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  »Gut, also Samira.« Ich warf ihr einen schnellen Blick zu. Ihre Aufmerksamkeit war nun wieder bei mir.»Also, du willst ihm zeigen, was er verpasst? Aber du willst ihn nicht mehr zurück?«Sie nickte so fest, dass ihre blonden Locken auf und ab flogen.Normalerweise würde sich keine Cheerleaderin mit mir abgeben. Ich war die Seltsame, eine, die man schwer einschätzen konnte. Cheerleader wollen immer die Kontrolle haben.»Also Schritt eins: Verbrenne alle seine Sachen, die du noch hast! Oder steck sie in einen großen Karton und gib ihn mir.Als Nächstes löschst du all die Erinnerungen. Das heißt, alle Bilder auf deinem Handy. Danach schreibst du alles auf, was er dir angetan hat, alles, was du ihm schon lange sagen wolltest.Alles auf ein großes Blatt, und nach alldem vernichtest du dieses Blatt.«»Wieso sollte ich etwas aufschreiben und es dann vernichten?«»So kannst du abschließen. Du kannst es beenden. Deinen Gefühlen freien Lauf lassen. Jedoch ist das Wichtigste, dass du alle Erinnerungen löschst. Sonst wirst du jedes Mal daran erinnert.«Sie nickte. Sam war eine einfache Kundin. Es gab auch andere,die vor Wut und Verzweiflung fast mein Zimmer kurz und klein schlugen, ganze Tempo-Packungen vollheulten oder meinem Schokoladenvorrat in der Küche beseitigten.»Gut, damit habe ich kein Problem. Ich will einfach, dass er sieht, was er verpasst hat.«»Das wird er, solange du ihm nicht nachläufst. Dann wird er nämlich merken, was er hatte, und es bitter bereuen.«»Sicher?«»Hundertprozentig! Jungs brauchen Bestätigung, sie kommen immer ein zweites Mal angekrochen.«In Gedanken fügte ich zu dem zweiten Mal noch einige Nullen hinzu.»Gut, was kommt nach all dem Vergessen und Abschließen?«»Der Tritt in seinen kleinen Hintern. Jedoch folgt das erst danach. Melde dich wieder, wenn du all das getan hast!«Ich stand auf und hoffte, Samira würde sich endlich von meinem Bett erheben.»Warum machst du das alles eigentlich?« Fragend sah sie mich an. Ich wusste, was sie meinte. Das war eine der meist gestellten Fragen. Warum ich das alles tat? Ich wusste es selber nicht. Ich glaube, ich wollte einfach nicht, dass alle um mich herum in diesen Liebeskummerwahn verfielen. Ich hatte schon eine Mutter zu Hause, die das tat.»Ich helfe gerne«, meinte ich nur und zuckte mit den Schultern.Dies genügte ihr anscheinend als Antwort. Mit zufriedenem Lächeln verließ Sam mein Haus.Ein wenig müde legte ich mich ausgestreckt auf mein großes Bett. Kurz schloss ich meine Augen. Im nächsten Moment klingelte erneut mein Handy. Mühsam richtete ich mich auf und warf einen Blick auf das schwarze Ding in meinen Händen.Zwei Nachrichten.Eine war von Rabea, und die andere war von einer zufriedenen Kundin. Ich nannte sie alle Kunden, auch wenn ich damit kein Geld verdiente.Die zweite Nachricht war von Ally. Einem netten Mädchen aus meiner Nähe. Sie war einige Jahre mit einem Kerl aus der oberen Klassenstufe zusammen gewesen. Dieser hatte sie dann für irgendeine Brünette sitzen lassen. Nach meinen Tipps ging es ihr nun schon um einiges besser, und sie hatte sogar nächste Woche ein Date mit einem Kerl aus ihrem Buchclub. Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ganz vergessen hatte, Sam nach einem Namen zu fragen. Normalerweise fragte ich  immer nach den Namen der Typen. So war es einfacher, herauszufinden,ob meine Kundinnen rückfällig wurden, aber manchmal gab es auch den sogenannten Siegestag. Das war der Tag, an dem meine Kundin an ihrem Ex vorbei lief und ihm die kalte Schulter zeigen konnte. Das war der Tag, an dem sich zeigte, ob alles geklappt hatte. Nur musste ich mich dafür stets zuerst informieren, wo ich den Ex der jeweiligen Kundin antreffen konnte.Manchmal kam ich mir wie ein kranker Stalker vor.Ich schnappte mir das Handy und tippte kurz eine SMS an Sam, um mich wegen des Namens zu erkunden. Es dauerte nicht lange, da erschien auf meinem Handy eine neue Mitteilung:Jasper Raven.Ich las den Namen einige Male. Ich kannte niemanden, der so hieß.»Hm.« Ich zuckte mit den Schultern und rollte mich dann in meine weiche Decke. Zuerst einmal würde ich eine Runde schlafe und danach diesen Jasper ausfindig machen.Als ich das kleine Café in der Stadt betrat, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte ein wenig länger geschlafen als beabsichtigt. Rabea wartete nun bereits seit zwanzig Minuten.Sie hatte das braune Haar hochgesteckt und trug ein blaues Oberteil mit schwarzen Hosen. Sie kniff die Augen zusammen, als sie mich mit schnellen Schritten durch das Geschäft huschen sah.»Typisch«, murmelte sie in ihre heiße Schokolade und musterte mich dann von oben bis unten.»Tut mir leid, ich habe ...«»... geschlafen«, beendete sie meinen Satz und schüttelte dann den Kopf.»Ich sagte ja: typisch.«»Ich mache es wieder gut. Ich habe eine interessante neue Kundin.«Jetzt war Rabea neugierig. Sie stellte die Tasse langsam ab und richtete ihren Blick nun voll und ganz auf mich.»Du kennst doch diese Cheerleaderin mit den langen blonden Locken.«»Samira Kaster?«»Genau die.«»Was ist mit ihr?«»Ihr Freund hat Schluss gemacht, und sie will ihm nun zeigen,was er alles verpasst.«»Was verpasst er? Blaue Pompons die ihm während des Liebesaktes durch das Gesicht wischen, und wöchentliche Friseurtermine?«Ich verbarg mein Grinsen hinter meinen Händen. »Rabea!«,meinte ich nur und schüttelte den Kopf.»Ist doch so, mittags essen solche Mädchen einen Kieselstein.Soll gut im Magen liegen, habe ich gehört.«»Das ist ein wenig zu klischeehaft.«»Vielleicht ein bisschen.« Sie griff wieder nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck.»Wie heißt der Gute denn?«»Jasper Raven, aber keine Ahnung, wer das ist.«»Googel ihn doch mal!«Ich nickte. »Werde ich machen, sobald ich zu Hause bin.«Ich warf einen kurzen Blick aus dem großen Fenster gleich neben unserem Tisch. Dicke graue Wolken zogen auf, war das ein schlechtes Omen?  

Liebeskummer gibt es nicht • LESEPROBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt