Kommunikation

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Nach mehreren Stunden hatten wir nun endlich Wolfsburg erreicht. Ich bedankte mich bei der Fahrerin, zahlte und stieg aus. Es kamen bereits die ersten Strahlen der Morgensonne durch die dicke Wolkendecke und schienen mir ins Gesicht. Zuversichtlich lächelte ich in die Sonne und betrat ich die Bäckerei, wo ich eine Tüte mit Jules Lieblingsbrötchen kaufte. Danach machte ich mich auf den Weg zu Jules Wohnung, mein Herz schlug immer schneller, je näher ich ihrer Wohnung kam. Ehe ich mir noch mehr Gedanken machen konnte, stand ich auch schon vor Jules Haustür. Nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte, drückte ich den Klingelknopf, auf dem der Name „Brand" stand.

Während ich wartete, kamen Zweifel in mir hoch. Was ist, wenn Jule mich überhaupt nicht sehen wollte? Immerhin hatte ich sie letztes Mal einfach sitzen gelassen und mich nicht mehr bei ihr gemeldet. Ich könnte nicht mal sauer sein, wenn sie mich direkt wieder wegschicken würde.

Doch da ertönte auch schon das Surren des Türöffners und riss mich aus meinen Gedanken. Ich machte die Tür auf und musste mich zusammenreißen, nicht wie ein kleines Kind die Treppe zu Jules Wohnung hochzurennen. Oben im dritten Stock lehnte Jule im Türrahmen ihrer Wohnung. Sie sah müde aus, aber gleichzeitig lächelte sie überrascht. Bevor ich noch etwas sagen konnte, zog sie mich in eine Umarmung, und ich fühlte, wie alle Unsicherheit von mir abfiel.

„Du bist wirklich gekommen", flüsterte Jule, als sie sich langsam von mir löste.

„Ich bin hier," sagte ich leise, als würde ich sie damit beruhigen – oder vielleicht auch mich selbst. „Ich bin hier, und diesmal bleibe ich."

Nach einem kurzen Moment der Stille hielt ich unbeholfen die Tüte Brötchen in die Höhe. "Und ich habe Brötchen mitgebracht!"

"Du bist echt verrückt", sagte Jule und grinste.

"Wieso das denn?", fragte ich unschuldig, "Nur weil ich frische Brötchen vorbeibringe?"

"Du weißt gebau warum!", lachte sie und begann mich zu kitzeln. So leicht wollte ich aber nicht aufgeben. "Nein, keine Ahnung wovon du sprichst", erwiderte ich also. Jule war jedoch ich ihrer Bewegung erstarrt und guckte mich mit ihren strahlenden braunen Augen an. Ohne es zu merken, waren wir uns immer näher gekommen, zwischen uns lagen nur noch wenige Zentimeter. Langsam überbrückten wir diesen Raum und unsere Gesichter kamen sich immer näher, ich konnte nur noch daran denken, die Wolfsburgerin zu küssen. Doch kurz bevor ich meine Lippen auf ihre legen konnte, zog sie ihren Kopf zurück.

Verlegen trat Jule einen Schritt zurück. „Willst du reinkommen?", fragte sie leise.

Ich murmelte ein paar zustimmende Worte und folgte ihr in die Küche. Ich hätte mich ohrfeigen können, warum stürzte ich auch immer direkt mit der Tür ins Haus. Jule hatte uns inzwischen Kaffee gemacht und hielt mir nun eine dampfende Tasse unter die Nase. „Einen Schuss Milch und ohne Zucker, wie du es am liebsten magst."

„Danke", antwortete ich und setzte mich an einen der Stühle am Küchentisch. Jule machte es sich währenddessen mit ihrem Kaffee auf der Fensterbank bequem. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus. Wiedermal hatte ich also alles kaputt gemacht. Ich dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, wenn ich mich nie in Jule verliebt hätte. Wir würden genau hier in der Küche sitzen, Kaffee trinken und dabei so ewig reden, bis wir fast zu spät zum Training wären. Bei Wolfsburg. Ich vermisste meinen alten Verein, es war in Bayern zwar toll, aber trotzdem war ein Teil von mir noch in Wolfsburg. Und dort würde dieser Teil auch für immer bleiben, denn dieser Teil war gefangen in der Freundschaft mit Jule, die jetzt einem dasitzen und anschweigen gewichen war.

„Obi, wegen eben gerade", durchbrach Jule die Stille. „Ich wollte dich wirklich küssen-"

„Jule, du musst das nicht sagen", unterbrach ich sie.

„Aber es ist doch so!", schrie sie nun schon fast und sprang von ihrem Platz auf. „Ich habe dich wirklich, wirklich gerne. Ich liebe dich, ich habe dich schon immer geliebt. Aber du hast mir unglaublich wehgetan, und ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Ich habe mein Vertrauen in dich verloren, und ich möchte es wirklich gerne wiederbekommen. Allerdings braucht das Zeit, ich brauche Zeit. Außerdem gibt es doch auch immer noch Lea, und ich möchte nicht bloß eine Affäre oder so etwas für dich sein."

„Jule ich liebe dich doch auch, du kannst dir von mir aus alle Zeit der Welt nehmen, ich warte auf dich. Tage, Monate, Jahre; so viel Zeit, wie du brauchst."

„Danke" Eine Träne lief an ihrer Wange herunter. Zitternd streckte ich meine Hand aus und wischte sie weg. Jule erstarrte kurz unter meiner Bewegung, entspannte sich dann aber wieder und legte ihren Kopf in meiner Halsbeuge ab. „Und was ist mit Lea?", hakte sie nach.

„Das ist eine lange Geschichte"

„Erzähl sie mir"

Wir kuschelten uns zusammen aufs Sofa und ich erzählte ihr die ganze Geschichte. Von der Situation im Riesenrad bis zu Charlie, der Frau aus dem Club. Jule war zwar etwas schockiert, dass ich Lea bei ihrem Namen genannt hatte, konnte aber kurze Zeit später schon wieder drüber lachen. Es fühlte sich fast an wie früher, nur wir beide mit Kaffee und Brötchen auf Jules gemütlichem Sofa eingekuschelt. Nur das ich mich zwischendurch in ihren Augen verlor, ihre wunderbaren rosigen Lippen musterte und über das Gefühl nachdachte, sie zu küssen.

„Fuck, ich muss los", rief Jule plötzlich, „Wir haben Training in 15 Minuten!" Sofort sprang sie auf und lief durch die ganze Wohnung, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Nur kurze Zeit später stand sie fertig gemacht, angezogen und mit gepackter Trainingstasche vor mir.

„Das ist dann wohl ein Abschied", murmelte sie.

„Wieso, möchtest du mich nicht als Zuschauerin beim Training dabei haben?", fragte ich und lächelte.

„Aber du hast doch selbst Training, oder nicht?", fragte Jule nach, doch ich konnte schon an ihrer Stimme hören, dass sie aufgeregt war.

„Ja, aber da würde ich doch eh zu spät kommen. Außerdem möchte ich noch mehr Zeit mit dir verbringen."

„Ehrlich jetzt?"

„Aber klar doch, ich bin jetzt für dich da, für immer"

Wenn ihr jetzt denkt das war das happy end, muss ich euch leider enttäuschen. Ich wollte das Kapitel ausnahmsweise nicht mit einem Cliffhanger beenden, die Storyline geht also bei nächsten Teil weiter :)
Ich wünsch euch eine schöne Woche, passt auf euch auf!

-toni

distance (jule brand x lena oberdorf)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt