26.08.2014; 11:27 Uhr

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Ich atme ein, ich atme aus.
Noch bohren sich die dröhnenden Polizeisirenen bedrohlich in mein wummerndes Gehirn. Noch habe ich drei Opfer auf meiner Abschussliste.

,,Fiona", sofort zuckte das blonde, apathisch zu Boden starrende Dummchen, in eine kauernde, platzsparende Position, sodass ihre angewinkelten Knie gerade noch die, vom Weinen rot angelaufenen, Wangen verdeckten, ,,für dich als christliche Menschenfreundin muss das hier ja wirklich schrecklich sein. Da muss ich mich doch wirklich fragen, ob es nicht effektiver wäre, dich einfach leben zu lassen."

Wie bereits erwartet, kam auch nach den eindringlichsten Blicken meinerseits, keine Antwort. Ihren Mut, eine solche Unhöflichkeit auch in diesem, doch recht kritischen Moment aufrecht zu erhalten, in allen Ehren, aber vielleicht würde sie ja etwas anderes mehr beeindrucken.

Mit erkalteter Mimik wendete ich mich den dunkelhaarigen Zwillingen zu, während der schmächtige Jared seine belockte Jenna weiterhin, fest an sich gepresst, in seinen Armen hielt: ,,Bitte, du kannst mit mir machen, was du willst, aber bitte, Kit... Nicht Jenna."

,,Stellt euch voreinander, Stirn an Stirn und zwar mit etwas mehr Tempo und weniger Geheule, wenn ich bitten darf", schon nach dem zwanzigsten Mal geht einem das ständige schluchzende Flehen um das eigene Leben tierisch auf die Nerven und wie sich herausstellte, brachte ich genauso wenig Interesse für solch aufopfernde Geschwisterliebe auf. Als würde ich mich für das tragische Zwillingspaar noch schnell umentscheiden, weil der staubig-graue Klumpen in meiner Brust plötzlich wie eine rote Rose aufblüht und ich mit meiner Reue alle wieder, für ein gutes Lied zum Ende, auferstehen lasse. Dieses Fünkchen Hoffnung allein beweist doch, dass das Fernsehen, vor allem um die Weihnachtszeit herum, der Volksverdummung dient.

Kaum von ihren schwachen, wackligen Beinen getragen, fassten sich die Ivena-Geschwister vorsichtig an den Händen, sodass seine knochigen bald fest zwischen ihren beringten Fingern verankert waren und sie, mit den sanft aneinander gelegten Gesichtern und den feuchten Nasenspitzen, an denen sich ihre bitteren Tränen zu einer vereinten, wie in ihren glücklichsten Zeiten, eins bildeten.

Selbst als sich mein kalter Revolver, durch sein dichtes Haar hindurch, an seine blasse Kopfhaut drückte, versuchte Jared noch, seine ältere Schwester, selbst nur gebrochen sprechend, zu beruhigen: ,,Erinnerst du dich noch an unseren ersten Hund Bucky, den Golden Retriever und wie ich einmal meinte, ich würde ihn viel lieber als dich haben, weil du Barbie-Sticker in mein Hausaufgabenheft geklebt hast. Diese Lüge tat mir bis heute leid, J."

Und mit geschlossenen Augen starben sie so, wie sie begannen zu leben. Zusammen. Glatt bahnte sich die Kugel ihren Weg durch Jareds weiche Gehirnmasse, bis sie bald auch Jenna durchdrang und ein klaffendes Loch an deren Hinterkopf hinterließ.

Hier fiel mir erst auf, wie viel Munition ich schon verschwendet hatte, wobei ich einfach mehrere Leute mit einem Schuss hätte erschießen können.

Ruhig wischte ich das klebrige Blut mit meinem bereits verdreckten T-Shirt von der glänzenden Waffe, bis ich auf einmal Stille vernahm.

Das konnte nur bedeuten, dass die Polizei bereits hier angekommen war, vielleicht in diesem Moment vor der Tür lauerte.

Weder würde ich mir vor den dummen Affen hier meine Panik anmerken lassen, noch irgendeinem die Genugtuung, meines Todes durch einen Anderen zu sehen, gönnen.

,,Ich bin in mich gegangen, Legna, und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich allein bei der Vorstellung, du könntest dein Überleben dem Plan eines nichtexistenten Gottes zuschreiben, fast Kotzen muss", auf sie zugehend, schob ich mir die kleine Waffe in die Tasche meiner dunklen Hose, hinter welcher sich ein schwarzer, schmaler Griff an meinen hervortretenden Hüftknochen schmiegte. Fest umfasste ich das kalte Metall mit meiner angeschrammten Faust und löste mit einer gekonnten, ausschlagenden Bewegung dieser, die blitzende Klinge aus seiner Halterung.

,,Du wirst in der Hölle schmoren! Auf ewig", es war in einem relativ unverständlichen, verboten hohem Gekreische verpackt, aber Fionas Engelsgesicht konnte sich selbst mit seinen prallen, rosanen Lippen nicht mehr angemessener artikulieren, während ihr der Tod langsam unerträglich nahe kam und letztlich mit einem Satz das Messer in die Kehle rammte.

Und gerade als sie glucksend das eigene Blut hochwürgte, um verzweifelt nach etwas Luft zu ringen, die spritzende, rote Flüssigkeit unter meinen chirurgischen Handbewegungen, auf unser beider Kleidung klatschte und sie ihre letzte Bewusstseinssekunde durchlitt, flüsterte ich ihr in ihr vielfach durchstochenes Ohr: ,,Das hier ist die Hölle, Fotze."

Mein Skalpell schlaff greifend, entfernte ich mich, immernoch fasziniert, kurzschrittig rückwärts von der weiträumig ausblutenden Leiche. Dieses hautnahe Morden mit der bloßen Kraft eines selbst schien mir einen besonderen Kick, gepaart mit der Lust nach mehr, zu geben, doch meine Mission war hiermit beendet.

Grinsend stieß ich den dürftig verriegelnden Kunstofftisch vor der doppelseitigen Kafeteriatür beiseite und blickte erhaben über die verängstigten Schülermassen. Diesen Tag, die Bilder des Grauens und meinen Namen würde eine gesamte Generation nie wieder vergessen und auch wenn ich jetzt erschossen werden würde, wäre das in Ordnung.

Gelassen tauschte ich die tropfende Klinge gegen mein glänzendes Sturmgewehr und stieß, dieses beidarmig packend, furchtlos den Weg in den, noch menschenleeren Flur auf.

Kontrolliert holte ich tief Luft. Eine Kippe wäre an dieser Stelle echt super;  weniger verschwendete Lungenaktivität und mehr Genuss. Klackend rastete die Pforte hinter mir ein und ließ mich damit ganz in meiner Leere ertrinken.

Meine Gedanken kreisten um Luce, wie Aasgeier, seit dem Moment in dem ich sie das erste Mal sah und sie meinen ganzen Körper wie süßes Gift lähmte.

Aus der Ferne bahnten sich hörbar stampfende Stiefel an und in meinem persönlichen Delirium spürte auch ich, wie aus meinen erhabenen Schritten allmählich ein zielloses Rennen wurde; von der vibrierenden Treppe weg, tiefer hinein in den schmalen, kaum beleuchteten Gang, welcher mir mit jedem Auftreten länger zu werden schien.

Abrupt stoppte ich vor einem, silbern berahmten Fenster und betrachtete mich, keuchend, in der Spiegelung der staubigen Scheibe. In mir brannte es.

Schmerzlich hämmernd pumpte mein Herz gegen meinen Brustkorb, der sich unter meinen Lungen heftigst auf- und abhob. Alles war so entsetzlich heiß, als würde mich ein infernales Fieber versuchen zu verschlingen. War das jetzt die verschissene Todesangst?

Konfus, von der langsam verschwimmenden Sicht, wendete ich mich wild und ziellos nach den Stimmen, die nun von allen Seiten gedämpft an meine Ohren drangen, bis sich ein Schatten aus menschlichen Umrissen vor mir auftat.

Und gerade, als sich der stille Korpus Centimeter für Centimeter lichtete und sich die dunkle Kleidung unter der, mir entgegenfahrenden Hand, in tiefe Falten zerlegte, löste sich der dumpfe Schuss, sodass der Schweiß tropfend von der Spitze meines Kinnes fiel und sich auf dem hellen Steinboden allmählich mit dem dunkelroten Lebenssaft vermischte. 

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Allen, die nochmals um die Opfer der vorherigen Kapitel trauern wollen, empfehle ich hiermit Ingrid Michaelson - Be OK.

Und denen, die nochmal Kits heißeste Momente genießen wollen Royal Republic - Tommy-gun.


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