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Die nächsten Tage verlaufen ruhiger und normal. Ich habe eine Menge zu tun und das ist auch gut so. Ich hatte ziemlich böse Albträume, in denen mich weiße Leichen durch das Krankenhaus jagen und welche, in denen ich selbst feststellen musste, dass ich zu einer weißen Leiche geworden bin.
Die teils eintönige Arbeit lenkt mich gut davon ab.
Doch heute habe ich wieder eine Trage mit einer sich windenden jungen Frau im Flur gesehen.

Und es werden immer mehr.

Ich sitze in der Mensa mit Wilma. Schweigend. Wilma ist dauernd im Stress, oft bin ich stundenlang alleine in der Halle, zum Glück ohne weiße Leichen.
Wilma sieht müde aus. Ständig reibt sie sich die Schläfen.
Draußen vom Flur höre ich Rufe und das Geräusch kleiner Räder auf dem Boden.
Wilma schließt kurz die Augen, bevor sie aufsteht und raus in den Flur hastet.
Während ich allein weiter esse, höre ich noch zwei mal die Rollen der Tragen.

Im Laufe des Tages gibt es eine regelrechte Invasion von diesen weißen Leichen.
Alle im Krankenhaus sind angespannt, ratlos, mich eingeschlossen.
Durch Gespräche der Ärzte in der Mensa erfahre ich, dass die Biologen sowie Chemiker fieberhaft versuchen herauszufinden, was das für ein Virus ist, dass dieses rätselhafte Syndrom auslöst. Bisher keinerlei Erfolge. Man weiß nicht einmal, wie es sich überträgt oder wie man sich schützen kann.
Es kommt mir vor wie in einem schlechten Zombie-Film.

Ich mache meine Arbeit so gut es geht weiter, aber ich bin sehr froh, dass heute schon Freitag ist. Ein Wochenende wird mir gut tun.
Mit einem Korb voller Handschuhe und Schürzen laufe ich den Gang entlang zur Leichenhalle. Noch einen Tag, dann habe ich es geschafft.
Mit dem Fuß schiebe ich die Tür auf.
Eilig laufe ich auf das Regal zu, um schnell wieder diesen Ort verlassen zu können.

Poch, Poch.

Was war das? Ich wirbele herum, sehe aber niemanden. Ich seufze. Ich brauche dringend eine Pause.

Poch, Poch, Klack.

Das habe ich mir nicht eingebildet! Ich stelle mich in die Mitte des Raumes, um das Geräusch besser orten zu können.
Ein dumpfes Klopfen kommt aus der einen Wand mit den Leichenkammern. Meine Nackenhaare richten sich auf.

Poch, Poch, Poch.

Ich wagte nicht zu atmen. War dort etwas Lebendes gefangen? Wenn ja, wieso höre ich kein Rufen oder Schreien? Wieso nur Klopfen? Vielleicht war derjenige nicht fähig, den Mund zu öffnen? Wie bei den... weißen Leichen!!

Eine Hand legt sich auf meine Schulter.

Ich schreie und schlage um mich.
„Vorsicht! Ich bin es doch nur!", Wilma weicht verwirrt meinem rudernden Arm aus.
Erleichtert entschuldige ich mich. Ist das peinlich!
„Alyson, warum hast du da so still gestanden? Hast du was gehört?", fragt sie.
„Ähm... Nun, ich dachte, ich hätte eine Art Klopfen aus den Kammern gehört. Aber das kann nicht sein. Vergessen Sie es bitte.".
„Sollen wir nachschauen? Um dich zu beruhigen?", Wilma ist immer so verständnisvoll.
„Nein, nein... Ich...", doch da war sie schon an einer der Türen.
Widerstrebend folge ich ihr.
Langsam öffnet Wilma den Verschluss der Tür. Das Scharnier quietscht ein wenig, dann zieht sie die Bahre heraus.
Es ist eine weiße Leiche. Ihre Arme liegen ein wenig verdreht da und das linke Knie ist leicht angewinkelt, aber sonst ist sie ganz normal (wenn man das bei diesen seltsamen Leichen sagen kann).
„Okay, tut mir Leid, ich bilde mir schon Sachen ein, ich...", das ist mir so schrecklich peinlich.
„Das macht doch nichts, mir geht es ähnlich. Komm, es ist Mittagspause.", Wilma zieht mich sanft am Arm Richtung Tür.

Unsanft werde ich abgebremst, als Wilma plötzlich wie aus dem Nichts stehenbleibt. Bevor ich protestieren kann, lässt mich das metallische Scheppern des Tabletts, das Wilma kurz bevor noch in der Hand gehalten hatte, erneut zusammenzucken.
"Was ist denn los? Alles in Ordnung?", bemüht, nicht auf die zerstreuten Instrumente auf dem Boden zu treten, weiche ich weiter in den Raum hinein. Jetzt sehe ich auch, warum Wilma nur Augen für die Kammern hat. Eine der Türen ist geöffnet und der Inhalt der Kammer - eine der verdammten weißen Leichen - liegt nicht mehr ansatzweise in der vorgeschriebenen Pose. Im Gegenteil, der Oberkörper hängt fast senkrecht an der rechten Seite herunter, die Hand berührt den Boden.
Nach ein paar Sekunden Stille zwischen uns und dem Anblick räuspert Wilma sich, "Ich muss die Klappe vorhin nicht vollständig geschlossen haben, Alyson. Das ist die einzige Möglichkeit, du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich werde noch einmal mit meinen Kollegen reden, vielleicht haben sie was damit zu tun."
"Genau, bestimmt haben sie uns einen Streich spielen wollen...", versuche ich zu scherzen, doch sie reagiert nicht. Stattdessen bückt sie sich wie in Zeitlupe und fängt an, die Platte wieder einzuräumen. Dankbar für die Ablenkung helfe ich ihr.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 05, 2015 ⏰

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