Prolog

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Es war ein windige Nacht.

Leise schlich ich die dunklen Gänge entlang, darauf bedacht möglichst leise zu sein. Zum Glück war noch niemand wach. Eigentlich kein Wunder, immerhin war es gerade knapp nach Mitternacht und die Bediensteten mussten schon vor dem Sonnenaufgang aufstehen. Dementsprechend war es mucksmäuschenstill im Schloss. Einzig und allein meine Schritte konnte man hören, aber auch nur wenn man ganz spitze Ohren besaß.
Die Wachleute -, die draußen am Haupttor standen - hatten solche.

Allerdings nahm ich nicht diesen Weg. Immerhin kannte ich einige Geheimgänge, die selbstverständlich nicht bewacht wurden. Einer von ihnen führte direkt nach draußen. Genau den nahm ich. Zuerst musste ich aber das Gemälde zur Seite schieben. Dahinter kam ein rundes Loch zum Vorschein. Vorsichtig schlüpfte ich hinein und verschloss den Eingang sorgfältig. Nicht dass noch wer auf die Idee kam, zu gucken ob da was wäre. Denn dann würde man mich schneller finden können und das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Noch mehr Dunkelheit umfing mich, so das ich kaum was sehen konnte. Deshalb öffnete ich meinen Rucksack - welchen ich zuvor mit wichtigen Dingen vollgestopft hatte - und kramte meine Taschenlampe heraus. Sobald meine Finger das kühle Metall berührten, umfasste ich es und holte es aus der Tasche raus. Dann knipste ich es an und musste unweigerlich meine Augen zusammenkneifen.

Nach ein paar Sekunden gewöhnte ich mich an das helle Licht und schritt den Gang entlang. Ein paar Mal nieste ich, da es ziemlich staubig war. In diesen Momenten kroch die Panik in mir hoch, dass mich wer hören könnte.
Glücklicherweise war mein Niesen recht leise. Und falls es doch etwas lauter gewesen wäre, hätte das dabei verursachte Geräusch diesen Gang nicht verlassen.
Ja, ich wusste es und dennoch ... konnte ich nicht anders als Angst zu haben. Angst davor, dass mein Plan fehlschlagen würde. An den Gedanken daran schüttelte ich meinen Kopf und redete mir selber gut ein.

Es würde schon klappen. Es musste einfach klappen!

Inzwischen war ich schon so weit gekommen, dass einzelne Blätter auf den Boden lagen. Ein Zeichen dafür, dass ich es fast geschafft hatte.
Und tatsächlich. Vor mir ragte ein Busch. Bei dem Versuch die kleinen Zweige beiseite zu bewegen, verletzte ich mich. Vor Schmerz zischte ich, wobei ich versuchte leise zu sein. Mein Blick fiel auf meine Hand. Sogleich wendete ich ihn wieder ab.
Scheinbar hat mich ein Dorn so doll gestochen, dass ich blutete. Dämmlicherweise konnte ich kein Blut sehen. Hieß mir wurde schwindelig und nicht selten führte dies zu Bewusstlosigkeit. Heute konnte ich mir das allerdings nicht erlauben. Weshalb ich mich zusammen reißte und versuchte meinen Atem zu normalisieren, der leicht hechelnd war. Nach einer Weile hatte ich mich beruhigt und es ging weiter.

Obwohl es weh tat und ich dadurch noch mehr Wunden kriegte, schob ich immer mehr Zweige beiseite. Durch die entstandenen kleinen Hohlräume zwängte ich mich Richtung Ausgang.

Ab dort war es nicht mehr so weit. Am Ende des Tunnels vernahm ich ein kleines Glitzern. Dies trieb mich dazu an, weiter zu machen.

Schließlich erreichte ich den Ausgang und im Nu war ich draußen.

Die kühle Nachtluft blies mir entgegen, hüllte mich ein. Für mich war das richtig angenehm.

Über mir funkelten die Sterne mit dem Mond um die Wette.

Es war ein wunderschöner Anblick.
Leider konnte ich ihn nicht lange genießen.

Denn ein Hund schnüffelte am Boden herum. Aber nicht irgendein Hund. Nein, es war Goofy, der Wachhund der königlichen Garde. Schnell rannte ich weg, bevor er mich bemerkte.

Nicht weit von hier befand sich ein Wald, wohin ich mich aufmachte.

Als ich dort ankam hatte der Wind nachgelassen und das Himmelszelt hatte sich komplett verändert.
Nach wie vor schien der schlanke Sichelmond, aber um einiges heller als vor ein paar Stunden.
Sein Licht verschluckte alle Sterne und färbte das Himmelszelt in einem matten Grau.

Bald schon nahm ich das Bellen von Hunden und das Schnauben von Pferden war.
Haben sie etwa schon gemerkt, dass ich nicht in meinem Gemach schlief?
Erneut liefen kalte Schauer meinen Rücken hinunter und ich wurde leicht unruhig. Aus Gewohnheit wollte ich mit meinen Händen spielen oder an meinem - nun etwas zerrissenem - Nachthemd spielen, ließ es dann aber.
Zwar konnte ich im Schatten der Bäume kaum was sehen, trotzdem wollte ich nichts riskieren.
Deshalb setzte ich mich wieder in Bewegung und steuerte den Ausgang des Waldes an.
Immer lauter wurde es und immer mehr Stimmen drangen an meine Ohren. Auch kamen sie mir schneller näher, als es mir lieb war.

Ehe ich mich versah waren sie direkt an meinen Fersen.
Ihre heißen, unregelmäßigen und schnellen Atem konnte ich schon förmlich an meinen Nacken spüren.

Doch dann tat sich der Boden unter mich auf und ich fiel.
Wie lange und vor allem wie tief ich viel wusste ich nicht mehr. Bevor ich aufkam verstummten alle Geräusche und meine Augen schlossen sich.

...

Es heißt, bevor man stirbt, sieht man nochmal sein ganzes Leben im Schnelldurchgang vor seinem inneren Auge, wie als ob man einfach nur einen Film gucken würde.

Und so dachte ich nochmal an alles was ich erlebt hatte ...

Mein Name war Vincent und ich war der jüngste Nachfahre der berühmten Familie Silverwolf. Trotzdem wurde sehr viel von mir verlangt. Auch wurde ich manchmal wegen meinen schneeweißen Haaren aufgezogen und dennoch für jünger geschätzt. Einige fanden sie schön, vor allem mein Kindermädchen schwärmte in größten Tönen davon. Mir selber gefiel mein Haar überhaupt nicht. Ich hasste es. Darum trug ich - wann immer ich konnte - eine Mütze oder ähnliches. Einmal hatte ich sogar versucht meine Haare eigenständig zu färben. Doch anstatt das sie blond wurden, blieben sie so, wie sie vorher waren. Das war zum Haare raufen! Wortwörtlich. Am nächsten Tag habe ich dann erfahren, dass irgendwer die Farbe mit normalem (teurem) Shampoo getauscht hatte. Extra. Ich war so wütend, aber mein Kindermädchen hat mich aufgemuntert und mir alle Vorteile aufgezählt, die ihr einfielen. Mich beschlich der leise Verdacht, dass sie der Täter war, jedoch nahm ich es ihr nicht übel. Sie konnte zwar (zu) fürsorglich sein, dennoch hatte ich sie gern. Eine der wenigen Sachen, die ich an dem Anwesen mochte.
Wie es ihr wohl ging? Machte sie sich große Sorgen um mich? Oder überhaupt nicht und war sogar froh, dass ich weg war? Ich wusste es nicht. Weiter darüber nachdenken konnte ich nicht, weil ich aus meinen Gedanken gerissen wurde ....

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Story of a shy boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt