Ich mag vor ein paar Monaten achtzehn geworden sein, doch damit bin ich ganz offiziell immer noch ein Teenager. Und ich denke, ich liege halbwegs richtig, wenn ich behaupte, Teenagern ist alles peinlich. Ich bin zwar nicht gegen eine Bahnhofssäule gelaufen, der physische Schaden, den diese unangenehme Situation jedoch auslöst, ist weitaus verheerender, als ein einfacher Schlag gegen den Kopf.
Tobirama Senju schaut fragend auf mich herab und ich merke, wie sich meine Gehirnzellen, eine nach der anderen, selbst eliminieren. Es gibt nur eine Lösung: Taktischer Rückzug.
„Also gut, ich geh dann mal." Sehr neutral gesagt, sehr neutral geguckt, Koffer greifen, umdrehen und gehen. Nicht zu schnell, nicht zu schnell.
Ich komme exakt bis zur nächsten Säule, bevor der Senju mir den alles entscheidenden Schlag verpasst. Von dem heutigen Tage werde ich mich nicht mehr erholen. Niemals.
„Du läufst in die falsche Richtung."
Wieder bleibe ich stehen und hoffe dabei ganz ganz fest auf spontane Auflösung meines Körpers.
„Da bist du doch gerade hergekommen."
Ja, das mag sein, lass uns nicht mehr drüber reden. Ich mache ein gequältes Gesicht, doch anscheinend besitzt er überhaupt kein Taktgefühl, oder es ist ihm schlichtweg egal, wie ich mich fühle. Seufzend drückt er seine Zigarette aus und schnipst sie dann auf das Gitter über dem Mülleimer (sehr vorbildlich) und hängt sich seine Sporttasche über die Schulter. So eine große, schwarze, eine die ich persönlich wählen würde um eine Leiche zu entsorgen.
Nicht, dass ich ihm da was unterstellen würde, aber so wie er sie jetzt lässig halb auf seinem Rücken, halb über seiner Schulter trägt, kann ich mir ihn schon in einem Krimi vorstellen.
„Komm, wir sind spät dran."
Und der Senju kommt niemals zu spät. Nicht mal, wenn er von jemandem wie mir aufgehalten wird.
„Und überlass das gucken lieber mir, bevor du wieder irgendwo gegen läufst."
Oh, das war jetzt aber ein unnötiger Seitenhieb. Kann schon sein, dass ich manchmal etwas trottelig bin, aber eher selten in der Schule. In seiner Gegenwart war das mit Sicherheit das erste Mal, ist ja wohl unfair gleich von wieder zu sprechen. Dennoch verkneife ich mir einen ähnlich bissigen Kommentar, vor allem weil er jetzt wieder ungeduldig auf seine Uhr schaut. Nicht etwa die auf seinem Handy, nein, er trägt eine glänzende Armbanduhr an seinem linken Handgelenk. Das Ziffernblatt zeigt nach unten, und irgendwoher hatte ich mal aufgeschnappt, dass Rennfahrer ihre Uhren angeblich so tragen. Tobirama wurde als Baby nicht mit Milch sondern mit Coolness gefüttert.
Ich glaube, Mito und ich sind gleichermaßen überrascht, als der Senju und ich gemeinsam das Ende der endlos langen Treppe zu Gleis 7 erreichen. Ich schnaufe, er nicht. Und ich meine, ich gebe mir wirklich Mühe neben ihm zumindest halbwegs so auszusehen, als würde ich nicht ständig den Sportunterricht schwänzen aber wo nichts zu machen ist, ist nichts zu machen. Ganz sicher bin ich entweder knallrot oder leichenblass im Gesicht, vermutlich eine Mischung aus beidem.
Während mein Mitschüler mich etwas ungeduldig vor sich herschiebt, weil ich einfach stehen geblieben bin, beobachte ich wie Mito erst eine Augenbraue hochzieht, dann die Stirn runzelt und sich schließlich dazu entscheidet, mir entgegen zu kommen. Durch meine dicke Jacke spüre ich seine Hand irgendwo zwischen meinen Schulterblättern.
„H-hi." Ich winke schwach und irgendwie albern und würde mich am liebsten in Luft auflösen.
„Da bist du ja endlich, ich hatte Angst du kommst zu spät."
„Oh."
Entgegen meiner Erwartungen blendet sie Tobirama neben mir völlig aus — und das ist schwer, wo er heute doch so gut aussieht, ganz in Casual, nicht in unserer öden Schuluniform — und greift nach meinem Arm. „Ich hab dir fünf Nachrichten geschrieben!"
„Sorry, sorry, ich hätte mich fast verlaufen, ehrlich."
Er nutzt seine Chance um zu verschwinden, doch so richtig bekomme ich das gar nicht mit, denn die rothaarige zieht mich bereits weiter, in Richtung der Lehrer. „Komm, beeil dich, wegen der Anwesenheitsliste."
—
Mito hatte an die Kanne Tee gedacht. Beziehungsweise den Thermobecher, den wir uns abwechselnd reichen. Zu zweit sitzen wir nebeneinander, unsere Koffer und Taschen unter unseren Sitzen verstaut und beobachten, wie die noch im Dunkeln liegende Stadt langsam an uns vorbeizieht. Unsere Sitzwahl ist eigentlich perfekt, weit genug weg von den Lehrern — vor allem von unserem Geschichtslehrer, Herr Kakuzu, der schon den ganzen Morgen so aussieht, als wäre er am liebsten ganz woanders —, weit genug weg von Tayuya und Guren — Mitos Exfreundinnen — und ganz zufällig sitzt Tobirama Senju in der Reihe vor uns. Noch weiß der natürlich nichts von seinem Glück.
„Hast du vorhin den neuen Referendar gesehen?", flüstert Mito mir auf einmal zu, ihren Blick auf den Sitz vor ihr gerichtet. Zwar hat Tobirama Kopfhörer auf, doch man kann nie wissen.
„Du meinst den großen, vorhin bei dem alten Kakuzu?", flüstere ich also zurück, denn was auch immer sie mir gleich zu sagen hat, geht den Senju anscheinend nicjts an.
Manchmal schleifen sie nichts ahnende Referendare mit auf solche Fahrten, weil ein Großteil der Lehrerschaft nun mal einfach keinen Bock hatte eine Horde spätpubertäre Jugendliche eine ganze Woche lang beaufsichtigen zu müssen. Anscheinend hatte der arme Kerl nicht nein sagen können und stand ganz bedröppelt neben Herrn Kakuzu, der ganz offensichtlich auch nicht hatte nein sagen können.
„Was ist mit dem?"
„Er und der Senju sind Brüder."
Ich glotze Bauklötze. Und verschlucke mich außerdem fast an ihrem Tee.
„Sicher? Ich mein die sehen sich gar nicht ähnlich."„Ganz sicher. Der ältere hat es vorhin eigentlich jedem erzählt, ich fürchte nur es hat keinen interessiert."
„Ist ja verrückt. Ich wusste nicht mal, dass er Geschwister hat.", flüstere ich. Naja, eigentlich wissen wir gar nichts über ihn. Fast nichts. Er raucht. Und er trägt seine Uhr falschrum, weil es cool ist.
„Ich bin vorhin mit ihm zusammengestoßen.", erzähle ich ihr daraufhin. „War mega peinlich."
„Oh Shit, was hat er gesagt?" Tobirama Senjus Freundlichkeit ist uns allen gut bekannt.
„Mich basically beleidigt." Ich meine, irgendwie hat er mich trotzdem in die richtige Richtung geführt, aber eigentlich hat er mich bloß gehetzt, ich solle mich beeilen. „Ich weiß einfach nicht, wie du ihn rumkriegen willst...", seufze ich. Bis jetzt scheint es ein Ding der Unmöglichkeit.
„Will ich gar nicht. Es reicht, wenn es so aussieht, als ob. Insta, Snapchat und die Macht der Gerüchte." Unberührt zuckt sie mit den Schultern. Skrupellos. Gefällt mir.
„Verstehe.", murmle ich und zerre mein eingepacktes Kissen aus meinem Rücksack, um mich damit an die Scheibe zu lehnen. „Dann reicht es ja, wenn der Senju uns ein bisschen mag. Oder überhaupt."
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Abschlussfahrt (Naruto AU)
FanfictionYumi Seiji würde ihre Abschlussfahrt am liebsten sausen lassen. Im Winter in die Berge? Ja nee, ist klar, viel lieber würde sie sich aufs Sofa kuscheln und Netflix durchgucken, doch das Schicksal hat andere Pläne mit ihr. Warum ist der nervige Tobi...