1. Kapitel

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Es war schon fast tiefste Nacht, als ich von meiner Freundin nach Hause kam. Sie war nicht mitgekommen, schließlich hätte sie dann selbst allein nach Hause gemusst. Etwas mulmig war mir schon, so ganz allein durch den dunklen Park nach Hause... Die trockenen Äste der Bäume kratzten am tiefschwarzen Himmel und das Knirschen des Kies unter meinen Sohlen war das einzige Geräusch weit und breit. Hätte nur noch Nebel und nen paar Grabsteine gefehlt und es wäre die perfekte Horrorfilmscene geworden. Hach ja....

In Gedanken versunken ging ich also diesen Weg entlang und summte leise etwas. Umso mehr erschrak ich, als ich dort jemanden auf der Bank hocken sah. Es gab hier keine Lampen, so sah ich nur ein leichenblasses Gesicht und ein graues, weites T-Shirt. Es war Winter und ich dick eingemummelt in Jacke, Schal, Handschuhe und weißderHerrnoch. Daher runzelte ich sehr verwirrt die Stirn, als ich diesen Jungen dort im T-Shirt sitzen sah. Wie ein potentieller Vergewaltiger sah er jedoch nicht aus, also gab ich meiner Neugierde nach und ging zu ihm. Nun erkannte ich auch seine zerzausten, schwarzen Haare, auf denen sich eine kleine Schneedecke gebildet hatte.

Jetzt wo ich vor ihm stand, wusste ich nicht wie ich ihn ansprechen sollte. Unsicher beobachtete ich, wie er langsam die Hand ausstreckte und zu einer Faust ballte. "Ähm....", setzte ich an. Wir verweilten eine Weile so, bis er die Hand wieder öffnete und hinein schaute. Sie war leer, aber er starrte sie fasziniert an. "Ähm....", wiederholte ich äußerst intelligent.

Stille.

"Was machst du da?", schaffte ich es nun zu fragen.

Stille.

Dann murmelte er leise: "Ich fange die Glühwürmchen."

Stille.

Okaaaaay.... Kein Vergewaltiger, sondern ein Besoffener. Mit Wahnvorstellungen.

"D-Da sind keine.... Glühwürmchen. Wir haben Winter....", stotterte ich wegen meiner Verwirrung. Er schwieg kurz und meinte dann. "Wirklich...?" Er klang irgendwie wütend und frustriert. Dafuq? Okay, ich verschwinde lieber schleunigst, bevor er irgendwie ausrastet oder so.

"Ich ehm... gehe jetzt...", sagte ich und ging mit schnellen Schritten weiter. Er sagte nichts, sondern starrte mit traurigen Blick gerade aus. Kurz erhaschte ich einen Blick auf seinen Arm, welcher mit schwarzen, dünnen Schatten übersäht war, mehr konnte ich wegen der Dunkelheit nicht erkennen.

Zu Hause angekommen, legte ich den Schlüssel auf die Kommode und rief leise: "Mom, bist du noch wach?" Ich erhielt keine Antwort und lugte ins Wohnzimmer, wo sie normal saß und in einem ihrer vielen Bücher las. Doch es brannte kein Licht, also ging ich davon aus, dass sie schon schlafen gegangen war.

Seufzend machte ich mich auf den Weg nach oben, machte einen kurzen Abstecher ins Bad, kämmte meine Haare und putzte meine Zähne.

Als ich dann mit Nachthemd im Bett lag, konnte ich nicht schlafen. Irgendwie blieben meine Gedanken bei dem seltsamen Jungen hängen, den ich getroffen hatte. Wie lange saß er wohl schon da? Und im T-Shirt.... bestimmt war ihm kalt. War er aus einer Anstalt geflohen oder so? Ich meine.... Glühwürmchen?!

Seufzend rollte ich mich auf die andere Seite. So blass wie der war, hatte er auch keinen guten Tag gehabt.

Meine Eltern hatten sich vor kurzen getrennt, nicht im Streit, aber es belastete mich schon irgendwie, da mein Dad jetzt sehr weit weg wohnte und viel, meiner Meinung nach ZU viel, arbeitete. Ja ich gebs zu: Ich war ein Papa-Kind, okay? Hinzu kommt, dass meine Freundin Kate sich mit ihren Freund zerstritten hatte. Und das war natürlich dramatisch.

Ich seufzte genervt in mein Kissen. Dieses Rumgeheule war wirklich nicht meins. So gern ich sie hatte, aber es regt schon auf, wenn man nur vorgeschnieft bekommt, wie kacke es einem doch geht.

Ich zog mir meine geblümte Decke bis zur Nasenspitze hoch und meine Gedanken drifteten ins Land der Träume.

Am Morgen wurde ich von der grellen Sonne geweckt, die mir ins Gesicht knallte. Ich hatte letzte Nacht wohl vergessen die Jalousien runter zumachen, sehr zum Leiden meiner Augen. "Eeehhhhh......!", brummte ich, genauso genervt, wie ich eingeschlafen war. Mit zusammen gepressten Augen tastete ich mich aus dem Bett, stolperte natürlich über irgendwas, was in meinem Chaoszimmer herumflog und knallte auf dem Boden, mit einem Bein noch im Bett. "Verdammt noch m....!" Bevor ich den Satz beenden konnte, viel mir mein Wecker auf den Kopf, den ich bei all dem Chaos am Kabel herunter geragt hatte. "Aua!"

"Schatz? Alles okay?", fragte Mom und steckten den Kopf zur Tür rein. Mit halboffenen Augen sah ich, wie sie die Stirn runzelte. Ganz verübeln konnte ich es ihr bei dem Anblick nicht. "Ja, alles klar", brummte ich darauf hin und kämpfte mich aus meiner Decke, in der ich mich verheddert hatte. "Vielleicht solltest du einfach mal aufräumen....?", meint sie schon eher im fragenden Ton. Normalerweise hätte ich ihr jetzt 100000 Argumente entgegengeschleudert, warum ich keine Zeit/Lust/wasauchimmer hätte und das es gar nicht so unaufgeräumt wäre.

Aber jetzt quittierte ich es lediglich mit "Mhm..." und rappelte mich auf. Meine Mom war eine relativ alte, aber gut aussehende Frau. Nur die tiefen Sorgenfalten zeigten, das sie nicht so unbeschwert war, wie sie immer tat. Ja, wir hatten im Moment viele Geldsorgen, da sie ihre Arbeit verloren hatte. Doch Dad unterstützt uns so gut er kann.

"Frühstück?", fragt sie jetzt mit einem Lächeln. Ich nickte schläfrig und verzichtete darauf mich anzuziehen. Gähnend schlich ich ihr im Nachthemd hinterher und ließ mich auf den Küchenstuhl fallen, eine Schüssel mit Cornflakes vor mir. Mom saß mit einem Kaffe in der Hand neben mir und studierte die Zeitung. Plötzlich schüttelte sie den Kopf und meinte: "Sowas..." "Hmf?", fragte ich mit vollem Mund und beugte mich über die Zeitung.

Dort stand ein großer Artikel, über einem Mord drin, der letzte Nacht im Park passiert sein soll. Mir blieb mein Essen im Hals stecken und ich fing an zu husten. Letzte Nacht im Park? Verdammt, das hätte ich sein können....

Mom, die das nun anscheinend auch kapiert hatte, hielt inne und klopfte mir auf den Rücken.

Sie schwieg, auch wenn die Falten sich vertieften und mich besorgt und nachdenklich musterten. Ich nahm die Zeitung in die Hand und las mir den ganzen Bericht durch. Viel stand nicht drin, ein "normaler" Mord mit einem Stein, keiner weiß wer der Mörder ist. Ich starrte die Telefonnummer darunter an und dachte an den Jungen, den ich getroffen hatte. Da das Opfer 35 gewesen war, konnte er das unmöglich sein. Hatte er was damit zu tun....?

Ich legte die Zeitung wieder weg. Nie und nimmer hatte der Freak jemanden umgebracht. Der hat wahrscheinlich die ganze Nacht Glühwürmchen gesucht. "Ich brauche dir ja nicht zu sagen, das du dich bitte vom Park fern halten sollst und nicht mehr allein Nachts herumstreunst oder...?", fragte Mom und ich verneinte. Natürlich würde ich mich erstmal nicht mehr dort blicken lassen. Den Ferien sei dank, dass ich nun keinen Umweg gehen musste, um zur Schule zu gelangen.

Ach, ich hatte sowieso nicht vor raus zu gehen (Solange ich nicht musste). Ich ging lieber meinen Hobbys nach. Wenn man zocken und lesen als wirkliche Hobbys bezeichnen kann.

Die Liebe zu Büchern, hatte ich von meiner Mutter geerbt, wobei es bei mir noch etwas weiter ging. Ich liebe Creepypastas und durchstöbere das Internet dauernd nach einer neuen Reihe, die ich verschlingen kann. Sachen wie "The Holders" oder die "Sleepless" Reihe habe ich schon lange durch.

Ich stapfte nach oben und fegte den ganzen Müll vom Schreibtisch um an meine Tastatur zu kommen. Mein Desktop ploppte auf und Jeff grinste mir entgegen. Glücklich streckte ich mich noch einmal, bevor ich in den Tiefen des Internets verschwand.

CassianXReader (Creepypasta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt