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------You yelled about my dirty room while I thought of killing myself------

Außenstehende können es einfach nicht nachvollziehen, wie es ist, wenn man nicht mehr aufstehen will, weil man weiß, das ganze fängt von vorne an. Klar, wie sollen sie es denn verstehen? Ich meine, die können ja froh sein, dass sie eben 'nur' Außenstehende sind, was denke ich allerdings auch keine tolle Erfahrung ist. Ich würde das auch nicht miterleben wollen. Alle sehen nur, dass dein Zimmer nicht so aussieht, wie es sollte, du schlechtere Leistungen bringst und dich 'gehen lässt'. Tja, das ist eben kein Wunder, wenn man keine Kraft hat. Das kommt nicht immer unbedingt von der Mangelernährung, es ist einfach diese ständige Leere. Du kannst dich zu nichts mehr aufraffen und dich auf nichts mehr freuen, alles ist einfach egal. Es fällt alles so schwer, du musst dich zwingen, Dinge zu tun, die alltäglich sind. Du denkst einfach nurnoch an Essen, daran dass du nichts Wert bist, niemals genug bist, niemals diese Perfektion erreichen wirst und dass du einfach sterben willst. Die Leute haben mich oft gefragt, watum ich nichts aß. Ich konnte nie eine vernünftige Antwort geben.

------------- Sorry, there're just no pretty words to tell you that I want to die.--------------

Ich sagte immer, dass ich zu dick bin, oder keinen Hunger habe, dass ich schon gegessen habe. Warum sollte ich überhaupt essen? Hungern ist Stärke. Hungern macht mich schön und zerbrechlich. Hungern tötet mich.
Nicht essen ist doch alles, was ich gut kann. Während alle meine Freunde und Verwandten Essen Kalorien in sich rein schaufelten, blieb ich leer. Ich werde kein fetter Wal mehr sein. Eines Tages werde ich wie ein Schmetterling sein. Ich habe nie verstanden, warum niemand zunimmt, obwohl sie ja alle aßen. Warum sah man mir schon an, wenn ich 100 Kalorien gegessen habe? Warum bin ich nicht dünn?

------------Baby, it's all just in your mind--------------

Ich erinnere mich an Oktober 2014 zurück. In den Herbstferien geriet alles außer Kontrolle. Ich aß mal 2 Tage nichts, dann stopfte ich alles in mich hinein, bis mein Magen so wehtat, dass ich einfach dem Kotzen nicht entkam. Und ich steckte mir mein Finger in den Hals, bis Blut kam. Das war mir egal. Hab ich verdient. Ich sagte den DVD-Abend mit meinen Freundinnen ab, aus Angst etwas essen zu müssen und weil ich zu schwach war. Richtig, ich war schwach, habe mich stark gefühlt. Nach meinem 'Fressanfall mit anschließendem Erbrechen' aß ich 4 Tage nichts. Ich trank nur Wasser und Kaffee. Naja, immerhin 3 Kilo weniger.

Drei Kilo weniger und die Hälfte meiner Haare, quasi den letzten Rest Lebensfreude und das friedliche Familienverhältnis weniger.

Ich glaube, das war der Tag, an dem ich realisiert habe, wie krank ich bin. Ich lag den ganzen Tag nur im Bett herum und versuchte dem Essen den Kalorien aus dem Weg zu gehen. Ich hörte One Direction, das tue ich immernoch, das beruhigt mich. Es lässt mich einfach wissen, dass es doch etwas gibt, was in letzter Zeit nicht verändert hat. Außerdem hat deren Musik so eine enorme Wirkung auf mich, dass sie einer der Gründe sind, warum ich gekämpft habe.
Ich ging in die Küche, um mir Kaffee zu holen, als mein Vater mir entgegenkam. Und es ging los.
'Willst du nicht mal was essen?'
ESSEN KALORIEN FETT HÄSSLICH
'Nein, ich habe keinen Hunger und mir ist soooo schlecht.'
'Das kommt davon, wenn man vier Tage nichts isst.'
'Stimmt doch garnicht, weißt du eigentlich, was ich alles gegessen habe? Willst du mich eigentlich verarschen? Ich bin 13 ich weiß schon was gut für mich ist.'
'Mhh. Das seh' ich ja. Du siehst aus wie der Tod in Person. Wenn das so weitergeht, müssen wir dich einweisen lassen.'
'Macht doch. Seid ihr mich endlich los.'
'SOFIA. Wir wollen nur nicht dass du stirbst!'
ICH ABER

--------------How can you die, when you're already dead inside?--------------------

Ich ging mit meinem Kaffee in mein Zimmer, damit ich mir das Ganze hier nicht mehr anhören muss. Ich bin halt so, die kommen nur nicht damit klar. Als ob es die wirklich interessiert, wenn ich tot bin. Ich schrieb irgendeine Scheiße in mein Tagebuch, ich schrieb alles auf. Dass ich seit 4 Tagen nichts gegessen habe, dass es mir leid tut, dass ich sterben will, dass ich eigentlich nur gut genug sein will. Dass ich jetzt 44 Kilo wiege und ein 17. Irgenwas BMI habe und jetzt untergewichtig bin. Den Vorfall in der Küche. Und so verging die Zeit. Mein Opa und meine Mama hatten bald Geburtstag, sogar am gleichen Tag, dem 2. November. Ich beschloss irgendwann gegen Abend, es war jedenfalls schon nicht mehr ganz hell draußen, Plätzchen zu Backen. Ich legte alle Zutaten bereit und fing an den Teig zuzubereiten. Bevor ich die Plätzchen also ausstach, fur ich mit meinem Vater zum Edeka, um Zuckerguss zu kaufen. Mein Vater sagte jedoch, dass ich etwas essen müsste, damit er mit mir fährt.
'Dann gehe ich halt zufuß, schadet mir ja nichts, verbrennt Kalorien.'
Die Tatsache, dass es in Strömen Regnete, war mir Egal. So bekam ich meinen Vater dazu, mir mir Einkaufen zu fahren. Im Auto fing mein Vater an, auf mich einzureden.
'Sofia, bitte ess etwas. Mama geht es wieder nicht gut, und dir auch nicht. Wir machen uns nur Sorgen, gleich, wenn wir zurück sind, kommt Frau Steffen *Name geändert*.
'Aha. Was will die denn? Mir einen Vortrag halten, dass ich zu wenig esse? Vielen Dank, das höre ich mir von allen an. Außerdem Esse ich genug!'
'Es kann aber nicht so weitergehen, bitte, wenn du ES Esssen.Zunehmen. fett. nicht für dich machst, mach es wenigstens für die Anderen. Du weißt, dass Mama krank ist.'
'Ja. Das weiß ich, aber ob ich esse oder nicht, spielt dabei keine Rolle! Ihr wollt mich doch nur los werden!'
Stinksauer stieg ich aus dem Auto, mein Vater hinterher. Ich nahm mir, was ich brauchte, ging an dem vielen Essen vorbei, ohne auch nur daran zu DENKEN etwas zu essen und mein Vater bezahlte.
'Willst du noch etwas aus der Bäckerei?'
'Nein.'
Er kaufte noch irgendwas in der Bäckerei, für Meine Schwester oder so. Dann stiegen wir ins Auto.
'Sofia. Es tut mir leid. Wir haben dich doch so lieb, wir wollen nur nicht, dass unsere Tochter stirbt.'
'Es tut MIR leid. Ich liebe euch doch so. Ich kann das alles nicht mehr. Ich wünschte, das würde alles aufhören.'
Wir weinten Beide. Es war schrecklich. Mein Vater umarmte mich und wir fuhren zurück, wo ich weinend auf meinem Bett lag und alles Bereute. Ich kann das nicht mehr alleine.
Mein Vater fragte mich dann, ob ich jetzt einen Apfel essen wollte, er würde extra den Kleinsten nehmen. Nach dem Vorfall im Auto, wollte ich ihn, ich wollte sie Alle nicht Enttäuschen. Ich aß diesen Apfel. Ich aß ihn. Und es schmeckte. Ich kaute jeden Bissen mindestens 40 Mal, und aß sehr, sehr langsam. Als nach gefühlten 6 Stunden der Apfel weg war, ging ich gespielt stolz in die Küche und verkündete, dass ich den Apfel gegessen habe. Ich fragte noch schnell, wann Frau Steffen kommt und bekam ein 'gleich' als Antwort. Toll. Ich verkroch mich in meinem Bett weil ich diese unglaubliche Kälte nicht ertrug. Mir war ständig kalt. Heißes Wasser tat sehr weh und meine Haut wurde sehr trocken. So ist dass, wenn man Perfekt sein will.

✖Fading✖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt