Als ich am Freitagnachmittag nach der Uni meine Mails checkte, stellte ich verwundert fest, dass ich eine Zusage für mein Praktikum in dem nächsten Monat erhalten hatte. Die Mitteilung kam von der Firma FastCars, die verschiedene Autoteile herstellte. Sie war eine knappe Stunde von Miami entfernt.
Mein Tag war gerettet! Ich freute mich wirklich wahnsinnig und war seit langem mal wieder richtig glücklich. So glücklich, dass ich sogar beschloss am Abend vor Collins Party noch zum Volleyballtraining zu gehen.
Ich packte also meine Sportsachen zusammen - Knieschoner, Laufschuhe, Trikot und Sporthose -, verabredete mich mit Quentin und machte mich gegen 18 Uhr auf dem Weg zur Sporthalle, die von der WG in einer Viertelstunde zu Fuß zu erreichen war.
Quentin war mein einziger männlicher Freund, den ich über die Volleyballmannschaft kennengelernt hatte. Er war irgendwie anders als die anderen Jungs und gerade deshalb verstand ich mich mit ihm richtig gut. Er lachte nicht, wenn es nichts zu lachen gab, er verstand mich alleine durch meine Mimiken und Gestiken und er konnte sich nur zu gut in mich hinein versetzen. Er verstand sogar meine Abscheu gegenüber den meisten Jungs.
Nachdem ich mich in der Umkleidekabine umgezogen hatte und mit dem Rest der Mädels aus meiner Mannschaft in Richtung Halle schlenderte, kam unser Trainer direkt auf mich zu. Er trug wie immer seinen dunkelblauen Sportanzug und hatte seine für einen Mann viel zu langen dunklen Haare zu einem kleinen Zopf zusammen gebunden. Mein Gesicht errötete sofort, weil ich wusste, wie wütend er auf mich sein würde.
„Leila, wo warst du die letzten zwei Wochen?!". Mr. Merten warf mir böse Blicke zu und meine gute Laune vom Nachmittag war schon wieder fast dahin geschmolzen.
„Tut mir echt Leid, ich hatte in letzter Zeit so viel zu tun", versuchte ich mich rauszureden, während ich bemerkte, dass die anderen um uns herum anfingen zu lachen. Sie verfolgten unser Gespräch genau mit, aber ich wusste nicht, ob sie auf meiner Seite oder auf der meines Trainers waren. Verdammt, es war mir alles einfach nur noch schrecklich peinlich!
„Die anderen studieren auch. Die anderen müssen dieselben Aufgaben bewältigen wie du, aber sie schaffen es trotztem zweimal die Woche hier aufzutauchen. Wenn du dich für diesen Sport entscheidest, solltest du deine Mannschaft nicht im Stich lassen! Ich sage es jetzt nicht noch einmal, aber so langsam reicht es mir einfach."
Er wartete gar nicht erst auf eine Antwort von mir. Er hatte seine Hände zu Fäusten zusammen geballt und warf mir immer noch finstere Blicke zu, man sah ihm nur zu gut seine Wut an. Dann wendete er sich endlich wieder der ganzen Mannschaft zu (wenn alle da waren, was selten vorkam, waren wir fünf Mädchen und sechs Jungs) und ich atmete erleichtert aus.
Mein Trainer war nicht ganz unschuldig daran, dass ich ziemlich unregelmäßig zum Training erschien. Es kotzte mich einfach an, dass er meinte, den Sport an erste Stelle setzten zu müssen. Volleyball war schließlich nicht mein Leben, sondern einfach nur ein Hobby!
„Vergiss das einfach", flüsterte mir Quentin von der Seite zu und versuchte mich mit einem Lächeln aufzumuntern. „Danke." Ich grinste zurück, war aber immer noch nicht ganz in der Stimmung.
Erst, als wir mit dem Aufwärmen fertig waren und mit dem vier gegen vier starteten, fühlte ich mich wieder ein bisschen besser.
Quentin und ich waren glücklicherweise im selben Team, sodass wir ab und zu die Gelegenheit hatten miteinander zu quatschen. Wir sahen uns außerhalb des Trainings fast nie, weil er nicht bei derselben Uni studierte und am anderen Ende der Stadt wohnte. Schade irgendwie.
„Was geht heute Abend?", wisperte er mir zu, als wir gerade einen Punkt erzielt hatten und Amy mit dem Ball an das Ende des Feldes joggte, um einen Aufschlag zu machen.
„Ich muss zu einer Geburtstagsparty", sagte ich, wobei ich dasmuss ganz besonders streng betonte.
„Zu Collin?". Ich nickte und er fuhr fort. „Freu dich doch, wird sicher mega cool. Ich bin auch dabei."
Ich wunderte mich, warum Quentin eingeladen war, war aber zu abgelenkt, um mir Gedanken über seinen Freundeskreis zu machen. Stattdessen bejahte ich nur und musste dann den Ball annehmen, der von dem gegnerischen Team in meine Richtung geschlagen wurde. Weil Tina den Angriffsschlag ausübte, kam der Ball nicht ganz so hart und flach.Nach dem Training versammelten wir uns noch einmal alle um Mr. Merten. „Sah ja heute ganz gut aus, Leute!", rief er. „In einem Monat beginnt die Meisterschaft, wir sollten bis dahin also alle noch einmal richtig Gas geben."
Seine Blicke wanderten von Tina zu Quentin, bis er schließlich bei mir Halt machte. „Es kommt auf jeden einzelnen an, denn das Wichtigste in einer Mannschaft ist der Zusammenhalt. Ich hoffe, ich habe mich damit klar ausgedrückt."
Das waren seine Abschiedsworte. Dann riefen wir ihm noch alle ein „Ciau" oder „Bis bald" zu, bevor wir zur Umkleidekabine schlenderten und duschten.
In meinem Kopf herrschte ein richtiges Chaos, weil ich wusste, dass er Recht hatte. Wegen seinen Worten hatte ich sogar eine Gänsehaut. Ich musste unbedingt wieder öfter und vor allem regelmäßig ins Training kommen.

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Nobody is perfect
RomanceLeila, ein 18-jähriges Mädchen an der University of Miami, versucht sich schon seit einiger Zeit von Jungs fernzuhalten, was bei ihrem Studiengang nicht gerade einfach ist. Doch dann trifft sie auf den geheimnisvollen Maik und ihr Leben verändert si...