Ein Funke Hoffnung

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Nathan saß in der Dunkelheit seines Wagens, das leise Brummen des Motors war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Er hatte es satt, immer nur darauf zu warten, dass sich die Welt um ihn herum bewegte. 

Zum ersten Mal seit Wochen fühlte er sich wie ein Mann, der eine Mission hatte – nicht nur von Schmerz getrieben, sondern von einem seltsamen, kaum greifbaren Funken Hoffnung.

Es war ein Zufall gewesen, dass einer seiner Männer Hinweise auf eine kleine Gruppe erhalten hatte, die sich auffällig unauffällig in einem verlassenen Industriegebiet bewegte. 

Eine dritte Partei, sagte man ihm, weder loyal zu seiner Organisation noch zu ihren Feinden. Sie hatten sich im Schatten gehalten, bis jetzt.

Nathan hatte das Gefühl, dass sie mehr wussten, als sie preisgaben. Etwas tief in ihm – ein Gefühl, das er nicht erklären konnte – sagte ihm, dass er dieser Spur folgen musste. 

Es war nicht rational, aber Rationalität hatte in seinem Leben seit dem Tag, an dem Eleanor starb, keinen Platz mehr.

Seine rechte Hand, Carter, saß auf dem Beifahrersitz, schweigsam und wachsam. Im Rückspiegel konnte Nathan die beiden anderen Männer in ihrem Wagen sehen, die sie begleiteten. 

Sie waren gut ausgerüstet, bereit für alles, was sie finden könnten.

„Bist du sicher, dass das hier nicht nur ein blinder Schuss ist?" fragte Carter schließlich, seine Stimme war tief und ruhig, doch Nathan konnte den Hauch von Zweifel hören.

„Nein," antwortete Nathan knapp, ohne ihn anzusehen. 

„Aber manchmal ist ein blinder Schuss alles, was wir haben."

Das Auto hielt an einer unscheinbaren Gasse, wo die Lichter der Stadt kaum noch hinreichten. Die Männer stiegen aus, ihre Bewegungen leise und präzise. Nathan zog den Mantel enger um sich, während er die verlassene Fabrik vor sich betrachtete. 

Es war ein hässliches Gebäude, die Fenster zerschlagen, Graffiti bedeckten die Wände. Doch es war nicht leer. Irgendwo hinter diesen Mauern lauerte etwas – oder jemand.

Die Stille war greifbar, als sie sich dem Gebäude näherten. Carter gab ein Handzeichen, und die Männer verteilten sich, suchten nach einem Zugang. 

Nathan folgte dem Hauptweg, seine Schritte leise auf dem Betonboden.

Das Innere der Fabrik war genauso trostlos wie das Äußere. Rostige Maschinen und verfallene Werkzeuge lagen verstreut, als hätte jemand sie einfach zurückgelassen. Doch das war es nicht, was Nathans Aufmerksamkeit erregte. 

Es war die leise Stimme, die durch die Stille drang.

Er hob die Hand, um Carter zum Halt zu bringen, und lauschte. Es war kaum mehr als ein Flüstern, doch es war da. 

Eine Stimme. 

Eine Frau.

Sein Herz setzte einen Schlag aus.

Die Möglichkeit, dass er sich irrte, war groß. Doch die Art, wie sich sein Instinkt regte, ließ ihn weitermachen. Er schlich näher, bis er eine Tür fand, die leicht angelehnt war. 

Ein schwaches Licht drang durch den Spalt.

Nathan zog seine Waffe, ein letzter Reflex aus einem Leben, das er nie ganz hinter sich lassen konnte. 

Er stieß die Tür mit der Schulter auf und richtete die Waffe auf die Gestalt im Raum.

Und dann erstarrte er.

Dort saß sie. 

Eleanor.

Sie wirkte dünner, blasser, aber es war sie – die gleichen feurigen Augen, die gleichen zarten Gesichtszüge. Ihr Blick traf seinen, und in einem kurzen Moment schien die Welt stillzustehen.

„Nathan?" Ihre Stimme war leise, kaum mehr als ein Flüstern, doch es war eindeutig. Es war echt.

Er konnte nichts sagen. Konnte sich nicht bewegen. Seine Waffe fiel ihm fast aus der Hand, während seine Gedanken sich überschlugen. 

Das war unmöglich. 

Sie war tot. 

Er hatte sie in seinen Armen gehalten, ihr Blut an seinen Händen gespürt.

„Eleanor...?" Seine Stimme war brüchig, und es fühlte sich an, als würde jedes Wort ihm die Luft aus den Lungen rauben.

„Ich... ich kann das erklären," begann sie, aber bevor sie weitersprechen konnte, dröhnte ein lautes Krachen durch das Gebäude.

Der Boden unter ihnen vibrierte, und Nathan fuhr herum, die Waffe wieder erhoben. Im Flur hallten hektische Schritte wider, begleitet von Schreien und dem dumpfen Bellen von Schüssen. Carter und die anderen stürmten in den Raum, ihre Waffen gezückt.

„Wir werden angegriffen!" rief Carter, während eine Explosion in der Ferne die Wände erzittern ließ.

Nathan reagierte instinktiv. „Verteilt euch und haltet sie auf!" Er blickte Eleanor an, seine Augen voller Fragen, doch keine Zeit für Antworten. „Bleib hier!"

Doch bevor jemand reagieren konnte, brachen bewaffnete Männer durch die Fenster und Türen. Es war ein brutales Chaos. Kugeln flogen, Schreie hallten wider, und Nathan fand sich in einem Feuergefecht wieder, das er nicht vorhergesehen hatte.

Zwischen den blendenden Lichtern der Schüsse und den wütenden Schreien suchte er mit verzweifeltem Blick nach Eleanor. Sie war noch da, in der Ecke des Raums – doch dann tauchte eine weitere Gestalt auf, schnell und lautlos.

„Eleanor!" brüllte Nathan, während ein maskierter Mann sie ergriff.

Eleanor schrie seinen Namen, ihre Stimme übertönte das Chaos für einen kurzen Moment. Nathan stürzte vorwärts, doch ein Kugelhagel trieb ihn zurück. Er konnte nur zusehen, wie der Fremde Eleanor mit sich zog, ihre Gestalt in der Dunkelheit verschwand.

„Nein!" schrie Nathan, doch es war zu spät.

Carter packte ihn an der Schulter, zog ihn hinter eine Deckung, während die Schüsse weitergingen. „Wir müssen hier raus, Boss! Es sind zu viele!"

Nathan spürte die kalte Realität in seine Brust einschlagen. 

Sie hatten sie wieder verloren – und diesmal lebend.

Doch er schwor sich in diesem Moment, dass er nicht ruhen würde. Nicht, bis er sie zurück hatte. Wer auch immer diese Leute waren, sie hatten den Zorn des falschen Mannes geweckt. 

Let Me Hold YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt