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-Tim's PoV-

»Der Körper ist ein Sklave seiner Impulse. Aber das, was uns menschlich macht, ist das, was wir kontrollieren können. Nach dem Sturm, nach der Aufregung, nachdem sich das erste Aufbrausen gelegt hat, können wir uns wieder beruhigen und das Chaos beseitigen, das wir angerichtet haben. Wir können versuchen loszulassen.«

~Meredith Grey, Grey's Anatomy

Ich lief durch die Stadt, ungewiss, wohin mich meine Beine trugen. Schließlich kannte ich mich hier kaum aus, war erst einen Tag hier und hatte Streit mit meinem besten Freund. Es war inzwischen spät in der Nacht, an den Häusern, an denen ich vorbeiging, brannte hin und wieder ein Licht, jedoch schliefen die meisten. Ich wanderte durch dunkle Straßen und Gassen, auf der Suche nach einem geeignetem Ort zum Nachdenken. An einem Ort, an dem ich meine Gedanken ordnen konnte und die Situation betrachten konnte.

Nach einer Weile kam ich endlich an einer ruhigen Brücke an, der kalte Nachtwind blies mir ins Gesicht, fuhr durch meinen schwarzen Hoodie hindurch und hinterlies einen Schauder auf meinem Rücken. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und betrachtete die alte Brücke und die unbefahrene Straße, was wahrscheinlich an der Uhrzeit hing. Außer mir war weit und breit niemand zu sehen, welcher Mensch würde auch 2 Uhr nachts auf den Straßen herumirren außer mir? Welcher Mensch hatte sich schon vor knapp zwei Jahren in seinen besten Freund verliebt, den er über das Internet kennengelernt hatte? Welcher Mensch kam schon auf die Idee, ihn danach einfach mal so zu besuchen, zu überraschen und zu hoffen, dass er seine Gefühle erwiderte? Ich. Und verdammt, nur ich. Eine einsame Träne lief an meiner Wange entlang. Ich wusste nicht, weshalb ich gerade so wütend auf ihn war. Ich meine, wer konnte diesen leuchtend grünen Augen, diesem Lächeln, diesen blonden verwuschelten Haaren schon böse sein? Wieder nur ich. Aber warum. Warum ich? Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass mir dieses kleine Wort in meinem Hirn herumgeisterte. Für viele Menschen wirke ich nach außen so, als hätte ich immer gute Laune, als würde mich nichts treffen, als hätte ich kein Herz. Doch das Gegenteil war der Fall. Mich traf vieles, mehr als ich es wollte und danach fraß es mich auf. Nicht offensichtlich, nein. In der Nacht kam der kleine, zerbrechliche, hilflose Tim zum Vorschein, in der Dunkelheit, damit niemand ihn sehen konnte. Meine Seele wurde immer löchriger, mein Herz zerbrach Stück für Stück. Der einzige Mensch, der wusste, wie ich wirklich war, wie der gebrochene Tim aussah, war Stegi. Mein kleiner Stegi. Er half mir aus so vielen Löchern heraus, von denen viele nicht einmal etwas ahnten. Er blieb Nächte lang auf, schwänzte die Uni, einzig und allein auf das Ziel gerichtet, mich wieder lächeln zu sehen.

Und plötzlich fiel es mir auf. Warum ich wütend auf diesen Menschen war. Er wusste, wie sehr mich es traf. Und sei es nur bei solch einer kleiner Sache, er wusste es. Und dies versetzte mir einen Stich. Ich glitt am Geländer herunter, saß nun auf dem kalten Steinboden und fing langsam an, es zu realisieren. Jedoch gab es ein Problem: zwar wusste Stegi, dass es mich verletzte, aber er wusste nichts von meinen Gefühlen für ihn, was die ganze Sache um einiges erschwerte. Er wusse nicht, wie sehr mein ganzer Körper kribbelte, wenn er mich umarmte, mich berührte oder mich anlächelte. Jedes Mal ging mein Herz auf, mir wurde warm ums Herz, wenn ich diesen kleinen Jungen sah. Ich hatte kaum bemerkt, dass sich zu dieser einen einzelnen Träne ein paar andere hinzugesellt hatten.

Verdammt, warum saß ich hier und weinte? Ich hatte noch eine Chance, meinen Dino endlich wieder in die Arme zu schließen. Und diese musste ich nutzen. Es war mir egal, wie sehr er mich verletzt hatte, denn selbst wenn ich daran zu ersticken drohte, war die einzige Person die mir helfen konnte, er. Also rappelte ich mich auf und machte mich auf die Suche. Die Suche nach meinem Glück.

»Manchmal muss man loslassen, um die Liebe festzuhalten.«

~Meredith Grey, Grey's Anatomy  

Bis zum Mond und wieder zurück - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt