Kapitel 2

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Erschrocken fuhr mein Gegenüber zusammen und prüfte den Pieper, als wollte er nachsehen, ob ein fieser Streich ihn von seinem eigentlichen Vorhaben abgebracht hatte. "Komm mit!", wandte er sich wieder mir zu und zügig liefen wir wieder zurück in Richtung Treppenhaus, in dem es so intensiv nach Desinfektionsmittel roch, dass mir der Atem wegblieb. Schließlich gelangten wir in die Notaufnahme. Dort war gerade ein Krankenwagen eingetroffen. Rundherum wuselten ein halbes Dutzend Sanitäter. Schnell wurde eine Trage aus dem Transporter geschoben.

Plötzlich hörte ich hinter mir eine Frauenstimme. "Sind Sie die neue Praktikantin?!", fragte sie mich. Ich brachte es gerade so zustande zu nicken, so begeistert war ich von der Organisation, die hier herrschte. Klar war ich schon häufig in Krankenhäusern gewesen, ob als Patientin, Besucherin oder eben als Studentin, die sich an ihrem zukünftigen Arbeitsplatz umschauen sollte. Aber jedes Mal faszinierte es mich aufs Neue. Alles lief hier Hand in Hand, jeder hatte seine zugeteilte Aufgabe. Nur so konnte es hier funktionieren. Als ich mich in die Richtung wandte, in der ich die Stimme vermutete, sah ich gerade so, wie eine blonde Ärztin, mir andeutete ich solle ihr folgen. Sie hatte die Trage mit dem Patienten gerade in Empfang genommen und lief nun neben ihr her. Ich hinterher. Ich bekam es gerade so mit, wie einer der Sanitäter eine Krankenakte vorlas. "Schwere Kopfverletzung, ansonsten nur Prellungen. Der Patient wurde noch knapp aus einem U-Bahn-Schacht gerettet, vermutlich war Alkohol im Spiel. Ach ja, ähm... 40 Jahre alt und Name: Fitz. Florian David Fitz. Die Blonde nickte zufrieden, während sie bereits die Platzwunde mit ihrem geschulten Auge musterte. Aber mir spukte gerade ein anderer Gedanke im Kopf herum: Florian David Fitz... wo hatte ich diesen Namen schon mal gehört??

Allerdings hatte ich jetzt erstmal keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich begleitete die Ärztin und Herrn Fitz in einen  Behandlungsraum, wo sich herausstellte, dass er zwar die Augen geschlossen hatte aber bei vollem Bewusstsein war. Ich säuberte, ganz nach Anweisung der blonden Ärztin, die wie ich erfuhr, Helena Seyfried hieß, den tiefen Schnitt, der sich schräg über die Stirn des Patienten zog. Vertieft in meine Arbeit, bemerkte ich plötzlich, dass Herr Fitz die Augen geöffnet hatte. Diese waren grün und leuchteten, als hätte man eine Taschenlampe dahinter angeknipst. Auf mich hatten sie eine hypnotisierende Wirkung. Ich wollte in sie eintauchen, wie in einen von Algen gesäumten See, nachforschen was sich dahinter verbarg. "Fräulein Sommer, ich weiß Sie sind nur Praktikantin, aber eine Wunde säubern, das werden Sie ja gerade  noch auf die Reihe kriegen, oder?", wurde ich von Frau Doktor Seyfried aus meinen Gedanken gerissen. Schnell wand ich mich wieder meiner Aufgabe zu und bemerkte, dass ich aus Versehen das Blut fast auf dem kompletten Gesicht von Herrn Fitz verteilt hatte. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Zügig versuchte ich meinen peinlichen Fehler rückgängig zu machen, aber dabei entging mir das kleine Lächeln nicht, das sich auf einmal auf den Lippen meines Patienten breitmachte.

Florian und LeonieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt