Ich war auf 180, als ich Paula und Finn im Augenwinkel knutschend neben dem Pool entdeckte und in einem rasenden Tempo an ihnen vorbei zum Ausgang maschierte. Sie bemerkten noch nicht einmal, dass ich gehen wollte, weil sie viel zu beschäftigt mit sich selbst waren. Das alles war natürlich wichtiger als eine beste Freundin!
Ich war so wütend und enttäuscht zu gleich, dass ich fast gegen einen Typen knallte. „Pass doch auf!", schrie ich, und rempelte ihn an ohne ihn eines einzigen Blickes zu würdigen. Erst, als dieser nach meinem Oberarm griff, realisierte ich, dass Quentin vor mir stand.
„Was ist denn mit dir los?". „Was mit mir los ist?!", fauchte ich ihn an, und blieb mit verschränkten Armen vor ihm stehen. „Es ist alles scheiße! Jungs sind scheiße und meine Freunde scheißen auf mich und meine Gefühle! Ich kann und will einfach nicht mehr, alle sind nur noch gegen mich! Überall geht es immer nur um Liebe hier, Sex da, aber sowas wie normale Freundschaft kennt ja keiner mehr!".
Er ließ mich wieder los, sah mich einige Zeit mit entschuldigenden Blicken an und kam dann ein Stück näher, um mich zu umarmen.
Ich konnte meine Tränen einfach nicht mehr länger zurück halten und drückte mein Gesicht schließlich an Quentins T-Shirt, damit mich so kein anderer sehen würde. Ich hatte mich an diesem Abend wahrscheinlich schon genug blamiert.
Es fühlte sich erstaunlich gut in seinen Armen an. So vertraut und geborgen, aber genau deswegen viel es mir noch schwerer mich wieder aufzurappeln und mit dem weinen aufzuhören.
Quentin legte seine Hände an meine Wangen und zog meinen Kopf zu ihm hoch. Er streichelte mich ein Weile, bevor er mir die Tränen aus dem Gesicht wischte und mir dann einen Kuss auf die Stirn drückte.
Diese Nähe fühlte sich unbeschreiblich gut an, aber eben genau deswegen, weil ich wusste, dass er anders war als die anderen. Und weil zwischen uns nicht mehr als Freundschaft war.
Ich brauchte keinen Freund und diese dämlichen Regeln in einer Beziehung. Ich brauchte einfach das Gefühl, jemanden an meiner Seite zu haben, dem ich vertrauen konnte und der, egal, was passierte, immer für mich da sein würde. Sobald Liebe im Spiel war, war alles viel zu kompliziert.
„Es tut mir Leid", schluchzte ich, und drückte ihn noch ein bisschen mehr an mich.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen", entgegnete er mit einer ungewohnten ruhigen Stimme.
„Ich verstehe, wie du das alles meinst und ich kann das auch wirklich gut nachvollziehen. Er streichelt mir übers Haar und wir mussten ungefähr zeitgleich seufzen.
„Diese Welt ist einfach nur traurig! All die Menschen da draußen werden nur noch von diesem perversen Trieb geleitet. Es geht nur noch um Sex! Es gibt niemanden mehr, der sich bewusst macht, worauf es im Leben wirklich ankommt!".
Ich war so fertig, dass ich immer noch ein bisschen wimmerte. Ohne Quentin wäre wahrscheinlich alles noch schlimmer gewesen und ich war ihm unbeschreiblich dankbar dafür, dass er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.
„Ich verstehe dich", wiederholte er. „Aber du musst das mal von der anderen Seite sehen. Die Menschen brauchen Liebe. Nicht nur freundschaftliche Liebe, sondern auch die sexuelle. Allein das fortpflanzen ist für die Menschheit extrem wichtig. Wir brauchen diese intime körperliche Nähe einfach, es ist unmöglich das ein Leben lang zu verdrängen. Ich verstehe, dass du nach den letzten Jahren genug von Jungs hast. Das weiß ich wirklich! Aber eines Tages wirst auch du dieses Gefühl wieder zu lassen müssen. Und auch, wenn das jetzt noch nicht der Fall ist, solltest du versuchen, dein Umfeld ein wenig zu verstehen. Sie brauchen all das einfach etwas mehr als du."
Ich wollte mich verteidigen und irgendetwas kontern, aber mir fielen auf einmal keine guten Argumente mehr ein. Ich war immer noch wütend und verletzt zugleich.
Vielleicht hatte er wirklich Recht, dass ich den anderen wenigstens ihren Spaß gönnen sollte. Vielleicht hatte ich überreagiert und alles viel zu sehr aus meiner Perspektive betrachtet. Vielleicht hatten sie einfach bessere Erfahrungen mit Jungs, die ich ihnen nicht kaputt machen sollte. Vielleicht hatte einfach immer nur ich Pech. Verdammt, ich wusste doch auch nicht mehr, was richtig und was falsch war.
„Komm doch wieder mit zur Party", sagte er nach einer Weile, als er bemerkte, dass ich aufhörte zu weinen. Ich zuckte nur mit den Schultern und löste mich aus seiner festen Umarmung, bevor ich nach einem Taschentuch aus meiner Hosentasche griff und die letzten Spuren meiner Wut verwischte.
„Das verstehe ich mal als ein Ja", lachte er, und zog mich an meinem linken Oberarm zurück in Collins Garten. „Du wirst sehen, wenn du das alles mal ein bisschen entspannter siehst, wirst auch du heute Abend noch deinen Spaß haben."Quentin behielt Recht. Was den Spaß angelang, amüsierte ich mich natürlich nicht mit irgendwelchen Typen, aber der Alkohol heiterte mich so sehr auf, dass ich doch noch Gefallen daran fand, ein wenig auf der Tanzfläche abzugehen.
Ich entschuldigte mich bei Sam und selbst bei Paula (auch, wenn sie all das nicht einmal mitbekommen hatte) und nachdem sich Sam von dem Unbekannten getrennt hatte, riss ich mit ihr und Quentin einen Witz nach dem anderen - auch, wenn sie noch so sinnlos waren. Wir waren eben betrunken.

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Nobody is perfect
RomansaLeila, ein 18-jähriges Mädchen an der University of Miami, versucht sich schon seit einiger Zeit von Jungs fernzuhalten, was bei ihrem Studiengang nicht gerade einfach ist. Doch dann trifft sie auf den geheimnisvollen Maik und ihr Leben verändert si...