Bis Jonathan kommen würde, hatte Jack Handler noch etwas Zeit. Während er wartete, überdachte der Regisseur seine Entscheidung, nur Jonathan "Extrastunden" zu geben. Er hatte anfangs erwartet, dass es vor allem bei Castiel nötig sein würde, doch bei den Shootings war dieser so brillant aufgetreten, dass dem Regisseur einfach kein Argument eingefallen war, um Übungsstunden zu begründen. Außerdem kam Handler genauso wenig an den jungen Mann heran wie die anderen. Insgeheim hoffte er, dass es vielleicht Jonathan schaffen könnte, denn
Castiel machte ihm, wie erwartet, große Sorgen. Nach den Shootings, als er wieder angefangen hatte, sich zurückzuziehen, kein Wort sprach und allen Blicken auswich, war auch den Letzten aufgefallen, dass mit Castiel etwas nicht stimmte.
An Handler nagten große Zweifel. Er trug die Verantwortung und jetzt konnte er seine Entscheidung nicht mehr so einfach rückgängig machen: es würde schwierig werden, jetzt noch einen passenden Schauspieler zu finden.Als Jonathan die Tür schwungvoll öffnete, wurde der Regisseur unsanft aus seinen Gedanken gerissen und sprang erschrocken von dem Sofa auf, auf dem er gesessen hatte.
"Muss das wirklich sein, dass ich hier Extrastunden hab?!", beschwerte sich der Schauspieler.
"Du warst eindeutig derjenige, der sich am schwersten getan hat, in seine Rolle zu kommen.", entgegnete der Regisseur ruhig. "Und diese Stunden sind nicht da um dir zu zeigen, dass du schlecht bist, sondern um dir zu helfen. Du bist nicht schlecht. Also setz dich erst einmal. Zuerst möchte ich herausfinden, wieso du Probleme hattest, dich mit deiner Rolle zu identifizieren."
"Pffh... keine Ahnung... wahrscheinlich der Stress."
"Welcher Stress?"
"Naja... ich bin ja noch gar nicht richtig angekommen... außerdem regt mich dieser Castiel auf...", beschwerte sich Jonathan.
"Er regt dich auf? Wieso?", wunderte sich Handler.
"Keine Ahnung! Er redet nichts, er ignoriert mich... das geht mir auf den Sack!"
"Aber so ist er doch zu allen...?"
"Na und? Er wohnt auch nicht mit "allen" zusammen in einem Zimmer! Ich kapiere einfach nicht, was mit ihm los ist. Ich meine irgendwas ist doch nicht richtig bei dem, oder? Oder will er nur Aufmerksamkeit? Castiel Shadownight... was ist das überhaupt für ein Name?", fragte der Schauspieler aufgebracht.
Der Regisseur seufzte. "Naja was den Namen angeht... den habe ich mir ausgesucht... dir ist bestimmt schon aufgefallen, dass eure Nachnamen sehr gut zu den Rollen passen, die ihr spielt, also bei Joanne und dir. Und deshalb dachte ich, dass es cool wäre, auch ihm einen Künstlernamen auszusuchen, der zu einem Vampir passt."
"Und wie ist dann sein richtiger Name? Und wieso zur Hölle kann er sich keinen eigenen Künstlernamen aussuchen?", fragte Jonathan.
"Seinen richtigen Namen wollte er mir nicht sagen. Er meinte, ich könne ihn nennen, wie ich will.", erklärte Handler.
"Was?", der Schauspieler war verwirrt. "Okay, mir reichts jetzt. Wer ist der Typ? Was ist hier los? Oder willst du mich nur verarschen?!"
"Komm runter, ich erklärs dir, wenn du willst.", beschwichtigte der Regisseur. "Also. Ich habe für diesen Film offene Castings veranstaltet, weil ich jüngeren Nachwuchsschauspielern eine Chance geben wollte. Nur bei Joanne und dir wusste ich von Anfang an, dass ich euch für je eine bestimmte Rolle wollte. Ich konnte durch die Castings jede andere Rolle zufriedenstellend besetzen, nur für Alexander Towerbird, den Vampir, habe ich niemanden gefunden, der wirklich gepasst hätte. Und es geht hier um eine Hauptrolle, ich wollte natürlich nicht, dass jemand einen so wichtigen Charakter komplett falsch spielte. Ich war also ziemlich aufgeschmissen, als ich mich vor einigen Wochen von den USA auf den Weg nach Canada machte. Ich hatte geplant, auch hier noch Castings für die Rolle des Vampirs zu veranstalten."
Er erinnerte sich noch genau an seine schlechte Laune, als er spät abends in einer Stadt haltgemacht hatte. Er wollte einen Supermarkt finden, der noch geöffnet hatte, um sich einen Cafe zu kaufen. Er hatte geplant, die Nacht durchzufahren, um den verringerten Verkehr zu nutzen, und wollte keinen Unfall aus Müdigkeit riskieren.
Jack hatte nahe eines großen Einkaufsladens geparkt und ging, die Hände in den Hosentaschen, durch die eisige Nacht auf das Gebäude zu, als er in einer dunklen, dreckigen Seitengasse etwas Helles sah. Irgendetwas schien dort zu leuchten.
Verwundert blieb der Regisseur stehen und versuchte zu erkennen, was sich dort in der Gasse befand. Doch es war zu dunkel und er konnte aus der Entfernung nichts erkennen. Langsam, vorsichtig ging der zierliche Mann mit den roten Haaren auf das Leuchten zu. Erst als er sich unmittelbar vor dem Eingang der Gasse wiederfand, sah er, was das "Leuchten" verursachte:
Da war ein Mensch, er lag zwischen Müll und dreckigem Schnee ganz still, unbewegt. Er schien kaum zu atmen, hatte die Augen geschlossen. Er trug nur eine zerissene, viel zu große Jeans und sein freier Oberkörper, über den sich mehrere schmale Narben zogen, schien so zerbrechlich und kalt wie der einer kostbaren Porzellan-Puppe. Seine schneeweißen Haare, die strähnig in sein Gesicht fielen, hatten das scheinbare Leuchten verursacht.
Jack Handler blieb entsetzt stehen. Er war sich sicher, dass der Junge tot war.
Als plötzlich seine weiße, schmale Hand zuckte. Aus seinem Mund lam ein leises Wimmern, als hätte er einen schrecklichen Albtraum.
Handler begriff, dass er sofort handeln musste. Er ging schnell in die schmale Gasse hinein. Er griff nach der Hand des anderen. Sie war eiskalt. Er versuchte, den Jungen aufzuwecken, doch dieser reagierte nicht. Also hob der Regisseur ihn auf, eine Hand an seinem kalten Rücken, eine andere unter seinen Knien. Der Junge war erschreckend leicht, obwohl er größer war als Jack und offensichtlich nicht untrainiert.
Der Regisseur trug den leblosen Körper zu seinem Auto und fuhr so schnell er konnte ins nächste Krankenhaus.
"Sie sagten, dass er kaum noch eine Chance hätte, jemals wieder aufzuwachen.", erzählte Handler. "Er war erschreckend unterkühlt, hatte einige kleinere entzündete Verletzungen am Rücken und zwei gebrochene Rippen. Doch wie du siehst, ist er aufgewacht. Und hat sich komplett erholt, zumindest körperlich. Es ist unglaublich, dass es ihm wieder so gut geht. Was das Psychische angeht bin ich allerdings überfordert. Er hat sich bedankt, dass ich ihm das Leben gerettet habe, indem er sich bereiterklärt hat, in meinem Film mitzuspielen. Denn, das muss ich zugeben, ich habe mir schon von Anfang an gedacht, dass er perfekt auf die offene Rolle passen würde. Aber was den Rest angeht, komme ich nicht an ihn heran. Er hat offensichtlich beschlossen, zu leben. Doch es ist ebenso offensichtlich, dass er Hilfe braucht. Und zwar nicht von irgendeinem Psychiater. Ich denke, er braucht jemanden, dem er vertrauen kann."___________________________________________________
jaja... melodramatik over 9.000... xD
aber es hat spass gemacht, das kapitel zu schreiben ^-^hat es euch auch spass gemacht, es zu lesen? oder ist es zuuuu dramatisch? beschwert euch ruhig in den comments :)
NanatsuNoTaizai
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Trust Hate Love
RomanceHunter ist kein leichter Job. Trotzdem erfüllt Milan Fallgates (Jonathan Hunter) seine Aufgabe, die Menschen vor gefährlichen "Fantasie-"Wesen zu schützen, sehr gewissenhaft. Doch als während einem Kampf mit seinem Erzfeind, dem Vampir Alexander Tow...