Unterstellungen

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SANDOR

Er hatte reagiert bevor er überhaupt nachdenken konnte. Die Wirkung die er gewollt hatte, hatte er mit Gewissheit erzielt. Shaari sah mitgenommen aus und ängstlich, wie sie mit angezogenen Beinen auf dem Sack hockte und ihn nicht aus den Augen ließ, während sie sich über den schmerzenden Hals rieb, der bestimmt bald einige blaue Flecke aufweisen würde. Das hatte er ja wieder wunderbar gelöst. Aber entschuldigen würde er sich dafür gewiss nicht, auch wenn es ihm irgendwo leid tat. Mitleid half niemandem und ihm schon gar nicht. "Hast du das verstanden?", setzte er hingegen noch einmal deutlich nach mit einer Stimme die unfreundlicher und drohender klang, als er es gewollt hatte.
Shaari aber nickte nur kurz und hustete leise, es würde wohl eine Weile dauern, bis ihr das Sprechen nicht mehr weh tun würde. Manchmal hatte er die Kraft die er besaß kaum unter Kontrolle, demnach hatte er in der Wut fester zugegriffen, als er es vielleicht ursprünglich gewollt hatte. Ihr Hals hatte sich weich und zerbrechlich angefühlt. Sie war das komplette Gegenteil von ihm. Hilfsbereit, zierlich, weich, freundlich und scheinbar nicht nachtragend... wenn man bedachte, was er alles schon getan hatte. Sandor hatte genau genommen ihr Leben ruiniert und bis auf den Zusammenbruch gestern, der wohl auch den Taten von Arnor geschuldet war, hatte sie sich so benommen wie er sie kennen gelernt hatte.
Shaari hatte ihm keine Vorwürfe gemacht, ihn nicht den Dörflern überlassen oder ihn gar raus geschmissen. Wobei letzteres gegen seinen Willen eher eine vergebliche Mühe wäre. Wie so oft stellte er fest, dass sie gegen ihn keine Chance hatte, wenn man den körperlichen Aspekt in Betracht zog, aber auf der anderen Seite wies sie eine Stärke auf, die ihm zu fehlen schien. Genau wollte er das jetzt nicht auseinander pflücken und kehrte den Gedanken vertreibend zum Bett zurück. Murrend legte er sich wieder hin und versuchte wieder ein zu schlafen. Allerdings wollte sich nichts dergleichen einstellen. Gern wäre er nach draußen gegangen, um zu trainieren, aber er hatte sein Bein heute schon genug mit dem Ausritt gefordert, er sollte sich ausruhen.
Er drehte sich leicht zu Shaari, die sich wieder hin gelegt hatte und stumm in die Flammen im Kamin starrte. Offenbar hatte er sich nicht nur selbst um den erholsamen Schlaf gebracht.
"Wo warst du eigentlich?", hakte er schließlich nach und beobachtete sie weiter.


SHAARI

Sie brauchte eine ganze Weile, um sich wieder zu fangen und nickte nur, als er das sagte. Sprechen konnte sie momentan nicht, als sie es versuchte musste sie husten. Shaari legte sich hin und versuchte das eben Geschehene aus zu blenden, um endlich zu schlafen. Immerhin hatte sie einen harten Tag hinter sich und der Morgige würde vermutlich nicht besser werden. Als er dann wieder ins Bett ging blickte sie ihm kurz nach, bevor sie stumm in die Flammen im Kamin starrte und nachdachte. Morgen würde sie damit beginnen ihre Tiere und die Sachen die sie nicht benötigen würde zu verkaufen. Vielleicht fand sich auch jemand der das Grundstück wollte auf dem sie lebte. Sie brauchte dringend eine Grundlage für einen Neustart, denn es graute ihr, hier den Winter zu verbringen. Inmitten von Leuten, die sie wie eine Aussätzige behandeln würden, es sei denn sie benötigten ihre Fähigkeiten. Zum einen behagte es ihr nicht, sie zurück zu lassen, da sie die Einzige war, die Ahnung von Verletzungen und Krankheiten hatte, zumindest Ahnung die über Hausmittelchen hinaus ging. Zum anderen konnte sie nicht unbedingt auf die Unterstützung der Dorfleute zählen, die hatte sie eindeutig verloren und es war zu riskant hier zu bleiben, da die Gesetzlosen aus Saltpans zu leicht hier her kommen konnten. Sie brauchte einen sicheren Ort, vielleicht konnte sie einige Zeit bei ihren Eltern unter kommen, oder bei einem ihrer Brüder....
Das konnte heiter werden, dachte sie sich düster. Immerhin hatte sie ihre Familie seit Jahren nicht mehr gesehen. Seit sie mit Eldred nach Rivers gegangen war.... Vielleicht sollte sie diese Entscheidung nun bereuen. Shaari hoffte nicht. Eine andere Option hatte sie auf die Schnelle nicht und sie glaubte auch, dass ihre Eltern ihr helfen würden. Immerhin war sie ihre Tochter und sich auch nicht für Arbeit zu schade. Eventuell konnte sie sich in Gulltown dann auch ein neues Leben aufbauen. Seufzend brachte sie sich in eine bequemere Position, sie sollte sich jetzt ausruhen. Etwas später wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und sah zu Sandor, der sie nach ihrem heutigen Tag fragte. Kurz runzelte sie die Stirn, dass er jetzt fragte kam unerwartet. Eher hatte sie damit gerechnet, dass er sie völlig ignorieren würde, um still vor sich hin zu brüten oder zu schlafen... oder aber er durchbohrte sie mit finsteren Blicken, was er wahrlich sehr gut konnte. Shaari räusperte sich leise und rieb sich kurz über den Hals.
"Im Dorf. Flüchtlinge aus Saltpans, das von Geächteten und Gesetzlosen angegriffen wurde, sind hierher gekommen. Ich wurde gebeten ihre Wunden zu versorgen.", meinte sie mit noch immer rauer Stimme, dank dem Würgegriff seitens Sandor.
Vielleicht fühlte er sich auch etwas schuldig und versuchte so, wieder etwas bessere Stimmung zu erzielen? Sie konnte es nicht ganz nachvollziehen, aber es sollte ihr recht sein, solange sie nicht über seine Vergangenheit redeten, auf die er offenbar so schlecht reagierte.
"Und an was denkst du jetzt?", ertönte eine weitere Frage von ihm und Shaari zog überrascht die Augenbrauen nach oben.
DAS kam unerwartet. Anscheinend tat ihm seine Reaktion doch leid. Sie erwartete aber keine Entschuldigung von ihm. Allein, dass sie jetzt dieses Gespräch zu führen schienen kam seinerseits einer Entschuldigung gleich. Zumindest schätzte sie das so ein. Dann lächelte sie leicht, vielleicht einen Hauch herablassend, als sie erwiderte: "Daran wie unangemessen deine Reaktion war, als du mich gepackt und gewürgt hast. Das habe ich nicht verdient und das weißt du ganz genau.", sagte sie und sah ihn nun ihrerseits finster an. Shaari lehnte sich damit wieder weit aus dem Fenster und sie musste hart schlucken. Nach wie vor verspürte sie einen kalten Stich der Angst, wenn sie an die raue Kraft dachte, über die er verfügte. Diese Gefühle von Unsicherheit und Angst zeigte sie jedoch nicht nach außen, das würde die Wirkung ihrer Worte völlig zerstören.
Aber offensichtlich musste sie nicht mit einer weiteren derartigen, überzogenen Reaktion rechnen, denn er brummte nur abfällig, warf ihr einen bösen Blick zu und drehte sich dann weg, so dass sie einen guten Blick auf seinen breiten Rücken hatte. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie glauben er war eingeschnappt. Der Mann überraschte sie immer wieder aufs Neue.

Der Bluthund  (Game of Thrones FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt