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Tim kam nach wenigen Minuten ebenfalls runter und schmiss sich auf das Sofa vor mir. "Was machen wir heute?", nuschelte er in das Kissen auf dem er lag. Ich zuckte die Schultern. Sekunden später sah er mich fragend an. "Keine Ahung", sprach ich und starrte aus dem Fenster rechts neben mir. Die Sonne schien und warf die riesigen Bäume in ein schönes, tiefes Grün. Den See konnte ich von hier nicht sehen, da das Fenster sich auf der anderen Seite befand. Kleine Staubfussel flogen am Fenster vorbei und breiteten sich auf diesem aus. Die Sonne spielte mit ihnen und verwandelte sich zu einer kleinen Tanzeinlage. Verträumt und etwas lächelnd betrachtete ich die kleinen Fussel. "Wollen wir nicht über gestern reden?", fragte Tim urplötzlich aber sah mich dabei nicht an. Ich drehte mich zu ihm. "Was meinst du?", fragte ich. Natürlich wusste ich genau was er meint, aber ich wollte es nochmal aus seinem Munde hören. "Du weißt was ich meine, Stegi. Langsam glaube ich echt das Stexpert real ist", sagte er und setzte sich hin um mir in die Augen zu schauen. Ich sprang ruckartig auf und konnte das nicht fassen. "Du bist doch derjenige der die ganze Zeit solche dummen Anspielungen macht. Vonwegen Kondome und das gestern im Pool und deine ständigen Annäherungen. Nur weil ich dich einmal, nur ein einziges mal nah bei mir haben wollte, machste direkt so'n Fass drauß oder was? Meine Fresse, stell dir nochmal die Frage: Glaubst du dass Stexpert real wird oder willst du es?", mit diesen Worten ging ich aus dem Raum, hoch in mein derzeitiges Zimmer. Ich nahm mir meine Kopfhörer und was zu trinken, packte alles in meinen Rucksack und ging die Treppen runter. Auf dem Küchentisch lag nach wie vor mein Handy, das schnappte ich mir und ging zur Haustür. "Stegi, renn' doch jetzt nicht weg", mit einem aufrechten Mittelfinger verabschiedete ich mich für jetzt von Tim. Ich begab mich in den Wald, der dieses Haus umgab.

Ich ging geradewegs zum See, doch umrundete ihn nochmal damit Tim mich nicht so schnell finden würde. Ich weiß dass er mir folgen wird. Wenn nicht jetzt, dann später. So war das immer bei uns. Wir stritten uns, ich begab mich zum abreagieren irgendwo nach draußen und Tim kam um sich zu entschuldigen. Ein ewiger Kreislauf von Stexpert. Ich hockte mich am Seeufer hin und ließ mich dann nach hinten fallen. Ich fasste links und rechts neben mir den Boden an. Steine lagen vor mir am Ufer, der Untergrund auf dem ich saß war sandig und ein wenig nass. Das störte mich aber nicht weiter. Ich winkelte meine Beine an und stützte meine Arme drauf. So saß ich Minuten lang, ohne mich zu bewegen. Ich sah auf den See, der kleine Wellen vom Wind zeigte. Nebenbei achtete ich auf mein Umfeld. In einem Wald muss man immer seine Gegend stets im Blick haben, sonst verlierst du schnell die Orientierung oder du wirst unerwartet überrascht. Sagte mein Vater damals als er mit mir und meinem Bruder immer in der Umgebung wandern oder angeln gegangen ist.

Mittlerweile wurde es etwas kühler und auch die Sonne verschwand am Horizont. Die Mücken kamen und umschwirrten mich. Ich hörte hinter mir etwas rascheln, schenkte es aber keine Beachtung. Wäre es ein Tier, hätte es mich schon angegriffen. Mein Wissen über Tiere stieg in den Jahren ins Unendliche. Eine Person ging von hinten auf mich zu, sie versuchte nicht leise zu sein also konnte es nur Tim sein. Er ließ sich neben mir auf dem Boden nieder und nahm die selbe Position wie ich ein. Gemeinsam sahen wir nun auf den immer dunkler werdenen See. Tim seuftzte nach einigen Minuten der Stille. "Es tut mir leid", sagte er wie erwartet. "Nein Tim, langsam ist es einfach nur noch anstrengend dass wir ständig streiten. Immer das gleiche Spiel", ich sah rüber zu ihm und sah die Traue in seinen Augen aufsteigen. Ich drehte den Kopf wieder weg und wartete auf seine Antwort. "Es tut mir leid, Stegi. Aber wir sind nun mal so. Streiten gehört bei uns zu der Tagesordnung. Und das weißt du doch. Natürlich ist es nervig, aber ey? Immerhin ist die Versöhnung danach umso schöner", sprach er. Er stand auf und wuschelte mir durch meine kurzen, blonden Haare. "Wenn du Hunger bekommst, komm einfach rein. Ich werd' was kochen", sagte er und ging dann. Und das passierte auch immer nach dem Streit. Ich sah es nie ein und ließ Tim alleine gehen. Manchmal kann ich schon ein Sturkopf sein.

Nachdem ich noch eine halbe Stunde dort saß, ging ich wieder zurück zum Haus. Ich stolperte einige Male über Geäst und Stöcker, da es mittlerweile so dunkel war dass ich meine eigene Hand vor Augen nicht mehr sah. Ich schlich zum Haus und ging hinein. Sofort kam der Geruch von selbstgemachter Pizza und irgendwas anderem in meine Nase. Ich wurde quasi magisch angezogen von diesem wunderbaren Duft. Ich ging rüber zur Küche und sah einen mit Mehl bedeckten, Schürze-tragenden Tim der gerade den Abwasch machte. Mir stockte der Atem. "Wow", brachte ich raus und sah ihn an. Er lachte auf. "Sehe ich schön aus in der Schürze?", fragte er und drehte sich einmal. "Keine Ahnung, ich sehe nur das Mehl", sagte ich spöttisch. Ich dachte nicht daran ihm zu helfen, also ging ich zur Couch und schmiss mich auf sie. Mit der Fernbedienung in der Hand zappte ich durch die Kanäle. 'Nur Mist im Fernsehen', meckerte ich in Gedanken.  "STEGI?!", höre ich es rufen. Ich ignorierte es gekonnt und starrte weiter gebannt auf dem Fernseher und suchte weiter. "STEEEEGI?", rief er erneut. Ich seufzte und ging zu ihm in die Küche. Ich sah ihn zuerst nicht. "Guck mal", ich schaute ihn in die Richtung wo seine Stimme her kam und hatte eine handvoll Mehl im Gesicht. Für ein paar Sekunden war ich erstmal baff und er lachte sich kaputt. "Hast du nich' gemacht", sagte ich und griff zum Mehl. Wir lieferten uns einer riesigen Mehlschlacht, bis wir uns prügelnd auf dem Boden wälzten. Natürlich war das alles nur Spaß. Tim rollte sich auf mich und sah mich lachend an, dabei kniff er seine Augen zusammen. Wir waren beide von oben bis unten voll mit Mehl. Wir lachten ohne Ende, bis ich verstummte und ihn intensiver ansah. Er tat es mir gleich. Sekunden vergingen wie Stunden und ich wünschte mir jetzt nichts sehnlicher als im Erdboden zu versinken. Tim kam näher, so nah dass unsere Nasenspitzen sich berührten. Ich war paralysiert von seinen Augen die mich mit einer intensiven Lust anstarrten. Keine Sekunden vergingen, dann lagen seine Lippen auf meinen. Ein blitzartiges Gefühl entstand in meiner Magengegend und meine Lippen fingen an zu kribbeln. Dieser Kuss dauerte ewig und zeigte keine Anstalten aufzuhören. Sanft ließ Tim von meinen Lippen ab und stieg von mir runter. Er fasste sich verlegen an den Hals und tippte nervös mit den Füßen. "Ich.. Ich geh' mal duschen", sagte er und verschwand sofort aus der Küche. Ich lag immernoch auf dem Boden und verstand gerade die Welt nicht. Meine Lippen kribbelten weiterhin.


Stexpert ≫ like a galaxyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt