Kapitel 1

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"Scheiße!"... Als mein Blick auf meinen silber-grauen Radio-Wecker fiel, hätte ich diesen am liebsten an die Wand geworfen. Da hat man einmal einen Termin und dann, genau dann verschläft man. Das gibt's doch nicht, und das am ersten Tag!! Wieso bin ich eigentlich so eine Chaotin?!... Naja egal, vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Also ich heiße Leonie, bin 23 Jahre alt und studiere momentan im sechsten Semester Medizin. Nun ja und da man zu dem Schluss gekommen war, dass ich nicht ganz unbegabt auf meinem Fachgebiet zu sein scheine, wurde mir während der lang erwarteten Semesterferien ein zusätzliches Praktikum im Krankenhaus angeboten. Und dort sollte ich eigentlich in 15 Minuten auftauchen...

Als ich aus meinem Bett gesprungen und wie eine Verrückte ins Bad gehechtet war, entschied ich mich dazu meine dunkelbraunen Haare zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammenzubinden, schlüpfte in meine Lieblingsjeans und zog mir meine türkisfarbene Bluse an. Nach einem weiteren Blick auf die Uhr beschloss ich dann, dass ein Kaffee als Frühstück genügen musste und kippte mir schnell eine lauwarme Tasse der braunen Flüssigkeit hinunter. Glücklicherweise befindet sich die nächste U-Bahn-Station direkt gegenüber von meiner Wohnung, sodass mir wenigstens dieser Weg erspart blieb. Endlich im Zug angekommen setzte ich mich neben eine in die Jahre gekommene Frau, deren silbergraue Locken auf  die Lehne ihres Sitzes fielen und atmete das erste Mal an diesem extrem chaotischen Morgen wirklich durch. Wie ich Stress am Morgen hasse...

Drei Stationen später wurde es allerdings auch schon wieder Zeit, die bahn zu verlassen und ich ließ mich vom allmorgendlichen Strom der Menschen mitreißen. Um mich herum, überall hektische Bewegungen, grimmige Blicke und Schreie kleiner Kinder, die die Eile genauso zu hassen scheinen wie ich. Ja, ich hasste sie, die Großstadt. Tja selber Schuld, Leo. Du hast dir ja eingebildet, du müsstest aus deinem kleinen, verschlafenen Heimatdorf wegziehen um in München zu studieren. Dumm gelaufen, würde ich mal sagen. Wenige Augenblicke später blendete mich der schwache Strahl der Wintersonne. Mit zügigen Schritten ging ich auf das Hospital zu. Drinnen wurde ich schon sehnsüchtig erwartet, aber niemand schien mir meine kleine Verspätung wirklich böse zu nehmen. Ein junger Oberarzt, ich schätzte ihn auf Anfang dreißig, schlug vor, mich auf den verschiedenen Stationen herumzuführen. Er zwinkerte mich ständig mit deinen türkisblauen Augen an.  Wie ich solche Leute hasse! Ich meine, wie kann man so sehr von sich überzeugt sein, dass man jede Person des anderen Geschlechts sofort anmachen muss? Wieso? Und dann war der nicht mal hübsch...

Wir liefen gerade an den OP-Sälen vorbei, als dieser eingebildete Schnösel von Oberarzt sich plötzlich zu mir umwandte, mir eine Haarsträhne, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte, zu Seite strich und mit seinen riesigen, kalten Pupillen eindeutig meine Brüste fixierte. Die alles geschah in einer solchen Geschwindigkeit, dass mir keine Zeit blieb auch nur irgendwie zu reagieren. Was wollte der Typ von mir? ... Ich würde es nie erfahren, denn in diesem Augenblick nahm ich ein Piepsen in der Tasche seines Kittels wahr. Ein  Notfall! Egal wer dafür verantwortlich war, er hatte mich eindeutig gerettet.

Florian und LeonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt