Eine weitere Woche vergeht und noch immer habe ich keinen Kontakt zu der Außenwelt. Ich kann mich dazu einfach nicht überwinden. Mir würden nur unnötig dumme Fragen gestellt werden.
Vor einer Stunde hat es an der Wohnungstür geklingelt und nachdem ich nicht reagiert habe, hat derjenige mit mir gesprochen. Es war Dave. Er wollte, dass ich endlich über diese Festnahme mit ihm rede und mich nicht nur die ganze Zeit in der Wohnung verstecken soll. Mein Cousin meinte, ich soll ihn rein lassen und mich von ihm trösten lassen. Er hat ja keine Ahnung.
Ich will es einfach nicht und sie sollen das einfach endlich verstehen. Ohne Noel macht nichts mehr Sinn. Meine Familie ist mir völlig egal, genauso meine Freunde. Auch wenn ich eigentlich nur Julius hatte und auch zu ihm ewig keinen richtigen Kontakt mehr hatte. Seitdem ich nicht mehr zur Schule gehe um besser zu sagen. Schade eigentlich.
Ich hatte noch einen guten Freund wenn ihr euch erinnert. Dieser junge Mann hat es geschafft, mich mit seinen strahlenden Augen in den Bann zu ziehen und mich da drin gefangen zu halten. Er war dafür verantwortlich, dass ich mich gut gefühlt habe und glücklich war. Wegen diesem guten Freund hatte ich Träume für die Zukunft. Mit ihm wollte ich mein Leben und vieles mehr teilen. Aber seitdem ich mich mit seinem Verlust abfinden musste, habe ich sowas nicht noch mal gespürt. Das will ich auch gar nicht mehr. Ohne Moritz will ich nämlich nicht. Doch er hat damals so entschieden und ich muss es wohl so hinnehmen. Wenn er mich auch so vermissen würde, hätte er sich schon lange gemeldet. Meine Nummer hat er ja schließlich. Aber warum sollte er sich auch schon bei mir melden? Immerhin hat er sich von mir getrennt, weil er wütend auf MICH war. Weil ICH einen Fehler gemacht habe.
Ich bereue es, dass ich die Schule geschwänzt habe und dass ich einfach mit Rico mitgegangen bin.
Der Braunhaarige hat sich seitdem auch nicht mehr bei mir gemeldet. Es ist so, als wäre er vom Erdboden verschluckt worden. Eigentlich dachte ich ja, dass wir echt gute Freunde werden können, aber das hat er anscheinend anders gesehen. Ist halt so. Es gibt noch andere auf der Welt.
Und genau in diesem Moment entschließe ich mich zu etwas.
So motiviert wie schon lange nicht mehr, stehe ich auf und gehe in mein Schlafzimmer.
Ich weiß selber, dass das alles so nicht mehr weitergehen kann. Aber wenn ich weiter alleine in dieser Wohnung hocke und nur deprimiert bin, wird das nicht besser. Also muss ich hier raus. Einen Tapetenwechsel. Genau das brauche ich jetzt.
Ich reiße also meine Schranktüren auf. Nur ein kleiner Blick reicht und ich weiß, was ich mitnehme. Ich nehme meine ganzen dicken Pullis raus und lege sie gefaltet in meine blaue Reisetasche. Jetzt fehlen noch Skinny Jeans. Keine Ahnung, wie lange ich weg bleibe, aber auf jeden Fall lange. Ich brauche Erholung. Zum Schluss packe ich noch Kuschelsocken, normale Socken und Boxershorts dazu. Vielleicht wären T-Shirt nicht schlecht. Meine schlichten T-Shirts lege ich noch auf meine Hosen.
Mit klopfendem Herzen richte ich mich auf und schaue mich im Raum um. Ich brauche noch mein Aufladekabel fürs Handy. Mein Laptop nehme ich auch noch und das passende Ladekabel. Auf meinem Nachttisch steht ein Bild.
Es zeigt meinen Zwillingsbruder und mich nebeneinander auf einer grünen Blumenwiese. Ich weiß noch ganz genau, als Dave dieses Bild von uns geschossen hat. Es war einen Tag nach seiner Verlobung mit Paul.
Dave hat an dem Morgen vorgeschlagen, dass wir was zu viert machen können. Er war so glücklich, dass ich endlich wieder aufgetaucht bin und wollte einfach Zeit mit mir verbringen. Mein Cousin meinte, er wolle die verlorenen Tage mit mir aufholen. Dazu zählen auch Noel und Paul. Wir 4 gehören zusammen.
Und jetzt ist alles zerstört. Unsere kleine Gruppe wurde irgendwie gespalten und das alles nur wegen einem Missverständnis.
Wenn ich den richtigen Täter irgendwann mal zu Gesicht bekommen werde, werde ich ihm all das heimzahlen, was er mir in dieser Zeit antut. Das verspreche ich.
Bevor ich meine Reisetasche schließe, hole ich aus dem Badezimmer noch meine Zahnbürste, Zahnpasta und all die Dinge, die ich täglich benötige. Das alles packe ich in eine kleine Kulturtasche und quetsche es auf die Klamotten.
Ich denke, ich hab alles. Vielleicht Geld und Kopfhörer noch. Wenn ich doch noch etwas vergessen habe, werde ich es einfach kaufen. Genauso wie etwas zu essen. Ich will nicht noch eine Extratasche für Lebensmittel packen und mitnehmen müssen. Vielleicht nehme ich einen kleinen Rucksack für unterwegs mit. Obst und eine Flasche Wasser würde ich sagen. Nur das Nötigste. Ich habe seit Tagen eh nicht mehr viel gegessen.
Ich schultere meine volle Tasche und gehe in den Flur, um sie dort abzustellen und meine Schuhe anzuziehen. Ich mache sie zu und gehe dann doch noch mal in die Küche, um mir etwas Kleines mitzunehmen. Auf der Ablage liegt mein Handy. Das sollte ich vielleicht auch noch mitnehmen. Nur zum Notfall.
Ich nehme es in die Hand und entsperre es. Sofort sehe ich mein Bildschirmbild. Schon irgendwie armselig, dass ich noch immer Moritz als mein Hintergrund habe, oder? Aber ich kann und will ihn nicht vergessen.
Das ist wohl auch der Grund für meine nächste Aktion.
Hey... Ich wollte dir nur mal mitteilen, dass ich dich wirklich vermisse und einfach nicht ohne dich kann! Aber... na ja. Du hattest schon deine Gründe, dich von mir zu trenne und irgendwie kann ich dich auch verstehen... Ähm... ja. Mir geht es im Moment richtig scheiße und... Ich will mich jetzt auf den Weg ans Meer machen... Ich weiß nicht, ob dich das eigentlich interessiert oder ob du einfach nur genervt von mir bist. Aber ich fände es wirklich schön, wenn du vielleicht auch dahin kommen könntest. Du weißt ja sicherlich, wo du mich findest... Also ich hoffe bis bald. Ich liebe dich....
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Don't call me Sweety
RomanceRené geht seinen ersten Urlaubstag langsam an und bleibt bis zum späten Nachmittag in seinem Bett liegen. Irgendwann schweifen seine Gedanken wieder zu seiner großen Liebe und er entschließt sich, ihm noch eine weitere Nachricht zu schreiben. Wird e...