doch schienen sie in diesem Moment richtig. „Ich wusste nicht, dass du das durchmachen musstest.“

Hermine wischte sich hastig die Tränen ab, als wolle sie sich diese Schwäche nicht zugestehen. „Es ist… schon gut. Es ist nur…“ Sie zögerte und sah dann tief in seine Augen, als ob sie dort eine Antwort suchte, die sie selbst nicht formulieren konnte. „Manchmal ist es schwer, in einer Welt zu leben, in der man sich immer fremd fühlt.“

Tom nickte langsam. Er konnte das nachempfinden, auch wenn er es nie offen zugegeben hätte. „Manchmal… ist es genau dieses Gefühl der Fremdheit, das uns dazu antreibt, mehr zu wollen, über uns hinauszuwachsen.“ Seine Stimme war ein Flüstern, und für einen Moment waren sie beide nur zwei Jugendliche, die versuchten, ihren Platz in einer Welt zu finden, die sie oft nicht verstand.

In diesem Augenblick fühlte sich Hermine ihm auf eine Weise nah, die sie selbst überraschte. Unter all den Schichten seines Ehrgeizes und seiner Berechnung schien ein Mensch zu sein, der ebenfalls eine tiefere Verbindung suchte – auch wenn er es vielleicht nicht verstand oder zulassen wollte.

Doch auch Tom war irritiert. Er verstand nicht, warum der Anblick ihrer Tränen ihn so bewegte, warum er dieses Bedürfnis verspürte, sie zu trösten. Es widersprach allem, was er sich selbst beigebracht hatte, allem, woran er glaubte. Menschen waren Schwäche, Gefühle waren eine Last. Aber mit Hermine… war es anders.

„Vielleicht“, sagte er schließlich, seine Stimme ruhiger als zuvor, „findest du hier doch noch jemanden, der das nachvollziehen kann.“ Es war keine vollständige Zusicherung, kein Versprechen, aber es war genug, um eine Art Brücke zwischen ihnen zu bauen, die Tom sich nie hätte vorstellen können.

Und während sie sich beide in dieser stillen Einigung wiederfanden, spürte Tom, dass Hermine für ihn zu mehr geworden war als nur ein Rätsel, das es zu lösen galt.

Zwischen Dunkelheit und Licht eine liebe durch die Zeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt