7. Kapitel

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Es war schon 7:30 Uhr, als ich aufwachte und die Schule startete um 8:15 Uhr.

Jetzt hieß es Katzenwäsche, schnelles Frühstück im Stehen und zum Bus laufen.

Als ich dann in der Schule war, musste ich nur noch an die Begegnung der Nacht denken.

Wozu eigentlich Schule? Wenn die hellen Geister recht haben und später einmal allen alles gehören soll, dann brauch ich doch nichts zu lernen.

Aber wenn alle so denken, dann funktioniert doch nichts!

Und Neid soll es dann auch nicht mehr geben?

Wenn Anna bei mir abschreibt, habe ich ja nichts dagegen, aber manchmal nervt das schon. Besonders dann, wenn unser Lehrer dann sogar Anna noch lobt, obwohl sie doch gar nichts wusste. Schon ungerecht.

Da finde ich die Einstellung der Dunklen schon besser.

 Zu Hause wieder angekommen hatte ich einen riesigen Hunger und freute mich, dass Mutter mein Lieblingsessen gekocht hatte. Schnitzel mit Pommes und Salat.

Sollte ich mit Mutter über meine Begegnungen sprechen?

Ich weiß nicht. Ich habe ja noch nicht einmal über das Ereignis vor 5 Jahren gesprochen, als ich den elektrischen Schlag bekommen habe.

Wenn sie mir nicht glaubt und mich nur auslacht? Es klingt ja auch ziemlich komisch. Und würde ich das jemanden glauben, wenn der mir so komische Geschichten erzählt?

 Vielleicht morgen.

Ja, vielleicht morgen – das habe ich schon oft gedacht.

 Abends schaute ich noch etwas Fernsehen, war aber so müde, dass ich schon um 20:30 Uhr freiwillig ins Bett fiel. Die letzte Nacht war ja auch kurz gewesen.

 Da war sie wieder, die Fabrik, der Ort, der Blick von oben.

Wieder sehe ich das Bild meines letzten Traumes.

Plötzlich stehe ich in der Fabrik, mitten zwischen den Arbeitern und höre mich fragen:

„Hallo, ich bin Nadine, ich will wissen ob euch die Firma hier gehört?“

„Nein“, sagt ein Arbeiter, „ich bin Maschinenbediener und habe das auch gelernt. Eine Firma könnte ich niemals führen, dass überlasse ich lieber dem Chef. Wenn der Mist baut, muss der auch dafür haften. Wir haben hier alle einen Job, der genau zu uns passt und das füllt uns komplett aus. So hat John z.B. Kaufmann gelernt und ist dafür verantwortlich, dass alle Teile günstig eingekauft werden, die ich hier mit der Maschine bearbeite und Murat ist Ingenieur. Der hat die Maschinen hier mitentwickelt. Irina überprüft die Qualität und Nesrin macht die Weiterentwicklung.

Jetzt stell dir mal vor, uns würde die Fabrik gehören, dann müssten wir ja alle hier ein Leben lang arbeiten. Ich könnte nie in der Nachbarfabrik tätig werden, oder noch schlimmer, ich könnt nie in einem anderen Land tätig sein. Und ob ich gut, oder schlecht arbeite, das entscheide ich dann am besten auch noch selbst, weil ich ja auch Chef bin. Ne, ne.“

„Stimmt“ sagte ich zu dem Arbeiter „das wäre so, als wenn ich in der Schule auch über meine Noten entscheide. Und da würde ich mir immer die besten geben. Noten hätten dann keinen Sinn. Was sollten sie dann aussagen“.

„Richtig erkannt! Deshalb hat die Abteilung, die für das Personal in der Firma zuständig ist, auch alle eingeteilt und wir erhalten einen Lohn, der zu uns passt. Wenn ich mich weiter entwickele, also wenn ich mehr kann, dann besteht die Möglichkeit, dass ich in eine andere Abteilung komme und mein Lohn steigt dann auch. Ich bin hier an der Maschine aber zufrieden, habe keine Verantwortung und mache das, was man mir sagt. Dann gibt es keinen Ärger und alles ist paletti“ sagte der Maschinenbediener und fügte hinzu, „Weißt du, das ist dann auch ganz bequem in meiner Freizeit oder auch zu Hause. Da brauch ich mich auch nicht groß zu entscheiden. Ich weiß, dass ich einmal ein Auto fahren möchte und da gibt es nur zwei Arten, genauso wie bei den Häusern. Mit meinem Einkommen kann ich mir das kleinere Auto kaufen, habe dafür aber mehr Freizeit, als die, die sich ein größeres Auto leisten können. Die müssen nämlich mehr, also auch länger arbeiten.  So entscheide ich über mein Leben, ohne große Fehlentscheidungen machen zu können. Neid gibt es da nicht und auch keine Enttäuschungen, weil wir nichts anderes kennen.“

„Verstehe“ sagte ich, „und das System hat sich die Regierung ausgedacht, damit alle zufrieden sind und nach ihren Fähigkeiten eingesetzt werden. Und die Regierung überwacht auch, dass alle einen ähnlichen Wohlstand haben, damit es nicht zum Neid kommt“.

„Genau richtig erkannt. Das klappt schon seit Jahren so und wir fühlen uns wohler, als zu der Zeit, als wir alle dem Geld hinterhergerannt sind, weil wir immer mehr und immer größere Sachen haben wollten. Da hatten wir uns für den Konsum von unsinnigen Sachen hoch verschuldet. So, Nadine, jetzt muss ich aber wieder weiterarbeiten, damit ich heute Nachmittag mit meinen Kindern im Garten spielen kann. Mach´s gut und denke über das nach, wie wir hier leben. Sicher ist das auch eine tolle Möglichkeit für deine Zukunft.“

Das waren die letzten Worte des Arbeiters, der ich auf einmal umdrehte und ich sah plötzlich die Fabrik wieder von oben, aus der Ferne und da verschwand sie schon im Nebel.

 Kling, Kling, Kling….. rasselte der Wecker und ich wachte pünktlich auf.

Jetzt ins Bad, waschen, frühstücken und Schule.

Mein Kopf brummte vor so vielen widersprüchlichen Gedanken.

Der alte BahnhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt