Kapitel 1-Die Ankunft

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Da waren wir also. Und ich hatte gehofft, meinem altem, langweiligen Leben entfliehen zu können. Aber so einfach war das anscheinend nicht. Meine Eltern, mein Bruder Jake und ich, waren gerade dabei umzuziehen. Von Massachusetts nach Florida. Und siehe da, war ich also in einem genauso lahmen Kaff gelandet, wo ich schon herkam. Ich glaube, nur meine Eltern freuen sich wirklich. Jake wird seine letzten Tage als 18-jähriger hier eh nur noch mit Komasaufen verbringen. Aber wenn er nicht gerade mal auf Partys besoffen herumrennt, ist er schon ganz in Ordnung. Ich wundere mich eigentlich schon die ganze Zeit, dass meine Eltern das mit dem vielen Trinken tolerieren. Aber er war ja schon immer irgendwie ihr Liebling. Er hat immerhin irgendeine Beziehung zu ihnen. Die hab ich nämlich nicht. Denn meine Eltern sind die normalsten, konservativsten Menschen die ich kenne. So wie sie sind, könnte man sie auf der Stelle ins 19. Jahrhundert versetzen. Ehrlich gesagt, frage ich mich immernoch, was sie eigentlich gegen mich haben. Ich bin eher ruhig, mache keine Probleme (bis auf, dass ich mir vor einem Jahr, da war ich in der 9. Klasse, die Haare grau gefärbt habe, Mum ist ausgerastet) und bin immer nett und freundlich. Ich bin eben eher der Typ, der Gedichte schreibt.

Irgendwie hat dieses Haus etwas unheimliches, es ist so dunkel und hat kaum Fenster. Aber alles in allem bin ich schon zufrieden, mein Zimmer ist zwar klein, aber hat einen schönen Blick auf den Garten und... das Meer. Ich hatte aus unerklärlichen Gründen immer schon eine panische Angst vor dem Meer. Jahr für Jahr wurde ich an Badestrände gezerrt. Wider Willen. Ich habe ja nichts gegen den Blick aufs Meer. Es macht mir nur Angst. Große Angst. Im Moment sieht es so friedlich aus, so sanft. Aber hinter der Fassade türmen sich gesunkene Boote und Todeszahlen an die ich gar nicht denken will. 'Titanic' war noch nie der richtige Film für mich...

Nach dem Abendessen rufe ich meinen besten Freund Damien an. Damien ist schwul und echt eine Frohnatur. Ich vermisse ihn jetzt schon. Als er rangeht freue ich mich so, dass ich in den Hörer kreische."Hiii."- "Hi Rora, und wie ist das neue Haus so? " -"Naja, es geht schon, mein Zimmer ist wirklich schön..."-"Ach komm, es wird schon noch alles Geil dort, ich will irgendwann unbedingt nachkommen!" ....
Damiens Eltern gehören so einer seltsamen religiösen Gruppe an und sind ganz und gar nicht begeistert, dass ihr Sohn so' abweichende Vorlieben' hat, wie sie es ausdrücken. Kein Wunder, dass er da wegwill...wie ich. Damien war mein einziger wirklicher Freund, den ich in Massachusetts hatte. Als ich kleiner war, hab ich nie verstanden, warum mich die Anderen nicht mochten. Erst später hab ich gemerkt, dass bei den anderen dort etwas falsch lief. Ich weiß nicht, was die Menschen dort denken. Jedenfalls wirkten alle außer Damien auf mich immer wie ferngesteuerte Zombies. Er wurde von den anderen nie so fertig gemacht wie ich, man müsste meinen, ein Zeichen von Toleranz, doch so denken diese Zombies nicht. Damien war einfach schon immer ZU cool gewesen, UM cool zu sein. Nicht so wie ich. Viel zu wenig Selbstbewusstsein. Ich habe mir immer gewünscht, so zu sein wie Damien und ich bewundere ihn noch sehr, aber mir ist klar geworden, dass ich einfach nicht so bin. Aber das ist schon in Ordnung. Ok.

Nachdem ich eine Weile nachgedacht hatte, machte ich mich bettfertig.

Danach fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf....

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Aurora's SündenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt