Kapitel 6

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"Doll-Dagga-Buzz-Buzz-Ziggety-Zag...", flüsterte Marilyn Mansons rauchige Stimme aus Aki's Handy, das dicht neben ihrem Kopf auf dem hellgrünen Kissen lag. Es war fünf Uhr morgens.
Seufzend und schweren Herzens ließ sich die Maskenbildnerin langsam übers Bett rollen bis sie mit einem kleinen "Flopp", in ihre Decke gewickelt, auf den Boden fiel. Langsam befreite sich die junge Frau von der, ebenfalls hellgrünen, Decke, stand auf und ging ins Bad. Sie sah in den Spiegel, ging aufs Klo und dann zurück in das kleine Schlafzimmer nebenan um ihr Handy zu holen, das sie dort vergessen hatte.
Immer bemüht, leise zu sein, schlich Aki zurück ins Bad und schlüpfte in eine hellblaue Jogginghose und ein schlichtes, schwarzes Top, wuschelte sich kury durch die grünen Haare, putzte sich die Zähne und schlich dann aus dem Bad heraus, durch das kleine Wohnzimmer.
Als sie schon vor der Tür stand, die aus dem Apartment hinausführte, drehte Aki nocheinmal um und schlich zu der dritten Tür, die aus dem Wohnzimmer führte. Leise drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die Tür gerade weit genug, um ihren Kopf durch die Öffnung zu stecken und einen Blick auf das darin befindliche Bett zu erhaschen.
Joanne schlief noch tief und fest. Sie lag da wie ein kleines Kind, scheinbar hoffnungslos mit ihrer Decke verknotet und ihr Kissen als eine Art Kuscheltier verwendend. Aki konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen, wie anders die Menschen aussahen, wenn sie sich keiner Art der Beobachtung bewusst waren...

"You belong to me, my Snow White Queen! There's nowhere to run, so let's just get it over. Soon, I know, you'll see, you're just like me. Don't scream anymore, my love, 'cause all I want is you!..."
Langsam reckte Jonathan die Hände über seinen Kopf und gähnte ausgiebig. Auch wenn man es ihm nicht unbedingt ansah, war er ein großer Fan der Band "Evanescence" und obwohl "Snow White Queen" schon etwas älter war, liebte er dieses Lied.
Verschlafen öffnete der junge Mann die Augen und warf einen Blick auf seinen teuren Wecker. Es war kurz nach fünf Uhr morgens. Was zur...?!
Ach ja, er hatte seinen Wecker auf diese irrsinnige Uhrzeit gestellt weil er sich mal wieder etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte zog er das auch konsequent durch! Auch wenn er dafür mitten in der Nacht aufstehen musste...
Eigentlich tat er das alles ja sowieso nur wegen Joanne.
Das Ganze hatte mit seiner zweiten "Nachhilfestunde" bei Jack Handler begonnen. Er hasste diese Sessions des Regisseurs und hatte sich relativ schnell aus der Frage herausgeredet, warum er Probleme hatte, sich mit seiner Rolle abzufinden. Er hatte behauptet, Handler mache unsinnige Vorgaben und gebe ihm keinen Platz zur Selbstverwirklichung, dabei war dem Schauspieler bewusst, dass der Regisseur ihm sehr wohl einigen Platz einräumte. Und auch wenn er es nie öffentlich zugeben würde, wusste Jonathan, dass er sich auf Grund der Extrastunden in seinem Schauspielerstolz gekränkt fühlte. Dabei hatte Handler ja Recht, in letzter Zeit lief es wirklich nicht gut.
Den Großteil der Tage nach dieser "Session" hatte Jonathan mit Joanne verbracht. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich mindestens so sehr für ihn interessierte, wie er sich für sie. Das hatte er anfangs zumindest gedacht. Doch dann war dem Schauspieler aufgefallen, dass sie sich noch mehr für Castiel zu interessieren schien.
Als Jonathan die Schauspielerin hierauf angesprochen hatte, hatte sie erklärt, dass sie sich um Castiel Sorgen mache und es ihr leichter fallen würde, sich anderen Dingen zu widmen, wenn sie wüsste, was mit dem anderen Schauspieler los war.
Kurz gesagt: Am Ende lief es darauf hinaus, dass Jonathan ihr versprochen hatte, herauszufinden, warum genau der Typ so war wie er war.
Bisher hatte der Schauspieler allerdings nicht viel herausgefunden, das lag zum einen daran, dass die Dreharbeiten inzwischen in vollem Gang waren und sowohl er selbst, als auch Castiel den größten Teil des Tages am Set beschäftigt waren. Deshalb hatte Jonathan bisher kaum Gelegenheit gehabt, herauszufinden, was der andere in seiner Freizeit tat, zumal beide nicht wirklich ausführlich mit Freizeit bestückt waren.
Zum anderen hätte Jonathan zu gern mal einen Blick in das Zimmer von Castiel geworfen, doch da beide Schauspieler meist zur gleichen Zeit Pause hatten, war selten nur einer der beiden in ihrer Wohnung.
Wenn Jonathan allerdings irgendetwas herausgefunden hatte, dann war es, dass Castiel gern mal alleine in den Wald ging und dabei jeden Verfolgungsversuch von Jonathan abschüttelte und vor allem, dass der andere Schauspieler unglaublich früh aufstand. Diesen Umstand nutzte Jonathan jetzt. Es war kurz nach fünf. Castiel stand immer ungefähr um fünf Uhr auf, ging ins Bad und dann zuerst nach draußen, was auch immer er dort tat.
Jonathan stand auf und horchte durch seine Zimmertür bis er hörte, wie die etwas schwerere Eingangstür geöffnet und dann wieder geschlossen wurde.
Leise drückte er die Klinke seiner Zimmertür nach unten und öffnete die Tür einen Spalt breit. Castiel war tatsächlich weg. Perfekt! Jetzt hatte Jonathan noch über eine Stunde Zeit, bis die anderen ihn zum Frühstück erwarten würden. War nur zu hoffen, dass sich das frühe Aufstehen auch gelohnt haben würde...

Wie jeden Morgen waren um diese Uhrzeit noch recht wenige Leute auf den Beinen, vor allem Masken- und Kostümbildner, Drehbuchautoren und natürlich der Regisseur waren anwesend, die hochwohlgeborenen Schsudpieler würden sich erst um einiges später aus ihren Betten quälen.
Bis auf Castiel natürlich, dachte Aki. Der weißhaarige Mann war wie jeden Morgen schon auf, trank einige Tassen Espresso und verschwand dann. Aki warf Jack Handler einen strengen Blick zu, doch der Regisseur wich aus. Es war offensichtlich, dass es Castiel innerlich nicht halb so gut ging wie die Ärzte seine Gesundheit eingeschätzt hatten. Er war, sallopp ausgedrückt, total am Arsch und Aki sah Handler an der Nase an, dass auch der Regisseur die Bombe ticken hörte. Er wollte es nicht wahrhaben, aber wenn sich nicht bald etwas gravierend zum Positiven änderte, konnte man Castiel nicht länger am Set behalten. Er gehörte in die Obhut eines Psychiaters, daran änderte auch Handlers Hass gegen dieselben nichts.
Aki nahm sich vor, den Regisseur so schnell wie möglich zur Rede zu stellen.

Jonathan hatte sich angezogen und überlegte jetzt fieberhaft, wie er Castiels Schlafzimmertür aufbekommen sollte. Hatte er soetwas überhaupt schon einmal gemacht? Die Situation kam ihm irgendwie bekannt vor... da fiel dem Schauspieler ein, dass er in einem Film vor einigen Jahren mal eine Tür mit einer Haarnadel geknackt hatte... wie gut, dass er selbst ein paar Haarnadeln besaß. Er war nicht stolz darauf, aber manchmal hatte er keine andere Möglichkeit, mit seinen langen Haaren klarzukommen, als sie mit "Mädchenzeug" zu bändigen.
Als der Schauspieler mit der Haarnadel im Schlüsselloch herumstocherte, kamen ihm plötzlich Zweifel. Im Film funktionierten diese Dinge immer aber im echten Leben?
Er erinnerte sich an einen Setmitarbeiter von damals, der ihm erklärt hatte, dass man nur bei billigen Schlössern mit Haarnadeln klarkam. Für kompliziertere Schlösser brauche man ein ganzes Dietrichset und einige Erfahrung. Natürlich besaß Jonathan keines von beiden. Fluchend wollte der Schauspieler gerade aufgeben, als das Schloss nachgab.
Aha, billige Schlösser, huh? Aber auf der anderen Seite war es wohl nicht sehr wahrscheinlich, dass sich zwei Schauspieler gegenseitig bestielen.
Nach kurzem Zögern betrat Jonathan das fremde Zimmer. Es war eigentlich alles ganz normal, zwei Fenster gaben den Blick zum unendlichen kanandischen Wald frei, ein Bett stand mit der Kopfseite an der Wand zwischen den Fenstern. Daneben war ein kleiner Nachttisch, insgesamt die gleichen Möbel wie sie auch in Jonathans Zimmer standen. Der Schauspieler wusste nicht, was er sich von dem Zimmer des anderen erhofft hatte aber er war schon irgendwie enttäuscht.
Trotzdem beschloss er, die Sache durchzuziehen und die Schränke zu durchsuchen. Irgendetwas musste es ja zu finden geben.
Doch auch die Kleiderschränke waren im Großen und Ganzen normal, Castiel hatte zwar einen seltsamen Kleidungsstil, so viel schwarz und grau, aber ansonsten gab es nichts Bemerkenswertes zu finden.
Als Jonathan allerdings eine Schublade des Nachttisches öffnete, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf.
Die obere Schublade des Nachttischs war bis zum Rand gefüllt mit Medikamenten. Bei genauerem Hinsehen erkannte Jonathan, dass es sich bei den meisten um Schlaftabletten handelte.
In der unteren Schublade waren Taschentücher, dünne Bandagen, Desinfektionsmittel und ein scharfes Messer.
Zur Sicherheit schloss Jonathan die Schubladen wieder. Als er sie erneut öffnete waren die dubiosen Gegenstände allerdings, entgegen seiner Erwartungen, immernoch da.
Aber was zur Hölle hatte das zu bedeuten?! Warum würde jemand... das war doch sicher nicht ungefährlich! Wusste Handler davon?
Und wenn nicht, wie sollte Jonathan dem Regisseur erklären, dass er seinen Schützling, anstatt ihn zu retten, in Lebensgefahr gebracht hatte?

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Hey und danke dass ihr dieses Kapitel gelesen habt :)

NanatsuNoTaizai

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