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----When someone tells me how good I look, then for a Moment, I find hope----

Wie kann es sein, dass Menschen - ob man es so nennen kann, weiß ich nicht - einen anderen Menschen - ohne jeglichen Grund - so kaputt machen - aus purer Absicht - und stolz darauf sind?

Ich verstehe diese Gesellschaft nicht. Erst nennen sie dich Fett, dann hassen sie dich, weil du dich tothungerst. Ich wollte ihnen gefallen. Ich hätte alles dafür getan, zu ihnen zu gehören. Sie mochten mich nie, doch es gab nicht wirklich einen Grund. Ich war pummelig, aber manche von ihnen waren dicker. Von Anfang an, schon im Kindergarten, wollten sie mich nicht. Bis jetzt wollen sie mich nicht. Ich weiß nicht, vielleicht wussten sie, dass ich leicht zu zerbrechen bin. Ich kann mich nicht wehren.

------ Everyone said I'm a nobody, so I wanted to have no body.--------

Irgendwann willst du nicht mehr nur dünn sein.
Ich wollte nur gut genug sein. Einmal genug. Ich war immer zu viel, aber nie genug. Immer zu wenig, aber immer zuviel. Zu wenig Leistung, zu viel Ich. Es fing nicht damit an, dass ich nichts mehr aß, nein es fing damit an, dass ich gesund aß. Ich hörte auf Fleisch zu essen. Ich hatte Angst vor essen, immer dachte ich, 'das darfst du nicht essen, davon bekommst du Bauchschmerzen' , und dann aß ich immer und immer weniger. Als ich zur Kontrolle ins Krankenhaus musste, sagte der Arzt zu meiner Mutter, dass ich Anzeichen einer Essstörung aufzeige.

---You're too fat to have an eatingdisorder----

Der Gedanke daran gefiel mir. Anders sein. Sich von den anderen abgrenzen, man würde über mich reden. Ich würde auffallen. Tja, aber ich war nicht dünn. Also nahm ich ab. Sport, viel trinken und gesunde Ernährung. Zu erst nur noch Hühnerfleisch, dann garkein Fleisch, dann Reis und Gemüse und Brot und Obst, dann Gemüse und Obst, dann garnichts mehr und dann soviel dass ich platzte.

--- I want to be so thin, that people whisper how skinny I've gotten behind my back----

Einmal konnte ich etwas gut. Endlich fand ich etwas, was ich gut kann. Ich war nie eine Musterschülerin, ich war nicht sportlich, musikalisch, oder hatte ein Talent. Das was ich konnte, war mich selbst zerstören. Und das fand ich toll. Ich hatte es verdient. Ich war hässlich. Fett. Dumm. Fett. Scheiße. Fett. Wertlos. Fett. Schlampe. Fett. Ja, so nannten sie mich. Und andere Namen, sie lästerten, sie fanden immer einen Grund, mich fertig zu machen.

'Ich zeige ihnen, was sie mit mir gemacht haben. Irgendwann bin ich dünner als sie, dann nenne ich sie Fett. Ich werde besser als sie. Ich schaue auf sie herunter und dann tue ich ihnen das an, was sie mir angetan haben'

Es kam der Punkt, an dem ich nicht mehr gut genug sein wollte, sondern Perfekt. Als ich nach den Sommerferien in die Schule kam, wog ich nicht mehr 58. Ich wog 47. Aber ich musste abnehmen. Immer mehr weniger werden. Bis ich komplett verschwinde. Ich bekam viele Komplimente. Auf einmal waren alle netter. Aber ich hasste mich. Ich hasste meinen Körper. Ich lag die Nächte wach und weinte, ich wollte so dünn sein wie die Tumblr Mädchen. Ich suchte nach Abnehmtipps, Diäten und Workouts, es wurde zu meinem Lebensstil. Meine Familie kam damit nicht ganz klar. Logisch, ich würde mir auch Sorgen machen, wenn mein Kind aufhört zu essen. Aber ich war mir so sicher.

' Sie hassen mich. Sie wollen, dass ich esse, dann werde ich dick und fett, und werde geärgert. Aber sie lästern sowieso, weil ih fett bin. Das weiß ich. Aber ich werde dünn sein! So dünn wie die Models, nein dünner. Ich will dass alle sehen, wie kaputt ich bin!'

Manchmal hasste ich mich. Also immer hasste ich mich, aber manchmal so sehr, dass ich meinen Hass auf mich raus lassen musste. Einfach die Sorgen und die Namen, die sie mir gaben und den Stress und die Angst aus meinem Körper lassen. Also tat ich es. Ich wollte nie so werden, wie ich bin. Man ist das wozu man gemacht wird. Ich fragte mich immer, warum sich Menschen selbst verletzen. Jetzt wusste ich es. Ich schnitt mir in die Haut. Ich hatte zu viel gegessen, ich nehme 130 kilo zu. Dann war diese Stimme wieder da.

KOTZ DOCH ALLES WIEDER RAUS.

So kam es, dass ich mich oben ins Bad schlich, ich wollte nicht dass es jemand sieht, aber wollte es doch. Ich schämte mich davor. Ich wollte es nicht, aber mein Magen tat unerträglich weh und ich hasste es, mich voll zu fühlen. Nur die Leere macht mich Frei. Ich kotzte nicht mein Essen raus, nein, ich kotzte alles heraus. Die Wut, die Angst, der Schmerz. Es tat höllisch weh. Erst kam nur Spucke, doch ich gab nicht auf. Immer mehr. Mehr um weniger zu werden.

----People just don't get how much selfhate it takes, to make yourself throwing up-----

Ich wollte nicht mehr Essen. Ich konnte nicht mehr Essen. Essen. Es kam mir vor, als ob alles sich darum dreht. Auf einmal wurde überall über Essstörungen berichtet. Immer das, was sie wussten. Aber sie wussten garnichts. Sie können es nur von Außen sehen. Lesen, was in den Büchern steht. Aber sie wissen nicht, dass es mehr ist als aussehen zu wollen, wie Heidi Klum. Es ist mehr, als in Size Zero zu passen. Mehr als keinen Appetit zu haben. Niemand verstand mich. Ich bin alleine im Gefängnis meiner Gedanken und muss die Lebenslängliche Haftstrafe absitzen, die mir durch meine Naivität erteilt wurde. Wäre ich nicht so naiv gewesen, hätte ich nicht so viel gegessen und wäre jetzt dünn. Magersucht ist Suizid in Raten. Es ging lange nicht mehr um dünn, schön, perfekt. Ohne Essstörung konnte ich nicht leben, aber mit schon garnicht. Es gab kei Grau. Schwarz und Weiß, Groß und Klein, Dick und Dünn, Gut und Böse. Ich wollte nur noch sterben. Leben und tot und leben tue ich lange nicht mehr. Aber wie stirbt man, wenn man innerlich tot ist?? Ich wusste, ich schaffe es nicht, daraus zu kommen, der einzige Weg, daraus zu kommen, ist daran zu sterben. Vielleicht heißt es Freitod, weil wir nur durch den Tod unsere Freiheit zurück bekommen.

---Normal people just don't know how it feels to wake up and wish you were dead---

Fast hätte ich es geschafft. Fast wäre ich tot. Aber wenn ich tot wäre, dann hätte ich alle im Stich gelassen. Also beschloss ich zu kämpfen. Um mein Leben kämpfen, was ich verloren hatte. Ich weiß wie es ist, fast tot zu sein. Doch ich habe nicht gemerkt, wie krank ich bin. Ich bin froh, dass ich nicht gestorben bin. Aber irgendwie nicht. Manchmal wünsche ich immernoch, dass ich tot bin und an Brücken und Bahnhöfen zu stehen fällt mir schwer. Aber ich habe Hilfe. Wäre ich nicht ins Krankenhaus gegangen, hätte ich sie nicht kennengelernt. Dann wäre ich tot. Und sie vielleicht auch. Ein Tag länger. 2 Schläge meines Herzens pro Minute weniger und ein Paar wertvolle Menschen in meinem Leben und ich wäre tot.
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Zu dem Bild oben: das war am 22.11.2014 und ich habe eigentlich 37 kilo gewogen, durfte jedoch niemand wissen.. und das insta wurde gelöscht

✖Fading✖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt