Die einen ließen die Sektkorken knallen, die anderen saßen zusammengekauert auf den Bänken.
Eigentlich war es ja schon überfällig, dass ich ins Bett ging, aber heute musste ich einfach die Entscheidung abwarten. Ich kann ja morgen Abend früher ins Bett, dachte ich.
Gewonnen hatte die Partei, die von den Hellen Geistern favorisiert wurde.
„Gleichheit, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle“, so versprach der neue Regierungschef im Fernsehen. „Endlich ist es soweit! Unser Land wird auf alle gerecht aufgeteilt. Es gibt keine Unterschiede zwischen den Menschen und zukünftig auch nicht beim Vermögen, das alle haben. Wir, das sind meine Parteifreunde und ich, werden uns nun diese Woche zusammensetzen und wir werden einen Plan aufstellen, wie wir das alles schaffen werden. Nächste Woche werden wir dann alles präsentieren. Ich verspreche, es wird für alle gut sein. Nochmals Danke an alle, die uns so kräftig unterstützt haben und das Vertrauen ausgesprochen haben.“
Eigentlich auch ganz gut. Hört sich zumindest auf den ersten Blick so an. Mal sehen, ob meine Bedenken, die ich nach dem Kennenlernen der Dunklen und Unentschlossenen hatte, eintreten. Die Hellen Geister werden jetzt feiern, dachte ich. Nur essen und trinken können sie nicht. Dann fällt bei denen doch alles heraus. Und die Unentschlossenen und Dunklen weinen? Nein, sicher nicht, sonst sähe es ja aus als wären es Regenwolken und unter denen wären immer kleine Pfützen. Dann lachte ich und stellte mir vor, wie das aussehen könnte.
Am nächsten Morgen kam ich zum Frühstück und es war eine ganz miese Stimmung dort. Vater kam in die Küche und brummelte: „das gibt’s doch gar nicht. Wie stellen die sich das denn vor. Faules Pack. Wenn die Geld haben wollen, sollen die doch arbeiten und nicht umverteilen. Klappt sowieso nicht. Mein Geld kriegen die nicht …“
In der Schule war es auch ganz komisch. Einige lachten und machten Pläne für die Zukunft, was sie sich jetzt bald kaufen könnten, andere versteckten ihr Handy und hatten nicht ihre Markenklamotten an. Es kam mir so vor, als wollten die, die mehr Geld hatten sich verstecken und die, die weniger hatten lachten die ganze Zeit.
Plötzlich kam Carmen auf mich zu und sagte: „Nadine, ihr habt doch ein Haus und habt sicher auch Geld. Davon kannst du mir doch was abgeben. Mein Papa hat gesagt, dass die neue Regierung dafür sorgen will, dass das Geld von den Reichen zu den Armen kommt. Vielleicht hast du ja schon was dabei. Dann kann ich mir heute Nachmittag gleich eine neue Jeans kaufen.“
Ich habe mich nur rumgedreht und bin gegangen.
Am Abend, in den Nachrichten, wurde auch schon von einigen Anfeindungen und Auseinandersetzungen gesprochen und Politiker der alten Regierung warnten vor einen Bürgerkrieg.
Im Bett konnte ich nicht einschlafen. Dauernd gingen mir die Geister durch den Kopf, die zu meinem alten Bahnhof gekommen waren. Die Dunklen wären auch keine Alternative gewesen. Da hätte es wohl eher Unterdrückung gegeben. Die wollten alles bestimmen und uns keine Freiheit lassen. „Ich glaube, die Unentschlossenen hatten recht. Wir Menschen sind alle sehr verschieden und jeder geht den Weg, den er gehen will. Das ist natürlich für eine Regierung schwer, die alle unter einen Hut zu bringen. Jeder will was anderes. Allen kann man es nicht Recht machen und so kommt es sicher vielen vor, als sei das eine Politik der Unentschlossenheit. Ist es vielleicht ja auch. Hm, aber jetzt? Wie wird es jetzt weiter gehen. Wie sieht die Planung der neuen Regierung aus?“ dachte ich.
Huuuup, Schnauf, Kling. Da war es wieder. Huuup! „Wie hab ich euch vermisst“ rief ich. Aber wer war jetzt gekommen. Die Hellen, die mit mir feiern wollen, die Dunklen, die vielleicht Pläne schmieden wollen und die neue Regierung zu stürzen, oder die Unentschlossenen, die nur meine Meinung zu der neuen Situation abfragen wollen?
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Der alte Bahnhof
Mystery / ThrillerBeeinflussen Geister unsere Welt und unser Entscheidungen? Nadine zieht mit ihrer Familie in einen alten Bahnhof und dort erlebt sie die erschreckende Welt der Geister. Welches sind die wahren Geister? An ihr hängt das Schicksal einer ganzen Nation...