Kapitel 4: Kann man eigentlich legal morden?

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Wenn ja, dann wäre ich im Moment ein von bunten Einhörnern und Regenbogen erfüllter Mensch. Nur leider bezweifle ich, dass es ein solches Gesetz gibt, weil das Leben eben oftmals eine ungerechte Sache ist.

Auf jeden Fall stehe ich nun mitten auf dem Pausenhof und sehe Germany's Next Topmodel und ihre Kumpanen auf mich zulaufen. Allein Bonnies klebriges Lächeln bringt mich an die Grenzen meiner Zurückhaltung und wären Liz und Kat nicht da, die mich an den Armen zurückhalten, ich wäre vermutlich auf Bonnie losgegangen. Wie eine Raubkatze, die ihre Beute ermordet und dann verschlingt und - okay.
Ganz ruhig, Maya. Alles gut.
Aber kurz bevor sie mich erreicht, wendet sie sich von mir ab. Ungefähr fünf Meter links von mir steht Tom, lässig an einen Baum gelehnt, und lächelt seine Freundin an. Natürlich geht Bonnie überglücklich auf ihn zu, nimmt ihn in die Arme und küsst ihn ausführlich. Ihre Freundinnen (ich bevorzuge den Begriff Hyänen) Jessica und Clara warten mit ein wenig Abstand auf Satan und Freund, um ja nicht ihre heilige Privatsphäre (wohlgemerkt mitten auf dem Schulhof) zu stören. Währenddessen kreisen in meinem Kopf Foltermethoden und Mordpläne, und ich kann es nicht lassen, mir ernsthaft Gedanken darüber zu machen, Tom einfach Bescheid zu sagen. Aber Kat hat Recht: Mir würde erstens niemand glauben und zweitens wäre ich das Gespött der Schule.
Verdammt, verdammt, verdammt.

Ich merke, wie Kat und Liz versuchen, mich zum Weitergehen anzutreiben, aber so sehr sie auch an meinen Armen zerren, ich bleibe wie angewurzelt stehen und gebe mein Bestes, nicht allzu auffällig und killerblickmäßig in Richtung Bonnie und Tom zu starren. Währenddessen reden meine Freundinnen so unbekümmert wie möglich über dies und das, um die Situation noch irgendwie zu retten.

Das Problem ist: Wäre Bonnie nicht fremd gegangen, hätte ich einfach nur die Augen gerollt. Aber dass sie dermaßen verlogen ist, sich meinen oberflächlichen Freund krallt und es dann noch wagt, mit anderen Kerlen rumzumachen, das geht zu weit.
Ok. Tom ist ein Idiot. Soll er doch wegen ihr irgendwann tief fallen. Selber Schuld. Ich habe was besseres verdient.
Ich sage mir diese Sätze immer und immer wieder in meinem Kopf vor, und ich muss sagen, vor allem der Letzte scheint mich zumindest ein wenig zu beruhigen. Ja, ich habe was besseres verdient. Soll Tom doch mit dieser Zicke abstürzen. Ich werde daneben stehen und ihn auslachen.

Gerade, als ich mit dem Gedanken spiele, jetzt endlich nach Hause zu gehen und meine Freundinnen damit zu erleichtern, kommt das Bonnie Hand in Hand mit Tom auf mich zu. Die Hyänen kommen natürlich mit, ihre Arroganz, die sie ausstrahlen, und ihre Selbstsicherheit, die sich in ihren abwertenden Blicken widerspiegelt, scheint regelrecht aus ihren Augen zu tropfen, ist aber nichts im Vergleich zu Bonnie. Ihre Hacken erfüllen den Pausenhof mit einem nervtötendem Klick Klack, ihre wasserstoffblonden Extentions sitzen natürlich perfekt und ihr Gang unterstreicht ihre Einbildung ganz fett, ungefähr so wie Edding.
"Huhu!", ruft sie mir zu.
Moment.
Ruft sie mir zu?!
What?! Oh Gott, sie kommt wirklich auf mich zu. Holy crap. Was ist in meinem Leben nur schief gelaufen.
"Hallihallo, ähm... Maya, richtig?"
Doofe Nuss. Sie weiß genau, wie ich heiße.
"Frag doch Tom."
In meiner Stimme ist leider nicht ganz so deutlich die Abschätzung und Selbstsicherheit zu hören, wie geplant. Ich klinge unsicher.
Verdammt, Maya! Verkack das jetzt bloß nicht!
Tom sieht aber auch nicht wirklich entspannt aus. Die Situation ist ihm sichtlich unangenehm.

Gut, vielleicht sollte ich erwähnen, dass Tom riesen Schuldgefühle hatte, nachdem er nicht einfach nur Schluss gemacht hat, sondern Wochen vorher schon mit Bonnie fremd gegangen ist. Tagelang hat er sich bei jeder Gelegenheit entschuldigt, er hat ständig versucht, mich zu erreichen, aber Kat hat mir gesagt, dass er es nicht verdient hat, mit mir zu sprechen. Er hat es verdient, zu zittern. Und da Tom schon immer ein Mensch mit Gewissen war und ich seit Bonnie bis heute kein Wort mehr mit ihm geredet habe, beschäftigt ihn die Sache immer noch.
Liz hat zwar gemeint, ich könne ihm doch wenigstens meine Gefühle mitteilen, jedoch meinte Kat daraufhin, dass Liz doch bitte aufhören solle, immer so nett zu sein. Schließlich habe Tom das nicht verdient. Liz war dann aber der Meinung, ich müsse seine Entschuldigungen ja nicht annehmen, es reiche, mit ihm nur zu reden. Und so weiter. Letztendlich haben sich die beiden über meine Beziehungskrise gestritten und Kat hat für mich beschlossen, ich solle auf sie hören und Tom ignorieren. Mir gefiel der Gedanke, ihn leiden zu sehen, woraufhin Liz nur meinte, ich solle tun, was ich für richtig hielt. Jaja, so ist das mit meinen Freundinnen, 90% meiner Entscheidungen übernehmen sie.

"Wie dem auch sei", sagt Bonnie nun und lächelt Tom zu. Klarer Fall von Provokation. Stirb, Bonnie, stirb.
"Ich wollte dich und deine..." - sie schaut abfällig zu Kat und Liz - "...Gefährtinnen ganz herzlich zu meiner Party am Wochenende einladen. Mum und Chris sind in Paris, und naja, wird 'ne ziemlich große Sache, mit Bar, Jungs und eben allem, was zu einer Party gehört."
Ok. Stopp. Moment. Haltet die Welt an.
Was hat sie da gesagt?!
Warum... warum?! Weshalb lädt mich Bonnie zu ihrer Party ein? Ich ahne nichts Gutes. Allein wie sie uns so "herzlich" zu ihrer Party einladen will. Also "herzlich" ist ihr arroganter Tonfall sicher nicht.
"Danke, wir verzichten", antwortet Kat so zickig wie möglich und zerrt an Liz' und meinen Armen. Ja, sie hat Recht. Sie hat immer Recht. Die Party ist eine dumme Idee.
"Ach Mädels", schmollt Satan.
Nun schaltet sich Jessica ein.
"Warum denn nicht? Maya, soweit ich weiß, bist du noch immer single. Vielleicht findest du da ja jemanden, der dich... erträgt."
Und damit hat sie die hochexplosive Atombombe in mir platzen lassen. Leise und drohend antworte ich, an Blondie gerichtet.
"Fein. Wir kommen zu deiner öden Party mit drittklassigem Buffet und Makeup-Konferenzen. Aber pass nur auf, denn, wie deine nette Freundin gerade erwähnt hat, bin ich schwer zu ertragen. Nicht, dass ich am Ende noch Dinge tue, die wir beide bereuen. Ich denke, du weißt, was ich meine, denn, Bonnie, du wirst ja wohl hoffentlich nicht so blöd sein, wie wasserstoffblond deine billigen Extentions sind. Es sei denn, das Klischee trifft wieder mal zu. Traurig diese Welt, einfach nur traurig."
Bäm! Die Bombe hat ihre Wirkung voll erzielt! Jessica schaut mich beleidigt an, Clara guckt wie immer dumm in die Gegend (ich bezweifle, dass ihre einsame Gehirnzelle überhaupt kapiert, was los ist) und Bonnie schaut finster drein. Aber nur für einen Moment. Dann lächelt sie mich wieder klebrig an und greift nach Toms Hand. Ihr Gesicht kommt meinem näher, sodass ich nun jede einzelne mit Makeup verstopfte Pore erkennen kann.
"Okay, ich erwarte dich", flüstert sie drohend, immer noch lächelnd. Ich kann deutlich ihren starken Pfefferminzatem riechen.
"Das wird ein Spaß mit euch Dreien."
Und wie immer, wenn ich wütend bin, sage ich Dinge, die ich besser nicht sagen sollte.
"Ich denke, Bonnie, du wirst dich wohl eher mit deiner Affäre vergnügen."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 07, 2015 ⏰

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