Mysteriöses Angebot

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"Na, Cousinchen, so haben wir uns das Leben hier in Neuseeland aber nicht vorgestellt", seufzte Diana. Ich saß mit ihr auf der kleinen Couch in unserer Wohnung und nippte an meiner Bierflasche. Das Appartement war eindeutig zu klein für uns beide. Drei Zimmer reichten nie und nimmer für zwei Frauen.
Es war jetzt schon ungefähr ein Monat her seitdem wir alles Zuhause in Frankfurt stehen und liegen gelassen haben und uns auf ins Abenteuer gestürzt hatten. Wir erhofften uns viel von Neuseeland und nicht nur eine kleine drei-Zimmer-Wohnung und einen mickrigen Kellnerjob. Ich hatte mich bei gefühlten zisch tausend Architekturbüros beworben, doch immer bekam ich eine Absage vor die Nase geklatscht. Bei Diana lief es nicht anders, sie wollte als Designerin voll durchstarten, doch keiner der Agenturen wollte sie annehmen. Waren wir wirklich so schrecklich?

"Ach, Diana, ich glaube es wäre besser gewesen, wenn wir bei Oma geblieben wären", sagte ich und schnaubte. Diana sah mich erschrocken an. "Nein, auf keinen Fall, alles ist besser als bei Oma! Ich hätte es dort keine Sekunde länger ausgehalten!", sagte sie empört.
Sie hatte ja recht, unsere Oma konnte manchmal echt schlimm sein. Sie bemutterte uns von vorne bis hinten und ließ uns kaum Freiraum. Unserer beide Eltern waren geschieden und lebten mit ihren neuen Partnern quer in Europa verteilt - Meine Mama zum Beispiel zog mit ihrem Lebensgefährten nach Laboe an der Ostsee, und mein Papa lebte in Hamburg. Dianas Mutter zog nach Frankreich und ihr Vater lebte seit einem Jahr in England - und da wir beide noch keine Ausbildung und nichts hatten, beschlossen wir nach der Schule zu Oma zu ziehen und in Frankfurt am Main einen guten Job zu suchen. Dies klappte auch nur mehr oder weniger gut.

"Alice, weißt du wie spät es ist?", fragte mich Diana schließlich. Ich kramte mein Handy hervor und schaute auf die Uhr.
"Gleich fünf, warum?"
"Was?! Schon so spät?", rief sie empört und riss die Augen auf. Dann rannte sie ins Bad und fluchte vor sich hin. Ich stand auf und leistete ihr Gesellschaft. Ich hockte mich auf den Rand der Badewanne und beobachtete meine Cousine, wie sie hektisch Puder, Rouge und Wimperntusche in ihrem Gesicht verteilte.
"Ich hab doch gleich die Verabredung mit Luke", erklärte sie mir, während sie einen Fischmund machte, um das Rouge richtig aufzutragen.
"Mit dem? Ihr kennt euch doch erst seit gestern Abend", sagte ich und zog die Augenbrauen in die Höhe. "Ich weiß Schätzchen, ich weiß. Aber er sieht gut aus und ist Single, da muss man gleich zuschlagen", flötete sie.

Ich verdrehte die Augen und folgte ihr, als sie ins Schlafzimmer eilte. "So, jetzt bist du gefragt, meine Liebe. Was soll ich anziehen?"
Sie stand vor dem Kleiderschrank und kratzte sich am Kinn.
"Nimm doch das rot-gepunktete Kleid", meinte ich achselzuckend.
"Ehrlich? Aber da sehen meine Beine so dick aus", jammerte sie. Ich stöhnte und ging aus dem Zimmer. "Mach was du willst", rief ich, als ich mich wieder auf die Couch fielen lies.
Ich schaltete den Fernseher an und zappte durch die Kanäle. Auf dem einen lief irgend so eine neuseeländische Serie, von der ich nur einmal die Werbung gesehen habe. Ich blieb schließlich auf dem Kanal und schaute sie mir an - ich hatte eh nichts besseres zu tun.

"So, was sagst du." Diana stand vor mir und zupfte sich an den Haaren herum. "Du siehst fabelhaft aus", sagte ich, während ich sie musterte. "Danke mein Herzchen, ich muss schließlich zeigen, was ich habe. Also, bis später dann!" Sie lief zur Haustüre und zog ihre schwarzen High-Heels an, die perfekt zu dem schwarzen Jump-Suit passten. "Aber nicht zu lange, wir haben heute noch Schicht im Diner!", rief ich ihr hinterher.

Dann widmete ich mich wieder ganz meiner Fernsehserie. Sie war eigentlich ganz gut und somit holte ich mir eine Chipstüte und machte es mir auf dem Sofa gemütlich.

Meine Chill-Out-Phase hielt leider nicht lange an, denn plötzlich vibrierte meine Hosentasche. Ich kramte mein Handy heraus und drückte auf die grüne Taste.
Am anderen Ende der Leitung war John, der Besitzer der Bar. Er war etwas älter, hatte graues Haar und eine Brille.
"Alice? Gut, dass ich dich erreiche. Hier in der Bar ist jemand für dich. Komm bitte schnell vorbei." Und dann hörte ich nur noch das monotone tuten der unterbrochenen Leitung.
Verwirrt starrte ich auf mein Handybildschirm und steckte mein Smartphone anschließend wieder in meine Hosentasche.
Ich stand auf, zog Schuhe an und huschte aus der Wohnung.

Es war gerade September, dass hieß Frühlingsanfang in Neuseeland. Die Sonne schien und Vögel zwitscherten um die Wette. Da die Bar nur etwa zehn Minuten von unserer Wohnung entfernt war, ging ich zu Fuß und fuhr nicht mit dem Bus. Ich vergrub meine Hände in den Hosentaschen meiner dunkelblauen Jeans und schlenderte durch die Straßen Aucklands. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch mein Shirt mit der Aufschrift "Ich habe visuellen Tinnitus, ich sehe dauernd nur Pfeifen" anhatte. Ich betete einfach, dass diese mysteriöse Person, die da auf mich wartete, kein Deutsch konnte. Das wäre dann nämlich dezent peinlich. Meine Oma hatte schon immer einen Fable für Shirts mit lustigen Aufschriften... Traurig aber wahr, zu meinem 18. Geburtstag bekam ich eins mit der Aufschrift "Vor dir stehen 18 Jahre purer Sex". Naja, dieses Shirt leistete jetzt den Mülltonnen Gesellschaft.

Als ich in der Bar ankam, ging ich ins Hinterzimmer und trällerte ein gut gelauntes "Hallo!". John kam auf mich zu und schüttelte mir freundlich die Hand. Er beugte sich leicht zu mir rüber und flüsterte: "Dieser mysteriöse Mann im Anzug möchte unbedingt mit dir sprechen. Ich lass euch dann mal alleine."
Und mit diesen Worten verschwand er aus dem Zimmer und ließ mich mit dem Möchtegern Man in Black alleine. Er saß auf einem Stuhl, trug eine dunkle Sonnenbrille und einen maßgeschneiderten Anzug, der wahrscheinlich dreimal so teuer war wie meine Uhr, und die hatte schon 100 Euro gekostet. Ich behandelte sie aber auch wie mein Schatz. Ja richtig, Gollum like.

"Schön Sie zu sehen, Miss Collister, nehmen Sie bitte Platz." Er machte mir mit einer Handbewegung klar, dass ich mich auf den Stuhl gegenüber von ihm setzte sollte. Ganz brav nahm ich Platz und versuchte mich an einem Lächeln. "Sie fragen sich sicher, warum ich hier bin." Ich nickte. "Mein Name ist David Rowbotham und ich arbeite als Manager einer Spendengala-Reihe. An kommendem Samstag wird hier in Auckland eine dieser Galen stattfinden, bei der wichtige Persönlichkeiten Neuseelands kommen, und ich möchte Sie und Ihre Cousine bitten, dort zu bedienen. Ich werde ihnen auch einen angemessenen Preis zahlen." Und somit beendete der Man in Black seine Rede und sah mich erwartungsvoll an. Ich musste aufpassen, dass er mich nicht gleich blitzdingste.
"Eh, ja, also, ich, eh", stotterte ich. Dann fasste ich mich wieder, räusperte kurz und machte meinen Rücken gerade.
"Ich danke Ihnen für das Angebot und nehme es dankend an. Aber eine Frage hätte ich noch, wieso genau ich und meine Cousine? Und woher kennen Sie uns überhaupt?"
Ups, waren doch zwei.
"Miss Collister, einer unserer Stargäste hat sie empfohlen. Er war hier in der Bar und fand Sie auf Anhieb sehr nett und sympathisch. Und da wir eh noch Personal brauchten, schlug er uns Sie und Ihre Cousine vor."
Ich starrte ihn an und zog die Brauen in die Höhe. Dann Biss ich mich kurz auf die Unterlippe und nickte leicht.
"Das wäre dann geklärt." Der Mann stand auf, machte seinen Knopf am Jacket zu und schüttelte mir die Hand. "Alle weiteren Informationen werde ich Ihnen zukommen lassen." Dann ging er aus dem Zimmer und ließ mich perplex zurück. Mit sowas hatte ich an einem Montag wirklich nicht gerechnet. Stargast? Ich und sympathisch? Spendengala? Dass war zu viel für mein kleines Gehirn. Ich benötigte erstmal ein Bier.

"Hey Mister" (Aidan Turner/Dean O'Gorman FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt