2. Kapitel

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Grummelnd stapfte ich die Straße entlang und zog meinen Mantel fester um mich. Mom hatte mich zum Einkaufen geschickt, da sie meinte, ein bisschen frische Luft täte mir sicher gut. Na schön, ansonsten wäre ich wahrscheinlich an der Luft in meinem Zimmer erstickt.

In der einen Hand trug ich eine riesige Tüte voll mit "Kleinigkeiten", die ich besorgen sollte.

Diese "Kleinigkeiten" waren verdammt schwer.... Beim Gehen stieß ich weiße Wölkchen aus, von meinem schweren Atem. "So was sollte man wirklich keinem Mädchen zu trau....!"

Während ich so vor mich hin grummelte, stolperte ich über einen Stein und stürzte. Ich glaube es ist ein Zeichen, das ich Momentan meine Sätze nicht vervollständigen kann, dachte ich noch während der Betonboden näher kam. Da ich mit der einen Hand die Tasche festhielt, hatte ich nur einen Arm frei um mich abzufangen, obwohl ich reflexartig die Tasche losließ. Erst als ich spürte, wie der Beton mir die Haut vom Handballen abschabte, schrie ich erschrocken auf. Trotzdem knallte ich der Länge nach hin und auch in meinem Knie explodierte ein Schmerz. "Scheiße, Aua", fluchte ich los und rappelte mich wieder so auf, dass ich saß. Der Inhalt der Tüte war auf die Straße gerollt. Ich wette die Hälfte davon war unbrauchbar. Vor allem die Gläser.... dabei brauchten wir das Geld dringend...

Während ich mit den Augen starr einen Apfel über die Straße rollen verfolgte, bemerkte ich auf der anderen Straßenseite jemand anderen. Er stand nur dort und bückte sich, um den Apfel aufzuheben.

Und da erkannte ich ihn und es weiteten sich meine Augen.

"DU!", entfuhr es mir. Er sah zu mir herüber und schien verwirrt. Ich stand wackelig auf und spürte wie das Blut herunter lief, aber ich wollte vor ihm lieber einen möglichst starken Eindruck machen. "Du!", sagte ich wieder und stapfte möglichst selbstbewusst auf ihn zu. Ich humpelte ein bisschen, ließ mir den Schmerz aber nicht anmerken. "GIB MIR DEN APFEL!", schnauzte ich ihn an. Okay. Ja. Ich reagierte über und eigentlich ging es mir nicht um den Apfel, sondern um das, was in der Zeitung gestanden hatte.

Mit leicht gekränkter Miene reichte er mir den Apfel und ich riss ihn ihm fast aus der Hand. Dann schob er sich wortlos an mir vorbei und nahm die Tüte vom Boden. Ich war verwirrt und drehte mich um. Sorgfältig hob er alles auf, was auf den Boden gefallen war und packte es wieder ein. Ich starrte ihn lediglich mit offenen Mund an und beobachtete ihn dabei. Anders als ich ihn getroffen hatte, trug er heute eine Jacke über seinem grauen Shirt. Doch sonst genauso frisch angezogen wie letztes mal. Er hatte irgendwie einen matten Ausdruck im Gesicht und tiefe Augenringe, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Schließlich ging er wieder zu mir hinüber und sagte, sehr untypisch für Jungs, sehr leise: "Hier."

Ich schwieg und war völlig geplättet. "Uhm...", stammelte ich. Er blieb weiter hin mit ausgestrecktem Arm stehen und murmelte: "Ach so. Deine Hände tun weh." Ich schaute erst auf meine blutverschmierten Hände, dann auf die (tonnenschwere!) Tüte und dann in sein Gesicht. "Uhm... ja", antwortete ich schließlich, auch wenn mir was ganz anderes durch den Kopf ging. Er nickt langsam. "Ich trage sie dir nach Hause."

Was? Da durchfuhr es mich: Der wollte alle Zeugen verschwinden lasse. Wenn er der Mörder des Mannes war, dann war ich ja ein wichtiger Zeuge. Klar, der wollte jetzt wissen wo ich wohne und mich Nachts heimlich umlegen. ABER NICHT MIT MIR!

"Nicht nötig", zischte ich und nahm ihm eine Tüte ab. Wenn ich zu Hause war, meldete ich ihn der Polizei.

Moment, was war, wenn er mich verfolgte? Oder sich um entschied und mich gleich hier abmurkste? Während meine Gedanken sich überschlugen und meine Hände sich anfühlten als würden sie gleich vor Schmerz abfallen, schaute er mich nur wortlos an. Sein Blick sah jetzt etwas traurig und noch gekränkter als vorher aus. "Wie du meinst." Er drehte sich um und ging davon, in die andere Richtung. Ich blieb stocksteif gehen. Wie jetzt? Er nahm das einfach so hin?

Meine Hände fingen Feuer und ich musste sie mit schmerzverzerrten Gesicht wieder hinstellen. .... Mein Gott, dass war lediglich ein komischer Typ, der Glühwürmchen fangen wollte. Er hat mich ja nicht mal wieder erkannt! Ich drehte den Kopf. "Warte!", rief ich etwas verlegen. Er schaute über die Schulter. "T-Tut mir leid. Könntest du mir helfen?" Yeah. Fast alles was er von mir hörte war gestottert oder in einem Zickenton. Der dachte bestimmt ich bin schwanger oder so. Er schien nachdenklich. Dann machte er kehrt und kam zu mir, nahm die Tüten in die Hand und guckte erwartungsvoll. Ich ging ebenfalls schweigend vor, um ihm den Weg zu zeigen.

"Danke", sagte ich lächelnd zu ihm. Wir standen vor meiner Haustür, nachdem wir, ohne ein Wort, nebeneinander nach Hause gegangen sind. Anscheinend sprach er nicht sonderlich viel...

"Kein Problem", sagte er nun und stellte die Tüten vor der Haustür ab.

"Wie heißt du eigentlich?", fragte ich, da ich es für angebracht hielt, nachdem ich so mies zu ihm gewesen war und er mir geholfen hatte.

"Cassian", sagte er nach einem kurzen Zögern. "Vielen dank Cassian! Ich heiße (Name), tut mir echt leid für vorhin. Ich bin etwas... paranoid." Ich kicherte verlegen und kratze mich am Kopf. Ich hörte wie er ein paar mal meinen Namen murmelte und winkte ab. "Kein Problem..."

Da ging plötzlich die Tür auf. "Oh! Ich habe mir schon sorgen gemacht (Name)! Ist das ein Freund von dir?" Meine Mutter plapperte sofort drauf los und erschrak als sie meine kaputten Knie sah. Ich hob die Hände. "Alles okay Mom. Ich bin gestolpert und...", ich deutete auf den schwarzhaarigen, "Cassian hat mir geholfen."

"Cassian, huh?" Mom ging zu ihm und reichte ihm die Hand. "Freut mich dich kennen zu lernen! Danke, dass du meiner tollpatschigen Tochter geholfen hast!" "Hey", brummte ich.

Cassian stand einige Zeit stumm vor meiner Mom und nahm dann ihre Hand und wurde durchgeschüttelt. "Komm doch rein, Cassian. Ich habe sowieso Kuchen gemacht, da können wir uns revangieren! Und (Name), du gehst und machst die Wunden sauber, nachher entzünden sie sich noch!"

Cassian sah etwas überrumpelt drein, als er von Mom ins Haus geschoben wurde und ich folgte ihnen seufzend.

Nachdem ich also mein Aua Bubu behandelt hatte, trottete ich nach unten, wo Mom Cassian zuquatschte.

".... Wo wohnst du denn überhaupt?"

"Überall."

"Überall?"

"Ja..."

"Also hast du kein festes zu Hause?!"

"....Nein"

Ich blieb hinter der Wand stehen und wurde hellhörig. Hatte er deshalb auf der Bank gesessen? Weil er kein zu Hause hatte? Ich spürte einen Stich des Mitleids im Herzen.

"Aber... was ist mit deinen Eltern?", fragte Mom nun verwirrt. Cassian schwieg.

"Entschuldigung... wahrscheinlich willst du nicht darüber reden. Möchtest du eine Weile bei uns bleiben? Ich meine bis das alles geregelt ist und so...." Ich riss die Augen auf. Spinnt Mom total?! Wir leideten sowieso schon unter Geldmangel... aber... andererseits tat mir Cassian wirklich verdammt leid. Ich ging nun auch durch die Tür und sagte: "Ich bin dafür."

Cassian starrte uns beide an als wären wir verrückt, was wahrscheinlich auch so war. Schließlich war er eigentlich ein völlig Fremder, und bis vor kurzem hielt ich ihn für einen Mörder. "Aber... ich will niemanden zur Last fallen", sträubte er sich, doch Mom schnitt ihm das Wort ab. "Quatsch, du hilfst einfach ein bisschen im Haushalt, das hilft mir schon total!"

"Aber..."

"Nichts aber! Ich habe das jetzt so beschlossen!", sagt Mom fröhlich. Jaja, sie war stur. So wie ich. "Du kannst in Dads altem Büro schlafen", schlug ich vor. Dort gab es ein kleines Sofa, wo er hoffentlich drauf schlafen konnte. Ich ging schnurstracks zu ihm herüber, packte ihn am Handgelenk und zog ihn hinauf. Dads Büro war neben meinem Zimmer, gegenüber vom Badezimmer. "Hier", ich lächelte und deutet auch auf das Bad. "Dort ist die Dusche und Toilette." Ich beschloss ihn erstmal allein zu lassen und das alles zu verarbeiten. Er stand etwas ratlos vor der Tür und sagte nichts. Ich zuckte die Schulter und ging in mein Zimmer und schmiss den PC an. Falls er was brauchte, würde er mich schon fragen.

Die Google-Startseite ploppte auf und ich machte, wie so oft, jagt auf neue Storys.

CassianXReader (Creepypasta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt