Kapitel 1

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Mein Bastard von Chef kommt in meine Umkleidekabine und mustert mich abschätzend.
Für ihn sehe ich nie gut genug aus.

"Du spielst die sexy Lehrerin.", bestimmt er. Seufzend schnappe ich mir die Kurzhaarperücke und setze mir die Brille auf.

Ich betrachte mich im Spiegel. Gott, diese Rolle mag ich wirklich nicht. Mit dieser Brille fühle ich mich so erwachsen, was ich eigentlich nicht bin. Na ja, wenn 17 als erwachsen durchgeht, dann vielleicht schon. Übrigens muss ich sie fast ständig tragen.

Abgesehen davon sehe ich mir kaum ähnlich mit dieser Perücke und dem knallrotem Lippenstift. Meine Haare sind nicht kurz, glatt und blond. Einen Ponny habe ich auch nicht, sondern dunkelbraune, lange und wellige Haare.

Dieses kleine Höschen, das kaum meinen Arsch bedeckt, und das schwarze bauchfreie Top lassen nicht mehr viel der Phantasie übrig.

Als ich aus der Ankleide trete bemerke ich sofort Charlene und laufe auf sie zu.

"Hey, Bitch.", rufe ich und betrachte sie. Charlie zupft sich ihre schwarze Perücke zurecht und flucht wild. "Diese scheiß Haare! Ich beneide dich Emma. Wie kriegst du denn deine ganzen Haare da rein?" Verzweifelt quetscht sie ihre blonden Haare unter die Perücke. "Übung.", grinse ich.

Charlene ist meine beste Freundin. Okay... meine einzige Freundin, was ziemlich deprimiert ist. Mein Spitzname für sie ist Charlie, den ich seit der viertenKlasse beibehalte.

Plötzlich wird der Vorhang schwungvoll aufgerissen. "Du bist dran Emma.", sagt ein großer Mann um die vierzig und hält mir ihn auf.

Durchatmen. Du kann das. Du tust es ständig, also zeig ihnen wer du bist.

Ein Typ kündigt mich an und ich trete auf die Bühne. Der Club meines Cheffes David ist mal wieder rappelvoll.

Alle Augen sind auf mich gerichtet. Aber mich interessiert nur die Stange aus Stahl auf dem Podest. Die Poledance-Stange.

Während ich meinen Auftritt habe gaffen mich die Männer an. Geschmeidig schwinge ich mich hoch und drehe mich verführerisch. Ich fange den Blick eines blonden Typen mit Tattoo im Gesicht auf und zwinkere ihm neckisch zu.

Sofort schluckt er und wird ganz nervös. Schmunzelnd tanze ich das Lied zu Ende und verschwinde wieder hinter die Bühne. David kommt auf mich zu. "Du kannst noch nicht gehen. Die wollen Zugabe.", faucht er mich an.

"Ich hab meinen Job getan, David.", entgegne ich genervt. "Du schuldest mir übrigens noch tausend Euro."
Widerwillig steckt er sie in mein Höschen und macht einen Abgang.

"Schlampe, bleib sofort stehen!", quiekt Charlie und rennt mir hinterher. "Was gibt's?" Irritiert starrt sie mich an. "Du hast mir lange nichts mehr von deinen heißen Brüdern erzählt.", grinst sie verräterisch. Kichernd schubse ich sie spielerisch an und steige in meinen Wagen.

Endlich Feierabend. Der Tag war zu stressig für mich. Besonders die Aufgabe meine Identität zu bewahren.

...

Im Auto krame ich hastig in meiner Sporttasche nach meinem ausgeleiertem Pullover, mache mir einen strengen Pferdeschwanz, schminke mich gründlich ab und setzte meine Nerdbrille auf.

So kann ich gehen.

Als ich leise das Wohnzimmer betrete kommt mein Vater um die Ecke und schaut mich geschockt  an.
"Was tust du um zwei Uhr morgens hier unten?!", frägt er verwirrt.

'Ach ich hab in einem Club für Geld gestrippt und hey, es macht spaß!'
... Lieber keine Wahrheit!

"Ich war noch kurz bei Charlie. Zum lernen.", stottere ich schnell. Misstrauisch blickt er mich an. Mein Vater weiß genau, dass ich in der Schule eine Streberin bin. Zumindest gebe ich mein bestes, um diese Fassade aufrecht zu erhalten und bisher ist ihm nichts merkwürdig vorgekommen. Trotzdem wundert es mich, dass es ihm nichts ausmacht, dass ich um zwei morgens draußen rumspaziere. Entweder vertraut er mir oder ihm ist es in echt scheißegal.

"Wie du meinst. Alex geht morgen mit Henry in einen Club. Geh doch mit.", schlägt er gähnend vor.

Ich seufze. Er will mich unter die Leute bringen, das verstehe ich ja, aber mit Alex und Henry?! Ne danke.

Seit drei Wochen wohne ich nun mit den beiden Badboys der Schule jetzt unter einem Dach. Sie sind ein Jahr älter als ich. Nur geht Alex auf eine Klasse über mir und Henry ist in Mathe durchgefallen, weshalb er in meinem Klassenzimmer sitzt. Einer gemeiner als der andere.

Wie aufs Stichwort kommt Alex, Henrys großer Bruder, durch die Tür und grinst mich gehässig an.

"Na, Bücherwurm? Müsstest du nicht längst im Bett sein mit deinem Lernzeug? Ach stimmt, ja. Um sieben ist das Sandmännchen vorbei.", lacht er leise und trinkt einen Liter Milch aus dem Kühlschrank.

Meine Milch, verdammt! Aber heute lass ich das noch durchgehen. Ich will einfach nur schlafen gehen.

"Hast was verpasst. Louis hat sein Hemd ausgezogen und mit Diana rumgemacht."

Das macht er mit Absicht!
Alex glaubt, dass ich auf den Nerd der Schule stehe. Naja... vielleicht puscht das ja mein Image auf.

"Wie bitte?!" Fassungslos starre ich ihn an.
Ich spiele meine Rolle echt gut.

"Hast schon richtig gehört. Hättest mal Henry sehen sollen. Man war der hackedicht!", schüttelt er amüsiert den Kopf und ich muss ein Grinsen unterdrücken.

Nicht vor Alex grinsen! Sonst denkt der noch ich fände ihn witzig. Was nicht der Fall ist.

Er ist um einiges größer als ich, was mich ohne meine High heels klein aussehen lässt. Lässig verwuschelt er seine hellbraunen Haare. Wie eingebildet er doch ist.

Genervt stapfe ich die Treppe hoch und höre gerade noch durch mein offenes Fenster, wie ein lallender Henry versucht die Tür aufzuschließen.

Scheint ihm nicht besonders zu gelingen.

"Hey, Henry! Brauchst du ne Brille oder bist du tatsächlich zu blöd um das Schlüsselloch zu treffen?", brülle ich ihm auf der Fensterbank sitzend zu und habe einen hervorragenden Blick auf seinen blonden Lockenschopf. Wäre ich er würde ich ihm auf den Kopf spucken.

Überrascht schaut er hoch und kneift seine Augen zu. "Nicht so frech, Würmchen. Du hast keine Ahnung. Hockst eh nur im Zimmer rum.", murmelt er benommen und taumelt nach hinten.

Oh man... wie blöd kann mein eigentlich sein?

Geschockt sehe ich Henry zu, wie er sich mitten in unserem Garten übergibt und auf der Wiese liegenbleibt.

War mal wieder typisch! Die Draufgänger lassen mich mal wieder aufräumen. Nicht mal ich kann das mitansehen.

Angepisst schlage ich ohne zu klopfen Alex' Zimmertür auf und mache die dröhnende Musik aus.

Lauter ging es wohl nicht.

"Kümmer dich mal um deinen Bruder. Der Trottel liegt mal wieder bewusstlos im Garten. Was hat er genommen, verdammt?!"

"Hey, nicht in dem Ton.", zischt er wütend. "Sag erst bitte.", befiehlt er und grinst schon wieder gehässig wie immer.

Arschloch!

"Ist nicht mein Bruder.", entgegne ich nur wütend und marschiere in mein Zimmer zurück.

My secret of PoledanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt