Louis, 21. Dezember 2019
Singend hüpfte ich durch die Küche. Der Geruch von bratendem Gemüse erfüllte die Luft und vermischte sich mit dem Geruch der Kekse, die ich zuvor gebacken hatte. Weihnachtslieder liefen im Radio schon seit Wochen auf und ab. Viele Menschen störte es, doch ich war da definitiv anders. Voller Euphorie gab ich Wham!‘s „Last Christmas“ zum Besten, wobei ich den Kochlöffel als Mikrofon missbrauchte.
Weihnachten war einfach meine Zeit.
Ich liebte die Gemütlichkeit, die geschäftige Ruhe, die in der Luft hing und ja, ich genoss es auch, auf den letzten Drücker Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Doch anders als die letzten Jahre war ich dieses Mal nicht so spät dran und hatte bereits alle Geschenke für meine Familie gekauft oder selbst gebastelt.
Den Herd drehte ich herunter, bevor mir doch noch etwas anbrannte. Ich konnte zwar kochen, war aber für meine mysteriösen Unfälle in der Küche durchaus bekannt und gefürchtet in meiner Familie. Mom fragte sich immer wieder, wie ich es überhaupt schaffte, allein zu leben. Zuhause war ich furchtbar gewesen, was den Haushalt anging.
Aber hier, in meinem kleinen Haus, das ich vor einigen Jahren gekauft hatte, machte sich der Haushalt wie von allein, was mich selbst etwas überraschte. Es war ein wenig, als hätte ich kleine Hauselfen oder Murkels, die das für mich erledigten.
Das geschmorte Gemüse landete auf einem Teller, als es fertig war, und die Pfanne in der Spüle, damit ich sie später abwaschen konnte. Mit dem dampfenden Teller und einem Glas Wasser setzte ich mich an meinen Küchentisch. Es war ein alter Eichentisch, den ich in einem Secondhandladen gefunden hatte. Dazu vier Stühle, die alle irgendwie unterschiedlich aussahen, und das Ensemble war komplett.
Während ich aß, blätterte ich durch mein Backbuch und wippte mit dem Bein im Takt der Musik. Gerade lief „A Wonderful Christmas Time“, aber nicht das Original, sondern die Version eines bekannten Sängers. Harry Styles hieß er. Meine Schwester Lottie fuhr voll auf ihn ab, als sie in der Middle School war.
In meinem Kopf dekorierte ich schon die Plätzchen, die ich morgen backen würde. In nicht mehr ganz drei Tagen war Weihnachten und meine Familie würde vorbeikommen, um mit mir am vierundzwanzigsten meinen Geburtstag und am Tag darauf Bescherung zu feiern. Das Gästezimmer hatte ich dafür bereits fertig gemacht und der Weihnachtsbaum stand ebenfalls schon im Garten an die Hauswand gelehnt. Ich musste ihn nur noch reinholen und schmücken, doch das würde ich erst in zwei Tagen machen.
Ich schrieb auf, was ich noch besorgen musste, damit das Weihnachtsessen auch das wurde, was ich mir ausgedacht hatte. Dafür fehlten mir nämlich noch einige Zutaten. Ich tippte mir mit dem Stift gegen das Kinn und dachte nach, ehe ich noch verschiedene Getränke der Liste hinzufügte.
Gestern war mein letzter Arbeitstag für dieses Jahr gewesen. Mein Resturlaub ermöglichte es mir, bis in den Januar frei zu machen. Das hatte auch lange genug gedauert. Seit August hatte ich kaum Urlaub gehabt, weil immer wieder Krankheitsausfälle oder andere Zwischenfälle dazwischen kamen und meine Anwesenheit forderten. Doch jetzt konnte ich endlich mal wieder richtig entspannen. Das hatte mir gefehlt, war mir aber durchaus bewusst gewesen, als ich den Job in dem Verlag angenommen habe. Als stellvertretender CEO hatte man verflucht viele Aufgaben zu erledigen. Aber dennoch war ich froh, den Job zu haben. Damit wurde mir ein Kindheitstraum erfüllt.
Während ich über einige Dinge nachdachte, die in nächster Zeit anstanden, aß ich mein Gemüse auf. Morgen würde ich einkaufen gehen und alles besorgen, was mir noch fehlte. Immerhin wollte ich nicht, dass meine Familie dachte, ich sei unzuverlässig. Es war das erste Weihnachten, das wir bei mir feierten. Eine Premiere sozusagen. Da sollte alles glatt laufen. So jedenfalls der Plan…
Das schrille Klingeln meiner Haustür riss mich aus meinen Gedanken, in denen ich mir das perfekte Weihnachtsfest ausmalte. Ich legte meine Gabel, die ich unbewusst noch in der Hand gehalten hatte, auf den Teller.
Zunächst dachte ich, es wären die Nachbarskinder, die mir andauernd Klingelstreiche spielten und sich dabei nicht einmal schlau verhielten. Ich hatte beim ersten Mal gesehen, dass sie es waren, weil sie sich hinter der Hecke versteckt hatten, hinter die ich von meiner Haustür aus sehen konnte. Meiner Nachbarin hatte ich bereits einige Male gesagt, dass sie ihre Kinder doch bitte davon abhalten sollte, meinen Klingelknopf zu massakrieren, doch alles, was ich als Antwort bekam, war wirres Geschimpfe, weshalb ich sie insgeheim auf den Namen „Drache“ getauft hatte. Die Frau kritisierte einen, wo sie nur konnte. Und wenn es nichts gab, das die kritisieren konnte, dachte sie sich einfach etwas aus. Hauptsache, sie hatte das letzte Wort.
Normalerweise hörten die beiden auch irgendwann wieder auf, doch die Klingel schrillte weiter. Eigentlich hatte ich keine Lust, bei dem Schneegestöber, das draußen herrschte, die Tür zu öffnen, doch nach etwa zwei Minuten konnte ich mich doch dazu aufraffen, mal nachzuschauen.
Ich verließ meine Küche und ging durch den Flur das kleine Stück zur Haustür. Dort angekommen drehte ich den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür. Eisiger Wind peitschte mir direkt ins Gesicht und jagte mir Schauer über den Rücken. Bibbernd verzog ich das Gesicht.
Als ich den Blick hob, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf.
Vor mir stand ein Mann. Groß, schlank und mit unheimlich grünen Augen. Rundum hübsch. Er trug eine Mütze, die er sich tief in die Stirn gezogen hatte, doch die Locken, die darunter herauslugten, waren teils gefroren von der Kälte, die draußen schon seit Tagen andauerte. Seine Augen weiteten sich ein Stück und er wirkte überrascht.
»Äh, hi?«, sagte er. Seine Stimme war rau und tief. Ihr Klang hinterließ ein Summen in der Luft, das ich bis in meinen Magen spürte.
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If I Could Fly (Larrys Version)
FanfictionLouis Leben ist eigentlich ganz normal. Er wohnt in einem schönen Haus in einem ruhigen Stadtteil Londons, hat die berufliche Laufbahn eingeschlagen, von der er immer geträumt hat und ist vorallem eins: glücklich. Doch etwas fehlt, das weiß er tief...