Kapitel 5

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Als ich aufwachte, fiel mir zu aller erst das geschmacklose Grau der Zimmerdecke ins Auge. Ich lag in einem Krankenbett. Vorsichtig sah ich mich im Zimmer um. Doch der pochende Schmerz hinter meiner Schläfe, ließ mich kaum einen klaren Gedanken fassen. Erst jetzt bemerkte ich, die Gestalt, die sich neben dem Bett auf einem Stuhl niedergelassen hatte. Es war Florian. Er schlief. Warte... Was zum Teufel suchte Florian David Fitz, einer der erfolgreichsten Schauspieler Deutschlands überhaupt in meinem Krankenzimmer!? Und warum genau war ich überhaupt hier? Gegen die dröhnenden Kopfschmerzen ankämpfend versuchte ich die einzelnen Erinnerungen an den gestrigen Abend zu ordnen, wie ein Puzzle zusammenzufügen. Langsam erinnerte ich mich wieder an die Schlägerei. Drei Männer... sie wollten meine Handtasche...ich lag auf dem Boden...dann flohen sie... Aber was genau hatte jetzt Florian damit zu tun? Angespannt musterte ich ihn: von seinen kastanienbraunen Haaren, die ihm in Strähnen ins Gesicht hingen, seiner süßen Narbe, die sich einmal quer über seinen Nasenrücken zieht und als sein Markenzeichen gilt, über das graue, leicht verknitterte T-Shirt, das er über seinem durchtrainierten Oberkörper trug, seine ausgewaschene Jeans, bis hinzu seinen grellgelben Converse-Sneakers, die ihre besten Zeiten auch schon hinter sich  hatten. Plötzlich fiel mein Blick auf seine Hände. Sie waren blutverschmiert und notdürftig mit weißen Papiertaschentüchern verbunden worden. Langsam setzte ich mich im Bett auf und beugte mich zu diesen hinunter. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, legte ich seine Hand in meine und wickelte den provisorischen Verband langsam ab. Ich erschrak als ich seine Finger sah. Diese waren gesäumt von unzähligen Blutergüssen und Schürfwunden und passten somit beinahe zum Rest seines Körpers, der immer noch deutlich durch den Sturz in den U-Bahn-Schacht gezeichnet war. "Und sieht's arg schlimm aus?", Florian war aufgewacht und als ich aufsah, trafen sich unsere Blicke für einen Moment. Schnell wandte ich mich wieder ab und zuckte mit den Schultern. Er  räusperte sich. "Und wie geht's dir?" In seine verschlafenen Augen mischte sich eine Spur Besorgnis. Scheinbar war ihm gerade auch wieder eingefallen, warum er überhaupt hier war. "Geht so..."

"Das gestern sah übrigens wirklich richtig heftig aus. Tut mir echt leid, dass ich  die nicht schon früher helfen konnte, dann hätte och vielleicht sogar deine Handtasche..., aber..." Er stockte mitten im Satz. Scheinbar war ihm gerade mein fragender Blick aufgefallen. In meinem Kopf spielte sich das gesamte gestrige Erlebnis nochmal in Rekordgeschwindigkeit ab. Aber natürlich! Er war gekommen... Florian hatte sich den drei Angreifern gestellt, um... um MIR zu helfen. ER hatte sich wegen MIR in Gefahr gebracht. Das musste ich erstmal verdauen. Nach einigen Minuten der Stille, beschloss ich schließlich das peinliche Schweigen zu brechen. "Also... dann Danke!", ich lächelte unsicher, "ich kann immer noch nicht glauben, dass du das für mich getan hast, also..." "Nicht der Rede wert, ich meine das hätte doch jeder getan, oder?", antwortete er bescheiden. "Nicht der Rede wert? Nicht der Rede wert?... Du hast dich diesen drei Gorillas gestellt, hast dich mit ihnen angelegt, nur um mich zu retten. Das nennst du 'nicht der Rede Wert'." Er musste grinsen. Schließlich meinte er: "Stimmt, das ist mir echt ganz gut gelungen. Vielleicht sollte ich mal in Hollywood anfragen, ob in nächster Zeit eine Stelle als Super-Man frei wird?" "Superman returns! Die Rache der Handtaschen-Gorillas und in der Hauptrolle Florian David Fitz"; zitierte ich kichernd. Jetzt konnte auch er sich nicht mehr zurückhalten. Er lachte und es war so ein warmes, natürliches Lachen, dass die Schmetterlinge , die sich seit der ersten Begegnung mit Florian in meinem Bauch eingenistet hatten, Loopings flogen.

Florian und LeonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt