kalter Sommerwind

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Warum ich was mache? Sie ständig vor mir sehen? Ihr mein Buch leihen? Sie in den Arm nehmen? Mich um sie sorgen? Sie tragen und sie mit zu mir nach hause nehmen? Die Antwort darauf kenne ja nicht mal ich selbst... Ich tat so als hätte ich sie nicht gehört und schloss die Tür meiner Wohnung auf. Shina's Blick durchbohrte mich förmlich, aber ich blieb standhaft. Was hätte ich ihr auch sagen können? Vorsichtig ließ ich sie von meinem Rücken, daraufhin lehnte sie sich gegen die Wand. „Warte kurz...", murmelte ich und verschwand im Bad, während Shina ihren Blick durch meine Wohnung schweifen ließ. Bepackt mit einem Stapel Handtücher kam ich zurück. Ein Großes reichte ich ihr und sie legte es sich hastig um die Schultern. „Hast du ein Pflaster", Shina deutete mit schmerzerfüllten Blick auf ihren blutenden Fuß. „Ein Pflaster wird da wohl nicht reichen.", vielleicht hätte ich meine Gedanken nicht aussprechen sollen, denn nun schaute sie mich entsetzt an. „Ah? Eh... setz sich doch einfach erstmal hin.", fügte ich schnell hinzu und begleitete das schwankende Mädchen in den größten Raum meiner Einzimmer-Wohnung. Nachdem sie sich auf dem Kissen auf dem Boden niedergelassen hatte, hetzte ich los um den Verbandskasten zu finden, den ich zwar besaß, aber bisher noch nie brauchte.
Unter der Spüle in der kleinen Single-Küche am anderen Ende des Raumes hatte ich ihn dann endlich gefunden. Stirn runzelnd ging ich auf Shina zu, die ihren Kopf auf ihre Arme und diese auf den Tisch gelegt hatte. Ich hockte mich vor sie, sah kurz auf ihren Fuß und nahm dann ein paar Sachen aus dem Verbandstäschchen. Bedächtig hob sie nun ihren Kopf und schaute mich an. „Wenn du mir weh tust, bring ich dich um...", raunte sie und ich konnte keinerlei Ironie in ihrer Stimme erkennen. Überrascht blinzelte ich sie an. Eben hatte sie noch geweint und jetzt drohte sie damit mich umzubringen. Die Frau schafft mich. Ohne weiter auf ihre Morddrohung einzugehen, legte ich ihren Fuß auf meine Beine und tupfte das Blut weg, um dann ganz vorsichtig die Stelle mit einem Verband zu umwickeln. Ihre weiche Haut zu berühren machte mich echt nervös und mit Sicherheit war auch mein Gesicht schon wieder rot angelaufen. Im Augenwinkel sah ich wie Shina ihr Gesicht in ihre, auf dem Tisch verschränkten Arme drückte. Die Mordlust scheint ihr schon wieder vergangen zu sein. „Fertig!", bemerkte ich als ich mich erhob, aber außer einem Schniefen, bekam ich keinerlei Reaktion darauf. Kein „Danke" oder „Das tut weh". Gar nichts. Allmählich merkte ich wie meine Nase sich zuzog, ich musste mir dringend etwas Trockenes anziehen. Bevor ich ins Bad ging legte ich Shina noch eine Decke über ihre nackten Beine.

Eine ganze Weile ging ich im Badezimmer auf und ab, nachdem ich mir ein T-Shirt und eine Hose angezogen hatte, die keine nasse Spur hinterließ. Meine Gedanken kreisten um das undankbare wunderschöne Mädchen im Zimmer nebenan. Was ist nur mit ihr passiert? Warum hat sie so geweint? Warum saß sie alleine im Regen? Warum hat sie Alkohol getrunken? Und wo, verdammt nochmal, sind ihre Schuhe? Mein Kopf fühlte sich an als würde er explodieren, so viele Fragen und keine einzige Antwort. Ich musste nach ihr sehen, nachschauen ob es ihr gut geht, doch mein Weg zur Tür endete schlagartig mit einem dumpfen Schmerz an meiner Stirn. „Sch...!!!", ich sprach es nicht aus, aber... SCHEIßE tat das weh!Benommen hielt ich mir die Hand auf die Stelle, wo mich die Tür mit voller Wucht traf. Stürmisch huschte Shina an mir vorbei in Richtung Toilette und im nächsten Moment hörte ich sie würgen. Benommen bemerkte ich wie sie vor der Toilette in die Knie ging. Als ich mich wieder gefasst hatte erkannte ich das sie ihren Kopf über den Keramik-Rand streckte. Ihr Körper spannte sich bei jedem Würgen an und ihre feingliedrigen Fingern krallten sich in den grünen ausgewaschen Badezimmer-Teppich. Handlungsunfähig stand ich da und starrte auf ihren Hinterkopf. Was jetzt...? Was mache ich denn jetzt? Mit meiner Hand fuhr ich mir nervös durch das feuchte Haar und ging etwas näher an sie heran, als sie sich dann übergab. Mein erster Gedanke war komischerweise, ihre langen Haare festzuhalten, damit diese nicht von dem Erbrochenen getroffen wurden. Etwas unkoordiniert strich ich, mit meinen Händen, einige ihrer Haarsträhnen nach hinten und hielt diese fest. Shina keuchte und übergab sich erneut. Wahrscheinlich hat sie zu viel Alkohol getrunken. Obwohl sie im Grunde selbst Schuld hatte, tat es mir leid ihr nicht helfen zu können. Den üblen Geruch nahm ich gar nicht richtig wahr, als ich durch das grelle Licht der Glühbirne an der Decke, ein paar blaue Flecke an ihrem Oberarm entdeckte.

Seifenblasen-TraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt