Verschlossen und voller Gefühle

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Ich ließ ihn schweigen, denn ich kannte ihn, nein ich kenne ihn. Und ich weiß er wird das Schweigen erst brechen, wenn er bereit ist, mir alles zu erzählen.

Das letzte Mal hatten wir schweigend beieinander gesessen, als er mir von seinem ersten Treffen erzählen wollte. Damals hatte er kein Wort heraus gebracht. Er war so glücklich und unsicher gewesen, als es nach fast 30 minütigem schweigen endlich mit der Neuigkeit herausrückte.

Zwei Stunden später war unser heißer Kakao kalt, kein einziger Keks war gegessen und immer noch hatte er nicht geredet. Also musste etwas schlimmes passiert sein.
Noch immer lagen seine Hände verkrampft um die Tasse und gedankenverloren sah er hinab in die Tiefe der dunklen Flüssigkeit. Ich wollte einfach für ihn da sein und ihm aus seiner Trauer helfen. Reden musste er nicht, nur wieder glücklich werden. So löste ich vorsichtig seine Hände und legte sie schützend in die meinen.
Vorsichtig hob er seinen Kopf und sah mir unsicher in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick mit einem warmen, mitfühlenden Ausdruck.
Nach und nach füllten sich seine Augen mit glasigen Tränen und dann brach es aus ihm hinaus. "Ich hab gesagt ich will dich nicht verlieren", schluchzte er und zog seine Hände aus meiner schützenden Umarmung. "Ich hab gesagt sie sei so herzlos, mich vor diese Wahl zu stellen. Vorwürfe hat sie mir gemacht. Sie hat gesagt ich bin ein undankbarer Mensch", weinte er in seine Hände, hinter denen sein Gesicht vor mir verborgen lag. "Sie meinte ich sollte gehen. Nur weil ich sagte du bist mir zu wichtig, um dich für immer zu verlassen. Sie hat mich vor die Wahl gestellt. Du oder sie. Aber ich konnte es nicht, konnte mich nicht lösen." Er atmete schwer. Seine Hände konnten die Tränenflüsse nicht zurück halten und seine Stimme war geprägt von Trauer, Wut, Verzweiflung und Hysterie. "Ich bin so schwach!", schrie er voller Wut und schmiss seinen Kopf in den Nacken. "Ich bin so schwach", wiederholte er ohne jegliche Gefühle in den Augen. "Ich bin so schwach", flüsterte er in meine Arme, die ich um ihn gelegt hatte.
Langsam zog ich ihn zu mir hoch und führte ihn vorsichtig zum Sofa. Er sah so zerbrechlich aus, wie er sich auf dem Sofa an seine angezogene Beine kuschelte und in seine Hände weinte und wimmerte. So zerbrechlich.

Wintertage  [Dizzi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt